„Menschen haben ihre Ängste. Wir befeuern sie nicht. Sie sind da.“ – der Dokumentarfilm über den AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen im Wahlkampf ist auf internationalen Festivals mit englischen Untertiteln gezeigt worden. Foto: Meuthen’s Party

Fünf Monate hat der Ludwigsburger Filmstudent Marc Eberhardt den AfD-Politiker Jörg Meuthen begleitet: In Wirtshäuser, im Auto, in den Landtag. Der Dokumentarfilm „Meuthen’s Party“ sucht nach der Motivation des Politkers – und der seiner Anhänger.

Ludwigsburg - Mitten in der Nacht nähern sich zwei Männer einer Straßenlaterne. Im fahlen Lichtschein holen sie ein Wahlplakat der AfD aus dem Kofferraum, ziehen einen Kabelbinder durch das Plastik und befestigen die Werbetafel an einer Kreuzung in Stuttgart-Plieningen. Während sie darüber streiten, wer den Autoschlüssel verlegt hat, fängt die Kamera den kleinen, schwarzen Anhänger ein – er baumelt in der Hand des einen Wahlkämpfers. Es sind Szenen wie diese, amüsante Kleinigkeiten, mit denen „Meuthen’s Party“ seine Distanz zum Sujet deutlich machen will. In 90 Minuten zeichnet der Ludwigsburger Filmstudent Marc Eberhard ein Bild des Spitzenpolitikers Jörg Meuthen. Er sucht nach dessen Motivation – und der seines Wahlvolks.

Herr Eberhardt, warum haben Sie während des Landtagswahlkampfes ausgerechnet Jörg Meuthen begleitet? Waren die anderen Parteien nicht spannend genug?
Anfang 2016 habe ich festgestellt, dass die AfD wohl ein zweistelliges Ergebnis bei der Landtagswahl einfahren wird. Deshalb wollte ich dieses Phänomen verstehen. Bei einer Veranstaltung in einem Gasthaus habe ich Herrn Meuthen kennengelernt, ohne Kamera. Ich habe ihm gesagt: ich würde gern einen Film machen und konnte ihn dafür gewinnen. Er ging von Anfang an davon aus, dass der Film über ihn sein würde.
Wie schwer war es, sein Okay zu bekommen? Die AfD pflegt ja immer wieder ein sehr spezielles Verhältnis zu den Medien.
Als Professor hat er mit Studenten zu tun, und der Film ist ein studentisches Projekt. Da gab es eine Ebene, auf der man sich treffen konnte. Dadurch, dass ich offiziell als „der Student“ durchging, wurde ich vielleicht anders beurteilt. Ich war eher der Typ, der allein mit der Kamera in der Ecke stand, während das Medieninteresse bei den meisten Terminen riesig war. Ich wollte nicht Teil der Berichterstattung sein, sondern in der zweiten Reihe stehen und beobachten, was passiert.
Gibt man einer populistischen Partei wie der AfD und Jörg Meuthen im Speziellen nicht eine Plattform mit einem solchen Film?
Damit haben wir uns im Vorfeld auseinandergesetzt. Wir wollen uns mit dem Film zwischen die Stühle setzen, einen Film machen, der Raum zum Denken lässt. Es gibt keinen Sprecher aus dem Off, der dem Zuschauer sagt, was er meinen soll. Es geht nicht um Enthüllungen – der Skandal ist ja ganz offensichtlich, direkt vor Augen.
Läuft man ohne einen Sprecher, ohne klar erkennbare Haltung und Einordnung, nicht Gefahr, den Zuschauern allein zu lassen? Gerade bei so einem Thema?
Wir wollten nicht den nächsten AfD-Bashing-Film drehen. Die, die sie wählen, denken in so einem Fall: die Lügenpresse halt. Und die anderen denken: das wusste ich eh schon alles. Bei so einem Film passiert nichts in den Leuten. Ich will den Zuschauern nicht vorschreiben, was sie mit unserem Film zu tun oder zu lassen haben. Bisher hatten wir nach den Vorführungen sehr interessante Gespräche. Der Film scheint Menschen zum Reden zu bewegen. Und das ist viel wert.
Hatte Herr Meuthen ein Mitspracherecht, wie der fertige Film aussieht?
Es gab Vereinbarungen: Wir lassen seine Familie raus, ab und an hab ich die Kamera ausgemacht, wenn er darum gebeten hat. Und ich habe ihm den Film gezeigt, bevor er veröffentlicht wurde. Es ist natürlich ein Spannungsfeld, aber er war schriftlich damit einverstanden, dass wir das Material verwenden dürfen. Es stand nie zur Debatte, ob der Film erscheint.
Ist es also ein Werk von Herrn Meuthens Gnaden?
Nein, sicher nicht.
Welche Eindrücke haben Sie auf ihrer Reise mit ihm gesammelt?
Was der Film zeigt, ist eine Aufsteiger-Geschichte. Für mich hat das was von Heinrich Manns „Der Untertan“. Der deutsche Mann, der nach oben buckelt und nach unten tritt. Für mich ist das Geheimnis von Herrn Meuthen: Warum macht der das? Exakt kann ich das nicht beantworten. Ich kann mir aber vorstellen, dass es gewisse Motivationen gibt – und eine spezielle davon ist Macht. Er ist der Strippenzieher hinter allem, der Chef-Stratege.
Meuthen gilt als das intellektuelle Gesicht der AfD, als gemäßigt. Er redet nicht vom Schusswaffengebrauch an der Grenze. Entspricht dieses Image der Realität?
Er ist ein geschickter Rhetoriker. Als er im Film von einem Journalisten damit konfrontiert wird, dass es „wirre“ Anträge zum Bundesprogramm gebe, sagt er, die Anträge seien „exotisch“. Ihm ist absolut bewusst, mit wem er es in seiner Partei zu tun hat. Aber er ist clever genug, solche Thesen nicht selber in den Mund zu nehmen.
Seine eigene Haltung bleibt teils unklar.
Wenn jemand wie er sich hinstellt und vor 2000 Mitgliedern auf dem Bundesparteitag vom „links-rot-grün verseuchten 68er-Deutschland“ spricht, ist das eine Einladung für alle, die nach rechtsaußen offen sind. Er weiß sehr genau, was er tut. Und das ist ihm vorzuwerfen. Selbst wenn es andere Motive gibt, ist es absolut nicht in Ordnung, den Arm nach rechts aufzumachen und alle Leute im Boot halten zu wollen, nur um die eigene Macht zu sichern.
In einer Szene geht Meuthen auf die Gegendemonstranten zu, die vor einem Veranstaltungssaal stehen. Im Wissen, dass Ihre Kamera läuft?
Ich weiß nicht, ob er das auch ohne Kamera gemacht hätte. Ihm war aber klar, dass die Gefahr in dieser Situation für ihn persönlich gering war. Alle fünf Meter standen Polizisten, die Demonstranten schienen nicht gewaltbereit. Für die Wirkung war die Aktion sicher gut.
Ganz viele seiner Wähler müssten ihn doch ablehnen, als Hochschulprofessor ist er Teil der Elite, ein Teil des Establishments. Doch er kommt auch bei der Wahlkampf-Veranstaltung im Landgasthof gut an.
Eine Rolle spielt sicher auch die Physiognomie: Ein glattrasierter Mann in den Fünfzigern, der jovial auftritt. Er weiß immer, vor welchem Publikum er spricht.
Ist das einer der Gründe für seine Popularität? Macht ihn das gefährlich?
Er ist gefährlich, weil er gefällig ist. Die Leute fallen auf ihn rein. Sie denken, dass sie was Vernünftiges bekommen.