Eine Grabplatte zeigt Ludwig IV Foto:  

Passendere Orte für eine Ausstellung, die Kaiser Ludwig den Bayern und seine Zeit vorstellt, gibt es nicht: Drei Kirchen in Regensburg sind die perfekten Schauplätze für die bayerische Landesausstellung, die sich mit einer der großen Herrschergestalten des Mittelalters beschäftigt.

Regensburg - Die Regensburger Minoritenkirche, St. Ulrich am Dom und der Domkreuzgang: Diese Orte in Regensburg hatte Kaiser Ludwig der Bayer selbst gesehen. Überhaupt hatte er Regensburg, dessen mittelalterliches Gesicht wie das kaum einer anderen deutschen Stadt noch heute erkennbar ist, gern und oft mit seiner Anwesenheit beehrt. Der Besucher der Ausstellung wird gleichsam vom Geist und von der Zeit des vor über 650 Jahren gestorbenen Wittelsbachers umfangen, Geschichte wird hier im besten Sinne lebendig und unmittelbar erlebbar.

Dabei war Ludwig eine durchaus zwiespältige Persönlichkeit der deutschen Geschichte. Er hat das Spätmittelalter mitgeprägt und zukunftsorientierte Entwicklungen wie den Aufstieg der Städte gefördert. Aber nicht nur persönlich ist er letztlich gescheitert: Er blieb der einzige Wittelsbacher in der Reihe der deutschen Kaiser.

Die Ausstellung erzählt das facettenreiche Leben Ludwigs – seinen Aufstieg, sein Ende und sein Nachwirken – in einer opulent ausgestatteten Abfolge von fünf Ebenen, die aufwendig in die Minoritenkirche eingepasst wurden. Ludwigs Leben stellt sich hier als ein immerwährender Kampf gegen zahlreiche Gegner, missgünstige Konkurrenten und innerfamiliäre Rivalen dar.

Trotz der Krönung zum Kaiser blieb seine Herrschaft bedroht

Ludwig, um 1281/1282 in München geboren, hatte denkbar ungünstige Startbedingungen für den Karriereweg zum Kaiser: Als zweitgeborener Herzogssohn verfügte er über eine nur schmale eigene Machtbasis, die er jedoch nach und nach zu vergrößern verstand. Durch den militärischen Erfolg bei der Schlacht von Gammelsdorf 1313 erwarb er sich den Ruf, ein gottbegnadeter Kriegsheld zu sein: Damit hatte er sich für die deutsche Königskrone qualifiziert, die er im darauffolgenden Jahr erhielt (also vor genau 700 Jahren), jedoch nur gemeinsam mit seinem habsburgischen Rivalen Friedrich. Das Reich hatte nun zwei Könige, bis Ludwig 1322 seinen Mitkönig in der Schlacht von Mühldorf entscheidend schlug.

Es folgte die klassische Auseinandersetzung deutscher Könige des Mittelalters mit dem Papst, die auch Ludwig – mit insgesamt gleich drei Päpsten – auszufechten hatte. Trotz der 1328 erfolgten Krönung zum Kaiser in Rom und der geschickten Zusammenfügung eines Wittelsbacher Machtblocks in Europa, der von Holland und Pommern bis nach Tirol reichte, blieb Ludwigs Herrschaft bedroht. 1347 marschierte das riesige Heer eines neuen Gegenkönigs, Karls von Böhmen, gegen Regensburg, die Schlacht gegen ihn musste Ludwig jedoch nicht mehr austragen: Bei der Bärenjagd in der Nähe von Fürstenfeldbruck erlitt er einen tödlichen Schlaganfall.

Die schillernde Person Ludwigs und die Zeit des Umbruchs, in der er lebte, erschließen sich dem Besucher auf einem ansteigenden Ausstellungsparcours, in dem es Sackgassen, optische Blockaden, Um- und Nebenwege gibt. Der Erzählstrang ist so verschlungen, wie der Werdegang Ludwigs sich biografisch als Zickzacklinie darstellt.

Großzügiger Feldherr: „Jedem Mann ein Ei“

Bei aller Inszenierung von Ludwigs Lebensweg stehen im Mittelpunkt der Ausstellung die kostbaren und vielgestaltigen Objekte, die seine Person und ihre Zeit lebendig werden lassen. Von den Erfolgen als Feldherr erzählen archäologische Funde vom Ort der Schlacht von Mühldorf, die als letzte ohne Feuerwaffen geführte Ritterschlacht in die Militärgeschichte eingegangen ist. Neben Schwertern, Lanzenspitzen und Steigbügeln ist auch ein 500 Jahre altes Hühnerei aus dem Museum der Stadt Kempten zu sehen. Es illustriert Ludwigs sprichwörtlich gewordene Aussage: „Jedem Mann ein Ei, dem braven Schweppermann zwei“, mit der er einen tapferen Offizier auszeichnete.

