Das Neubaugebiet Schauinsland soll die bereits realisierten Neckarterassen (rechts unten) in Ludwigsburg ergänzen. Foto: Stadt Ludwigsburg

Nach massiver Kritik sollen im Gebiet Schauinsland in Ludwigsburg weniger Wohnungen entstehen als ursprünglich geplant – das überarbeitete Konzept stößt auf breite Akzeptanz, hat aber unerwünschte Nebeneffekte.

Ludwigsburg - Die Stadt Ludwigsburg ist bei den Planungen für ein weiteres Baugebiet neben den Neckarterassen in Neckarweihingen einen großen Schritt voran gekommen. Nachdem es in der Vergangenheit massive Kritik an den Plänen gegeben hatte, hat der städtische Bauausschuss das überarbeitete Konzept am Donnerstag mit großer Mehrheit gebilligt und den entsprechenden Bebauungsplan beschlossen. 172 Wohneinheiten sollen auf einem inzwischen entweihten Friedhofsgelände und Ackerflächen am nördlichen Ortsrand entstehen. Schauinsland heißt das Gebiet, weil es im Süden von einer gleichnamigen Straße eingerahmt wird.

Das Rathaus habe sich intensiv mit dem Projekt befasst, sagte der Baubürgermeister Michael Ilk. Und das war eher untertrieben. Als die Pläne 2014 publik wurden, hagelte es Kritik. Der Neckarweihinger Stadtteilausschuss monierte, man benötige dort, nachdem gerade erst die Neckarterassen aufgesiedelt worden seien, kein weiteres Baugebiet. Widerstand entzündete sich auch an der konkreten Ausgestaltung, die zwar auch vereinzelt Einfamilienhäuser vorsah, vor allem aber Geschosswohnungsbau mit teils vier Etagen plus Staffeldach.

Die Planungen stießen auf erheblichen Widerstand

Zu viel, zu hoch, zu dicht – die Kritiker bemängelten, das Ganze füge sich nicht hinreichend in das Umfeld ein. Ebenfalls auf Ablehnung stieß, dass die Gebäude teilweise auf einer Fläche entstehen sollen, die einst zum Friedhof Scholppenäcker gehörte. Die Stadt hielt dagegen, das Areal werde nicht mehr für Gräber benötig, und ließ es umwidmen. Das alles vor dem Hintergrund, dass Ludwigsburg vor zweieinhalb Jahren eine Wohnbaulandoffensive beschlossen hat, um dem akuten Wohnungsmangel entgegenzuwirken. „Der Bedarf ist augenfällig“, betonte der Chef-Stadtplaner Martin Kurt am Donnerstag erneut.

Die anfängliche Kritik aus dem Stadtteil sickerte in den Bauausschuss ein, der die Verwaltung Ende vergangenen Jahres aufforderte, die Planung zu überarbeiten. Das jetzt vorgelegte Papier kommt den Kritikern weit entgegen. Zwar liegt der Schwerpunkt weiterhin auf Geschosswohnungsbau, aber die Gebäude fallen nun ein Stockwerk niedriger aus. Der Abstand der äußeren Bebauung zum Friedhof wurde vergrößert, und eine Grünfläche im Osten wird, zumindest vorerst, freigehalten – auf dieser sogenannten Vorbehaltsfläche könnte mittelfristig eine Kindertagesstätte entstehen. Gestalterisch orientiert sich das Konzept an den Neckarterassen, in der Mitte ist ein kleiner Quartierplatz vorgesehen.

Jetzt wird alles eine Nummer kleiner

Die Stadt plant nun also eine ganze Nummer kleiner und hat, sagte Kurt, „die Bebauung insgesamt deutlich zurückgenommen“. Das wiederum hat einen, zumindest aus Sicht der Verwaltung, unerwünschten Nebeneffekt: Von den einst geplanten 55 Wohneinheiten in Einfamilienhäusern bleiben im aktualisierten Entwurf nur 40 übrig, von den 147 Wohnungen im Geschosswohnungsbau lediglich 132. Und dass es bei diesen Zahlen bleibt, ist keinesfalls sicher. Am kommenden Mittwoch befasst sich der Gemeinderat erneut mit dem Vorhaben, die Zustimmung indes dürfte nach dem nahezu einstimmigen Votum des Ausschusses als sicher gelten. Als nächstes folgt eine umfassende Bürgerbeteiligung mit einer Infoveranstaltung am 7. April in der Gemeindehalle. Die Anregungen aus der Bevölkerung sollen aufgenommen und in ein abschließendes Konzept gegossen werden – bevor im Jahr 2018, so jedenfalls sieht es der grobe Zeitplan vor, die Bagger anrücken könnten.

Der Bauausschuss immerhin zeigte sich überzeugt. „Die Bebauung wirke harmonischer“, lobte die CDU, die Mischung sei viel besser, sagten die Grünen und die SPD, von einem guten Kompromiss sprachen die Freien Wähler. Wie die Grundstücke, die sich überwiegend im Besitz der Stadt befinden, konkret vermarktet werden, muss dann noch der Verwaltungsausschuss entscheiden. In diesem Gremium wird auch festgelegt, wie hoch dort der Anteil der Flächen sein soll, die für günstigen Wohnraum, etwa für das städtische Programm Fair Wohnen, reserviert werden.

Kommentar: Jetzt heißt es handeln

Ludwigsburg - Das Jammern muss endlich ein Ende haben. Kein Tag vergeht, an dem nicht von irgendwoher die Klage zu hören ist, dass in Ludwigsburg Wohnraum fehlt. Von dieser Misere sind alle betroffen: die Gutverdienenden aus den Zukunftsbranchen, die sich mit ihren Mitarbeitern in Ludwigsburg ansiedeln. Die Angestellten und Arbeiter aus dem Mittelstand. Und die Menschen, die nicht wissen, wie sie finanziell über die Runden kommen sollen.

Die Stadt boomt: in den vergangenen vier Jahren ist sie um fast 5000 Menschen auf knapp 93 000 Einwohner gewachsen. Die Entwicklung geht jedoch nicht einher mit einer nur in Ansätzen entsprechenden Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau. Deshalb muss die Maxime des Handelns heißen: wer jammert, muss auch bereit sein, die Weichen in die Zukunft zu stellen. Wenn die Entscheidungsgremien ernsthaft etwas an der Wohnungsnot ändern wollen, dann müssen sie nun endlich die entsprechenden Beschlüsse fassen.

Wenn die Wohneinheiten wie bei so ziemlich allen projektierten Bauvorhaben dann aber wieder eingedampft werden, ist das ein mehr als halbherziges Vorgehen. Dann bleibt alles Jammern Lippenbekenntnis. Dann sind sich die selbst genug, die bereits ein Dach über dem Kopf haben. Natürlich ist es schön, wenn die Freifläche nebenan unbebaut bleibt. Aber es gibt keinen Rechtsanspruch auf den freien Blick bis zum Feldrand. Proteste von Anwohnern gehören zum politischen Alltag. Sie gilt es, gegenüber dem Gemeinwohl zu gewichten. Damit das Jammern endlich ein Ende hat.