Altenpflegerin Martina Hummel glaubt, dass die Pflege der Älteren wegen des Pflegenotstands schon bald wieder verstärkt in den Familien geleistet werden müsse. Foto: Ines Rudel

Manche Arbeitgeber verzweifeln fast: Sie haben Stellen zu vergeben, aber keiner bewirbt sich. Besonders groß ist der Nachwuchsmangel in der Altenpflege. Landesweit könnten in den nächsten Jahren zehntausende Pflegekräfte fehlen.

Ludwigsburg - Sie muss früh raus. In der Frühschicht geht es um 6.30 Uhr los. Der Tag beginnt für Martina Hummel im Seniorenstift Ludwigsburg mit einem Übergabegespräch mit dem Kollegen der Nachtschicht: Die Nacht war ruhig, keine besonderen Vorkommnisse. Zu tun gibt es trotzdem genug. Die Bewohner werden geweckt, bei Bedarf gewaschen, angezogen und zum Frühstück gebracht. Die 49-jährige Krankenpflegerin arbeitet seit zehn Jahren im Pflegebereich und ist darüber hinaus für die Betreuung der Auszubildenden zuständig.

Der Job hat kein gutes Image. Das weiß auch Martina Hummel. „Viele Leute denken, es geht nur darum, den Bewohnern den Hintern abzuwischen“, klagt sie. Das schlechte Image sei einer der Hauptgründe des Nachwuchsmangels der Branche. Eine Folge sei, dass es vielen Altenpflegern an beruflichem Selbstbewusstsein mangele. „Dabei machen wir einen guten und wertvollen Job“, betont sie. Die angeblich so schlechte Bezahlung, über die oft gesprochen werde, sei weniger ein Problem. „Geld ist wichtig. Ich finde es aber schwierig, wenn es nur noch ums Geld geht. Das ist nicht unser Beruf. Wer viel Geld verdienen möchte, muss etwas anderes machen“, findet Hummel.

Doch wenn sich nicht mehr junge Menschen für den Beruf des Altenpflegers begeistern, bleiben im schlimmsten Fall die Pflegebedürftigen auf der Strecke. Nicht nur der Demografiebeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Thaddäus Kunzmann (CDU), fürchtet einen Pflegenotstand. Schon bis zum Jahr 2030 fehlten 40 000 zusätzliche Pflegekräfte im Südwesten, sagte Kunzmann Anfang Mai in Stuttgart. Diese Lücke zu schließen sei kaum möglich.

Im Seniorenstift Ludwigsburg gebe es bisher keinen Bewerbermangel, sagt die Leiterin Doris Linhart-Beck, obwohl sie nicht mehr bezahlten als andere Altenpflegeeinrichtungen. Ein Berufseinsteiger verdiene rund 2700 Euro brutto. Das Gehalt orientiere sich in der Regel am Tarif für den öffentlichen Dienst. Wichtig seien für die Mitarbeiter neben dem Geld vor allem das Arbeitsklima. Und zu einem guten Arbeitsklima trage bei, dass bei den Planungen der Schichten so weit wie möglich auf die Wünsche der Beschäftigten eingegangen werde. Zudem gebe es Urlaubs- und Weihnachtsgeld und eine betriebliche Altersvorsorge.

Zwischen dem Frühstück und dem Mittagessen kümmert sich Martina Hummel um die bettlägerigen Bewohner. Erst nach dem Mittagessen wird es etwas ruhiger auf der Station. Wenn das Nachmittagsprogramm mit Gymnastik-, Gesangs- oder Vorleseangeboten beginnt, können die Pflegekräfte kurz durchatmen. Zwischen dem Mittagessen und dem Kaffee wird die Station an die Spätschicht übergeben, die sich um das Abendessen kümmert und anschließend die Bewohner für das Zubettgehen vorbereitet.

Den Schritt von der Kranken- in die Seniorenpflege sei sie bewusst gegangen, sagt Martina Hummel. „Wir lernen unsere Senioren kennen. Im Krankenhaus sind die Patienten nur eine Nummer.“ Dass die Bewohner, die sie während ihrer Arbeit kennenlernt, meist nicht mehr lange zu leben haben, ist für Hummel kein Nachteil des Berufsbildes. „Ich begleite die Menschen auf ihrem letzten Lebensabschnitt. Und Sterben ist ein Teil vom Leben.“ Das sei auch den jüngeren Auszubildenden bewusst, dass die Menschen, um die sie sich kümmerten, am Ende ihres Lebens angekommen seien.

Dass der Pflegenotstand aufgehalten werden könne, glaubt Hummel nicht. Die Gesellschaft in Deutschland werde nicht darum herumkommen, dass die Pflege der Älteren wieder stärker in den Familien geleistet werden müsse. Von einer Akademisierung des Berufes hält sie nichts. „Ich brauche Pflegekräfte an den Betten“, sagt sie. Die Arbeit an der Basis müsse gemacht werden, ein Studium helfe da kaum weiter. Viel wichtiger sei es, dass die Bewerber keine Berührungsängste hätten und empathisch seien.