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Schulpsychologen sollen Erfahrungen mit dem Amoklauf von Winnenden weitergeben.

Stuttgart - Fast genau vor einem Jahr ereignete sich der Amoklauf von Winnenden. Damals kamen auch Schulpsychologen aus Rheinland-Pfalz zum Einsatz. Nun will sich Baden-Württemberg revanchieren, doch das dürfte wohl nicht nötig sein.

Kultusminister Helmut Rau (CDU) sagte am Donnerstag, man könne aufgrund der Erfahrungen aus dem Amoklauf von Winnenden dem Nachbarland helfen - auch mit personeller Unterstützung in Form von Schulpsychologen. "Die angebotene Hilfe ist eine schöne Geste", hieß es am Donnerstag im Umfeld des rheinland-pfälzischen Kultusministeriums, "aber wir haben selbst genügend Psychologen zur Verfügung."

Am 11.März 2009 erschoss der 17-jährige Tim K. fünfzehn Menschen - unter anderem in einer Realschule in Winnenden -, nach einer mehrstündigen Flucht stellte ihn die Polizei, Tim K. nahm sich daraufhin das Leben. Mehrere Bundesländer - darunter auch Rheinland-Pfalz - schickten damals ihre Schulpsychologen nach Winnenden, um den Überlebenden beizustehen. Die Experten richten in solchen Fällen feste Beratungszeiten für die Betroffenen ein - in denen sie Kraft tanken können: Strukturen sind wichtig nach einem dramatischen Ereignis wie einem Amoklauf. Die Psychologen haben außerdem die Erfahrung gemacht, dass sie Menschen, die nach einem Amoklauf psychisch stabil wirken, ebenfalls beobachten müssen. Denn wenn diese zur Ruhe kommen, fingen sie an, sich quälende Fragen zu stellen: Warum musste diese Tat geschehen? Und hätte ich sie nicht verhindern können?

In Baden-Württemberg selbst arbeiten derzeit 114 Schulpsychologen. Nach dem Wunsch von Rau soll sich diese Zahl schrittweise auf 160 erhöhen, zudem soll die Zahl der Gewaltpräventionsberater und der Beratungslehrer (derzeit 1600) verdoppelt werden. Doch das kostet Geld: etwa 14 Millionen Euro pro Jahr. Und Raus Forderungen sind nicht die einzigen, mit denen sich die Landesregierung nach dem Amoklauf von Winnenden auseinandersetzen muss. Das Innenministerium will die speziell geschulten Streifenpolizisten, die im Alarmfall sofort herbeieilen sollen, besser ausrüsten: mit schusssicheren Westen, die auch den Hals abdecken. Zudem müsse es Helme mit schusssicherem Glas geben, so wie sie bei den Spezialeinsatzkräften üblich sind. Kostenpunkt: 3,5 Millionen Euro. Es wird also teuer, wenn sich die Landesregierung wappnen will gegen Amokläufe an Schulen. Der Expertenkreis Amok hat in seinem Abschlussbericht mehr als 80 Empfehlungen abgegeben. So sollen alle Schulen mit einem Amoklauf-Signal ausgestattet werden. Und auch die Türen der Klassenzimmer hat sich der Expertenkreis näher angeschaut und ist zu dem Schluss gekommen: Die Türen müssen durch einen Knauf gesichert sein, der sich von innen sperren lässt. Kultusminister Rau schätzt, dass allein die Aufrüstung mit sicheren Türknäufen 30 bis 50 Millionen Euro kosten dürfte - bei 100.000 Klassenzimmern. Dafür bezahlen müssten die Kommunen. Dass es dazu kommt, gilt als unwahrscheinlich. Zudem rät der Expertenkreis dazu, dass alle Schulleiter sogenannte Pager erhalten. Damit können sie über Funk gewarnt werden - auch wenn in anderen Schulen etwas passiert. Nach dem Amoklauf von Winnenden hatte es Kritik gegeben, weil einige Schulen in der Region nicht informiert worden waren.