Fast wie im früheren Leben: Harald Schweizer hat sich in Korntal unter dem Dach einen Arbeitsplatz eingerichtet. Foto: factum/Bach

38 Jahre sind eine lange Zeit. So lange hat Harald Schweizer als Maler in der Ludwigsburger Porzellanmanufaktur gearbeitet. Daraus dass es seinen Arbeitgeber nicht mehr gibt, will er das Beste machen – und durchstarten.

Ludwigsburg/Korntal - Was macht man, wenn man schon im Kindergarten gemalt, in der Schule die Ränder der Klassenarbeiten mit kunstvollen Bildchen vollgekritzelt, 38 Jahre lang als Maler in der Porzellanmanufaktur Ludwigsburg gearbeitet hat – und dann macht der langjährige Arbeitgeber dicht? Richtig. Man malt einfach weiter , und versucht dafür Abnehmer zu finden, die diese Handwerkskunst zu schätzen wissen.

Nichts anderes hat Harald Schweizer vor. Am Montag vor einer Woche war sein letzter Arbeitstag im insolvent gegangenen Ludwigsburger Traditionsunternehmen. An diesem Tag war das große Räumen im Schloss für ihn beendet. Doch das Ende dieser Geschäftstätigkeit ist für den gebürtigen Ludwigsburger, der schon fast 30 Jahre in Korntal wohnt, noch lange kein Grund, seinen Lebensinhalt einfach so gegen etwas anderes zu tauschen. „Ich will weiter malen“, sagt er – und sprudelt voller Ideen.

Am liebsten würde er Malkurse der gehobenen Art in schöner Umgebung bei gutem Essen anbieten. Aber dieser Plan wird sich wohl nicht sofort umsetzen lassen. Er wird erst die Wünsche unglücklicher heimatlos gewordener Ludwigsburger Ex-Kunden bearbeiten, die jetzt anfragen, ob er nicht hier und dort mal einen Teller, eine Vase oder eine Figur bemalen wolle.

Schweizer will keine Manufaktur en miniature

Bereits in der Schule hat Schweizer die Strafarbeit für das Bekritzeln der Musikklassenarbeit nicht wirklich gebremst. Er musste 20 Mal ein Pferd malen. Was für eine Strafe! Und heute? Schweizer sitzt am Businessplan, den er natürlich nicht so nennen mag. Er hat regulär Weißware aus der Insolvenzmasse gekauft und denkt darüber nach, weitere zu kaufen. Was könnte dem Land Baden-Württemberg, wo die Reste eingelagert sind, auch Besseres passieren, als wenn das weiße Gold in befugte Hände gelangen würde und dort eine Weiterverwendung erführe.

Harald Schweizer will in seinen Bemühungen jedoch nicht falsch verstanden werden. Er will nicht die Porzellanmanufaktur en miniature weiterführen. Das wäre ihm eine Nummer zu groß. Da sind schon andere dran gescheitert. Aber so ganz von seinem Metier lassen, will er eben auch nicht. Dafür sind 38 Jahre zu lang und die Verbundenheit zu groß.

In den Anfangsjahren waren Arbeit und Leben kaum zu trennen. „Wir sind zusammen in den Urlaub gefahren und haben zusammen Musik gemacht“, erinnert er sich an seine Lehr- und Anfangsjahre. Ein cooler Job sei das gewesen. An die zehn Geschäftsführer habe er erlebt. Am Ende sei er so etwas wie der letzte Mohikaner im Schloss gewesen. Und das Gedächtnis der Manufaktur. Am Ende hat er Porzellan gebrannt, bemalt, geräumt und Kunden beraten. Mit 55 Jahren ist er an dem Punkt angelangt, mit seinem Wissen noch einmal durchstarten zu wollen.

Am 8. Mai ist Aktionstag im Porzellanmuseum

Schon zu Zeiten der Manufaktur hat Schweizer mehr bemalt als nur Porzellan. Bei der Restaurierung des königlichen Apartments im Schloss hat er mit seinen Malkünsten ausgeholfen. Schweizer träumt davon, und die Agentur für Arbeit macht ihm Mut, weiter kleine aber feine Spezialaufträge zu übernehmen. Er will neue Motive entwerfen. Menschen mit seiner Qualifikation gibt es nicht viele. Am 8. Mai, beim Aktionstag im Porzellanmuseum, wird er öffentlich malen.

Am Dienstag aber hat ihn sein Weg noch einmal zurück nach Ludwigsburg geführt. Wie all die Jahre vorher natürlich mit dem Fahrrad. Schweizer hatte vergessen, die Programmierungsanleitung für den kleineren der Ludwigsburger Porzellanofen mitzunehmen. Denn den hat er aus der Insolvenzmasse gekauft und vorübergehend in einer stillgelegten Werkstatt bei Freunden abgestellt. „Ich weiß zwar, wie er funktioniert“, sagt er. Aber sicher ist eben sicher.

Der Stand des Insolvenzverfahrens

Stand
Mit Ende des Monats Februar hat Stephan Rüdlin, der Stuttgarter Insolvenzverwalter der Schlossmanufaktur, die Räume im Schloss an die Vermieterin zurückgegeben. Der Verkauf und die Produktion waren noch bis Ende Januar gegangen, obwohl bereits zur Jahreswende der Betrieb eingestellt worden war.

Verfahren
Rüdlin wird das Insolvenzverfahren nun weiterführen. Noch wird durch eine Verwertungsgesellschaft das Mobiliar an Interessenten verkauft. Vor fast genau zwei Jahren hatte das 258 Jahre alte Unternehmen Insolvenz angemeldet. Rüdlin will nach Beendigung des Geschäftsbetriebs Bilanz ziehen und Einnahmen und Ausstände gegenüberstellen. Wenn es dabei keinen rechtlichen Einspruch gibt, schätzt er das Verfahren bis Ende des Jahres zu Ende führen zu können. Im Moment deute alles darauf hin, dass mit einer nennenswerten Quote über den üblichen vier Prozent im zweistelligen Bereich zu rechnen sei.