Dass Ludwig ein zukunftsorientierter Herrscher an der Schwelle der Neuzeit war und Entwicklungen erkannt und für sich genutzt hat, zeigt sich insbesondere in der Förderung der Städte. In seiner zähen und kräftezehrenden Auseinandersetzung mit dem Papst waren sie der entscheidende Stützpfeiler und politischer, ideeller und ökonomischer Rückhalt Ludwigs.

Ein um 1350 entstandener filigraner Türzieher aus dem Lübecker Rathaus bezeugt die Verbundenheit der Stadt mit dem Wittelsbacher: Umringt von den Kurfürsten, thront der König inmitten der Darstellung, welche die Unabhängigkeit der Stadt und ihre Loyalität gegenüber dem Reich und dem König bezeugt. Ganz im Sinne der von den Städten ausgehenden Expansion des Handels bemühte sich Ludwig um die Erneuerung und Vereinheitlichung des Münzwesens. Er machte sich um den Rechtsfrieden - vor allem in seinen bayerischen Stammlanden – verdient, das 1346 niedergeschriebene „Oberbayerische Landrecht“ sollte bis ins 16. Jahrhundert Gültigkeit behalten.

Das von Ludwig regierte Reich besaß keine Hauptstadt; der Kaiser legte im Laufe seines Lebens rund 80 000 Kilometer im Sattel zurück: Seine wichtigsten Herrschaftsinstrumente waren seine physische Präsenz und die Urkunden, mit denen er Rechte und Privilegien erteilte. Diese waren vorwiegend in deutscher, nicht mehr in lateinischer Sprache verfasst, ihr Inhalt entwickelte die Reichsverfassung entscheidend weiter:

Bedeutsame Buchmalereien zieren Ludwigs Urkunden

Das Heilige Römische Reich war auf dem Weg, sich mehr und mehr von päpstlichem Einfluss zu befreien und zu einem föderal verfassten, von weltlichen Herrschern geprägten Staatsgebilde zu werden. Zahlreiche in der Ausstellung gezeigte Urkunden aus der Reichskanzlei Ludwigs sind nicht nur beredte Dokumente seiner Politik, sondern darüber hinaus exquisite Kunstwerke, die mit künstlerisch bedeutsamen Buchmalereien ausgestattet sind.

Trotz der erbitterten Kämpfe, die Ludwig nacheinander mit drei Päpsten auszufechten hatte, waren für ihn der christliche Glaube und seine Frömmigkeit von großer Bedeutung. In Regensburg ist ein Umhängekreuz aus seinem Besitz ausgestellt, ein goldener Anhänger mit einem eingearbeiteten Splitter vom Kreuz, den er stets um den Hals getragen hat. Auch kirchenpolitisch erwies sich Ludwig als ein pragmatischer Anhänger des Fortschritts, indem er sich – gerade in seiner Auseinandersetzung mit den Päpsten – im „Armutsstreit“ der Kirche auf die Seite der reformerischen Bettelorden stellte und den Franziskanern in München Zuflucht vor dem Papst gewährte. Einer der herausragenden franziskanischen Berater Ludwigs war der Oxforder Professor Wilhelm von Ockham, der in Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ unter dem Namen William von Baskerville eine tragende Rolle spielt.

Selbst das Klima war im Wandel

Die Ausstellung beschreibt die Epoche Kaiser Ludwigs als ein Zeitalter des Umbruchs, in dem sich auch das Klima wandelte – die kleine europäische Eiszeit begann – , in der das städtische Großbürgertum zu fantastischem Reichtum und politischem Einfluss gelangte und in den Künsten Unerhörtes passierte: Dante vollendete 1320 seine „Göttliche Komödie“, 1313 wurde in Florenz Boccaccio geboren, in Italien wurde die Tafelmalerei erfunden, kurze Zeit später entstanden auch nördlich der Alpen die ersten Tafelbilder. In Regensburg sind mehrere dieser raren frühen Gemälde mitteleuropäischer Künstler zu sehen. Zwei Täfelchen eines süddeutschen Malers, um 1340 entstanden und aus den Staatlichen Museen zu Berlin in die Ausstellung gekommen, bezeugen den Übergangsstil der Zeit zwischen der Tradition gotischer Kunst und den Innovationen der italienischen Frührenaissance.

So wird uns das Jahrhundert des bayerischen Kaisers Ludwig in Regensburg in vielerlei Hinsicht als eine zwar vergangene, aber unserer Zeit doch nahe Epoche dargestellt. Die Sorgen und Hoffnungen von damals sind unseren nicht allzu fern.

Die Ausstellung über Ludwig IV. ist bis zum 2. November in Regensburg zu sehen und täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. www.hdbg.de