Piatari Inkinen Foto: Promo

Jahrelang war die Position des Chefdirigenten die große Streitfrage bei den Schlossfestspielen. Bei der Vorstellung von Pietari Inkinen waren am Montag aber sowohl der Intendant als auch der Aufsichtsrat des Lobes voll.

Jahrelang war die Position des Chefdirigenten die große Streitfrage bei den Schlossfestspielen. Bei der Vorstellung von Pietari Inkinen waren am Montag aber sowohl der Intendant als auch der Aufsichtsrat des Lobes voll.

Stuttgart - Sonnenstrahlen bescheinen den Konferenzraum im Dachgeschoss des Stuttgarter Kunstministeriums hoch über der Königstraße, und am Tisch herrschen eitle Freude und Einigkeit. In einer Reihe sitzen der Ludwigsburger Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende der Schlossfestspiele, Werner Spec, Ludwigsburgs Intendant Thomas Wördehoff, Kulturstaatssekretär Jürgen Walter und Jochen Schönmann, Sprecher des Baden-württembergischen Kunstministeriums. In ihrer Mitte ein kleiner, blonder Mann mit feinen Händen. „Pietari Inkinen“, sagt Thomas Wördehoff, „ist ein Dirigent, der die Menschen verführt. Das ist ihm beim Festspielorchester gelungen, also schafft er das auch mit dem Publikum – und zwar nicht nur mit Tschaikowskys erstem Klavierkonzert.“

Da lacht der Mann in der Mitte sein kurzes, stilles Lachen. Ab 2015 wird er in Ludwigsburg das Orchester leiten, der Vertrag umfasst die drei Jahre bis einschließlich 2017, und von „drei bis fünf Produktionen“ pro Saison ist jetzt die Rede. Genaueres werde noch ausverhandelt, und „schon jetzt“, sagt der Intendant, „mischt sich Inkinen in die Planung ein.“

Lange, betont Jürgen Walter, habe man verhandelt – schließlich habe die Position des Chefdirigenten in den letzten Jahren für „die eine oder andere Auseinandersetzung“ gesorgt. Am Ende setzte sich der Aufsichtsrat mit seiner Idee einer starken Führungspersönlichkeit gegen den Wunsch des Intendanten durch, der die musikalische Macht bei den Schlossfestspielen lieber auf mehrere Schultern verteilt hätte. Nach gravierenden Meinungsverschiedenheiten mit dem ehemaligen Chefdirigenten Michael Hofstetter ist Wördehoff ein gebranntes Kind. Die erste Saison nach Hofstetters Ausscheiden, so Werner Spec jetzt, sei von der „Sichtung unterschiedlicher Persönlichkeiten“ geprägt gewesen; dass sich der Aufsichtsrat rasch auf Pietari Inkinen als Favoriten einigte, habe auch daran gelegen, dass dieser „nicht nur ein profilierter Dirigent, sondern selbst auch Musiker“ sei. Wie fast alle in Finnland ausgebildeten Dirigenten spielt Inkinen auch ein Orchesterinstrument: In Köln hat er Geige studiert.

Zuletzt, so Walter, habe man in Ludwigsburg „zu viel über Zahlen und zu wenig über Kunst gesprochen“, das solle sich nun ändern, und „Wir wollen kein kommerzielles Festival sein, sondern ein eigenständiges Profil haben“, betonte Spec – nun ganz im Sinne seines Intendanten. Der wiederum wies freudig darauf hin, dass der Kartenverkauf 2014 „deutlich über dem Punkt liegt, an dem wir 2013 waren“. Und freuen kann sich Wördehoff nicht nur über einen guten Mann in der ersten Reihe, sondern auch darüber, dass er neben diesem weiterhin Gastdirigenten nach Ludwigsburg einladen, also seinen Kurs der unterschiedlichen Handschriften auf moderate Weise weiterführen darf.

„Wir stoßen mit Pietari Inkinen in Repertoirebereiche vor, die wir in Ludwigsburg bisher noch nicht berücksichtigt hatten“, sagt Wördehoff – er wisse tatsächlich nicht, ob bei den Schlossfestspielen jemals Bruckner gespielt worden sei. Außerdem reizen Wördehoff an dem 33-Jährigen die „Offenheit und die Lust auf neue Formen“. Das Interesse des Intendanten an Spannungsfeldern zwischen unterschiedlichen Arten und Kulturen von Musik, an programmatischen Reibungen und Brechungen scheint der Finne zu teilen: „Bei mir ist alles möglich“, sagt er überzeugt, betont andererseits aber auch, dass sein Hauptinteresse auf den großen romantischen Orchesterwerken etwa von Bruckner, Wagner und Strauss liege. Mit ihrer Hilfe will er weiter an der Klangkultur des Festspielorchesters feilen, und wenn er die Musiker, die sich von ihm ebenso begeistert zeigten wie der einstimmig votierende Aufsichtsrat, besser kennengelernt habe, wolle er unbedingt auch „klar erarbeiten, wer was spielen soll“. „Die Chemie stimmt“, betont Inkinen; schon jetzt aber sei das Orchester eine „spannende Gruppe von Musikern“, denen man anmerke, dass sie nicht in regelmäßigen Diensten zusammen spielen, „und das ist etwas ganz Besonderes“.

Die Umbruchsituation in Ludwigsburg sei, so Jürgen Walter, mit dem „Aufbruchssignal“ der Chefdirigenten-Verpflichtung endgültig vorbei. Symbolisch überreichte er dem Dirigenten aus dem Land, in dem auf 4,5 Millionen Einwohner 30 Orchester kommen, einen Dirigierstab. Mit Sicherheitshülle, damit bei den Schlossfestspielen bloß nichts mehr kaputtgeht.