Dass die Trägerrakete Ariane starten kann, hat auch mit Baden-Württemberg zu tun. Foto: AFP

Baden-Württemberg greift nach den Sternen. Das ist schon länger so, aber nun will der Südwesten seine Position in der Luft- und Raumfahrt ausbauen. In Zukunft sollen das auch mehr Menschen mitbekommen.

Wer kennt Lampoldshausen? Der nicht einmal tausend Einwohner zählende Ortsteil von Hardthausen am Kocher leistet entscheidende Beiträge für die europäische Raumfahrt. Dort testet das deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Antriebe für die Trägerrakete Ariane, die die Raumstation ISS versorgt. 340 Menschen arbeiten dort.

Sie sind nicht die einzigen Luft- und Raumfahrtexperten in Baden-Württemberg. Stolz vermeldet das Staatsministerium: „Von den 9300 direkt in der Raumfahrt Beschäftigten in Deutschland arbeitet fast jeder Zweite bei uns“. Die Branche zählt der Ministerpräsident zu den wichtigsten im Land. Winfried Kretschmann (Grüne) sagte unserer Zeitung: „Wir sind klug beraten, unsere sehr gute Ausgangsposition in Baden-Württemberg auszubauen“.

Südwesten setzt auf Zukunftsbranche

Es gehe um die strategische Souveränität Europas, zum Beispiel im Wettlauf mit China. „Raumfahrt ist ein Schlüsselthema. Wirtschafts- aber auch geopolitisch“, unterstreicht Kretschmann. Längst werden Stromnetze und Generatoren über von Satelliten bereitgestellte Zeitsignale synchronisiert. Die Signale ermöglichen beispielsweise auch den Echtzeithandel an Börsen. Das Staatsministerium zieht Prognosen heran, die besagen, dass der Markt in weniger als 20 Jahren so groß sein werde wie die heutige weltweite Autoindustrie.

Da will Baden-Württemberg nicht ins Hintertreffen geraten. Für 4,5 Millionen Euro wird die Landesregierung in den kommenden beiden Jahren eine Luft- und Raumfahrtstrategie erarbeiten, die die Akteure im Land stärker vernetzt und die Führungsrolle des Landes unterstreicht. Gleichzeitig sollen zukunftsweisende Themenfelder gestärkt werden.

Kretschmann: Wir wollen ganz vorne mitspielen

Es soll etwa um Antriebssysteme der Zukunft gehen oder um Satellitendaten für Innovationen. Kretschmann betonte: „Mit der angestrebten Strategie für Luft- und Raumfahrt wollen wir ganz vorne mitspielen bei Technologien für die Satellitenproduktion oder bei digitalen Anwendungen wie etwa dem Management von Weltraumschrott“.

Er schreibt der Raumfahrt enorme Bedeutung zu. Der Weg gehe zum kostengünstigen Kleinsatelliten – „vom rein staatlichen Handlungsfeld zur Kommerzialisierung“.

Kretschmann lobt, dass die Bundesregierung im November bei der ESA-Ministerratskonferenz ihre Beteiligung an den Programmen der europäischen Weltraumorganisation ESA auf rund vier Milliarden Euro erhöht hat. Darauf hatte er zusammen mit anderen Länderchefs gedrungen. Die Verträge, die aus der Ministerratskonferenz resultieren werden, können auch Baden-Württemberg zugutekommen, erwartet Anna Christmann, die Koordinatorin der Bundesregierung für Luft und Raumfahrt.

Wie die Bundesstrategie dem Land nützt

Die grüne Bundestagsabgeordnete aus Stuttgart nannte die Erdbeobachtungsprogramme, das Technologieprogramm für die Satellitenkommunikation und die Nutzung der ISS. „Mit dem Raketentestgelände in Lampoldshausen haben wir eine entscheidende Infrastruktur für die europäische Raumfahrt gestärkt“, sagte Christmann. Die Öffnung des Marktes für bestimmte Dienstleistungen komme auch kleineren und mittleren Unternehmen zugute, „von denen es in Baden-Württemberg ja zahlreiche gibt“.

Neben Standorten von Airbus und Zeppelin hat Baden-Württemberg viele Start-ups, „die traditionelle Märkte aufmischen“, wie eine Regierungssprecherin sagt. Zum Beispiel die Firma HyImpulse in Neuenstadt am Kocher, eine von drei deutschen Firmen, die an kleinen Trägerraketen für kleine Satelliten tüftelt. Die Paraffin-Raketen aus Neuenstadt lobt das Staatsministerium als „grüne Rakete made in Baden-Württemberg“, die den Zugang zum Weltall einfacher und günstiger machen soll.

Wissenschaftsministerin setzt auf den Forschungsbereich

Verwunderlich ist es nicht, dass die Start-ups in Baden-Württemberg entstehen. Die Fakultät für Luft- und Raumfahrt an der Universität Stuttgart ist eine der größten in Europa. Wissenschaftsministerin Petra Olschowski betont: „Luft- und Raumfahrt ist weit mehr als die Erkundung des Weltalls – sie hat ganz konkreten Einfluss auf unser tägliches Leben.“ Die Luft- und Raumfahrttechnologie setze entscheidende Impulse bei der weltweiten Kommunikation via Satellit oder im Kampf gegen den Klimawandel. „Deshalb werden wir verstärkt auf diesen Forschungsbereich setzen“, kündigt sie an.