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Mit den tödlichen Luftschlägen in Kundus befasst sich ab sofort ein Untersuchungsausschuss des Bundestages. Am Mittwoch übernahm der Verteidigungsausschuss diese Funktion.

Berlin - Mit den tödlichen Luftschlägen in Kundus befasst sich ab sofort ein Untersuchungsausschuss des Bundestages. Am Mittwoch übernahm der Verteidigungsausschuss diese Funktion. Er soll klären, was bei dem vom deutschen Oberst Georg Klein befohlenen Luftangriff auf zwei Tanklaster am 4. September in Afghanistan passierte. Zudem soll erörtert werden, welche Rolle die verantwortlichen Politiker bei der Aufarbeitung des Angriffs spielten.

Bei dem Luftangriff waren bis zu 142 Menschen getötet worden, darunter viele Zivilisten. Der Ausschuss will die Vorfälle mindestens ein Jahr lang aufklären. Das Bombardement hatte Klein nicht nur befohlen, um zu verhindern, dass die Tanklaster als rollende Bomben gegen die Bundeswehr in Afghanistan eingesetzt werden, sondern auch um Taliban-Führer vor Ort zu töten.

Im Januar sollen nach dem Willen der Opposition unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg als Zeugen geladen werden. Während der konstituierenden Sitzung sollte eine vorläufige Zeugenvernehmungsliste beschlossen werden, sagte der CDU-Politiker Ernst-Reinhard Beck. SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold (SPD) erklärte, man habe sich auf Guttenberg (CSU) als ersten Zeugen verständigt.

"Bei dem Untersuchungsausschuss geht es auch darum, ein Stückchen Vertrauen in den Bundeswehreinsatz in Afghanistan wieder herzustellen", betonte Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour. "Ich bedauere zutiefst, dass die Kanzlerin in dieser Woche nicht die Chance ergriffen hat, einiges zu beantworten", sagte er. Merkel lehnt eine zweite Regierungserklärung zur Kundus-Affäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab.

In der Frage, wer die Verantwortung für die Informationspannen in der Affäre zu verantworten hat, bezichtigte der entlassene Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, Guttenberg der Lüge. "Was diesen 25. (November) nachmittags angeht, sagt er die Unwahrheit", sagte Schneiderhan der Wochenzeitung "Die Zeit" über die Abläufe am Tag seiner Entlassung.

Guttenberg hatte Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert vorgeworfen, dass sie ihn zu Beginn seiner Amtszeit nicht umfassend informiert hätten. Guttenberg selbst hatte aufgrund neuer Informationen Ende November seine ursprüngliche Einschätzung korrigiert, dass der Angriff militärisch angemessen gewesen sei.

Auch an Merkel sind nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" die Berichte über den Kundus-Luftschlag vom Verteidigungsministerium erst mit vier Tagen Verzögerung weitergeleitet worden. Der erste Isaf-Bericht und die Angaben des deutschen Kommandeurs Klein seien zwar am 6. September im Verteidigungsministerium eingetroffen, allerdings erst am 10. September an das Kanzleramt weitergeleitet worden, heißt es in einer Vorabmeldung. Damals war noch Franz Josef Jung Verteidigungsminister. Wegen der Informationspannen war er Ende November als Arbeitsminister zurückgetreten.

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe, bezeichnete die Debatte über die Kundus-Affäre als bizarr und wirklichkeitsfern. Die Soldaten "schütteln mit dem Kopf, wenn sie sich anschauen, was sich im politischen Berlin jeden Tag ereignet und in der Zeitung zu lesen ist", sagte Robbe im Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages.

Den wenigsten Deutschen sei bewusst, dass die Soldaten in Afghanistan "jeden Tag ihren Kopf hinhalten und froh sind, wenn sie gesund und lebend von Patrouillenfahrten ins Feldlager zurückkommen".