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Internes Dokument aus Duisburg belegt die Schwachstellen des Sicherheitskonzepts.

Duisburg - Nach der Tragödie auf der Duisburger Loveparade mit 19 Toten geraten die Veranstalter unter dem Vorwurf massiver Sicherheitslücken zunehmend in Bedrängnis.

Ein internes Verwaltungsdokument aus Duisburg belegt die Schwachstellen des Sicherheitskonzepts bei der Großveranstaltung mit insgesamt bis zu 1,4 Millionen Besuchern. So habe der Veranstalter nicht die sonst vorgeschriebene Breite der Fluchtwege einhalten müssen. Zugleich sei das Gelände ausdrücklich nur für 250.000 Menschen zugelassen gewesen. Bei der Massenpanik am Tunnel vor der Freifläche waren am Samstag 19 Raver gestorben.

Auf Kosten der Sicherheit gespart?

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, hält es für wahrscheinlich, dass die Veranstalter und die Stadt Duisburg auf Kosten der Sicherheit bei der Loveparade sparten. "Darauf gibt es Hinweise. Dafür spricht zum Beispiel, dass es keine Videoüberwachung vor Ort gegeben hat, die eine schnelle Reaktion möglich gemacht hätte", sagte Wendt den ARD-"Tagesthemen".

Die Staatsanwaltschaft setzt am Montag ihre Ermittlungen fort. Zeugenaussagen und beschlagnahmte Unterlagen sollen klären, ob das Sicherheitskonzept letztlich ausreichend war. Bereits vor der Technoparty hatte es konkrete Warnungen vor einer Katastrophe gegeben, die manchem angesichts des engen Tunnels und der erwarteten Menschenmassen unausweichlich schien. Mehr als 500 Raver hatten in dem Nadelöhr teils schwerste Verletzungen erlitten. Viele mussten wiederbelebt werden.   

"Kein Unglück, sondern ein Verbrechen"

Deutschlands führender Konzertveranstalter Marek Lieberberg warf den Duisburger Organisatoren Profitgier und Unvermögen vor. "Das ist kein tragisches Unglück, sondern ein Verbrechen", sagte Lieberberg der "Süddeutschen Zeitung" (Montag). Die Veranstalter seien der Technoparty mit hunderttausenden Teilnehmern nicht gewachsen gewesen. "Befruchtet haben sich die Geltungssucht der Lokalpolitik, die Profitsucht der Veranstalter, auf beiden Seiten gut gedüngt durch totalen Amateurismus." Lieberberg organisiert unter anderem das Musikfestival Rock am Ring.

Das von "Spiegel online" zitierte Schriftstück vom 21. Juli 2010 mit dem Aktenzeichen 62-34-WL-2010-0026 trägt den Titel "Genehmigung einer vorübergehenden Nutzungsänderung". Es richtet sich an die Berliner Lopavent GmbH als Veranstalter der Loveparade. Der Sachbearbeiter der Unteren Bauaufsicht im Duisburger Amt für Baurecht und Bauberatung befreit darin die Organisatoren von der Vorschrift, die vorgeschriebenen Breiten der Fluchtwege einhalten zu müssen. Außerdem verzichten die Beamten auf Feuerwehrpläne.

Wer trägt die Schuld?

Die Toten waren zwischen 18 und 38 Jahre alt, 11 Frauen und 8 Männer. Am Tag nach der Katastrophe legten Trauernde am Tunnel zum ehemaligen Güterbahnhof Blumen nieder und zündeten Grabkerzen an. Am Ort der Tragödie fragten sich viele, wer die Schuld trägt.

Im Mittelpunkt der Kritik steht die Duisburger Stadtführung um Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU). Bochums früherer Polizeipräsident Thomas Wenner (62) will Sauerland anzeigen. Der Onlineausgabe der "Bild-Zeitung" sagte Wenner: "Ich zeige den Oberbürgermeister der Stadt Duisburg, die leitenden Beamten der Stadt und die Veranstalter an." Eine solche Veranstaltung sei in Duisburg nie realisierbar gewesen. Wenner hatte 2009 als amtierender Polizeipräsident die für Bochum geplante Loveparade abgesagt.    

Zahl der Teilnehmer weiter unklar

Die Zahl der Teilnehmer konnten die Duisburger Veranstalter auch am Tag danach nicht genau beziffern. Sie reicht von 105.000 Menschen, die mit der Bahn zum Feiern reisten, bis hin zu 1,4 Millionen Ravern, die sich in der Stadt aufgehalten haben sollen. Die abgeschlossene Partyzone sei für rund 300.000 Feiernde ausgelegt gewesen, sagte der Leiter des Krisenstabs, Wolfgang Rabe. Der Platz sei zum Zeitpunkt des Unglücks nicht vollständig gefüllt gewesen.

Der Ablauf der Tragödie zeichnet sich erst in groben Zügen ab: Es gab lange Zeit nur einen Ein- und Ausgang zum Festgelände, und der war nur durch zwei Tunnel unter Bahngleisen zu erreichen. Von den Tunneln ging es um eine Ecke auf eine breite Straßenrampe zum alten Güterbahnhof.

Im Gedränge dieses Nadelöhrs stauten sich die Menschen. Raver, die ungeduldig zur Party strebten, trafen auf Menschen, die schon müde waren und das Fest verlassen wollten. Viele kletterten auf Container oder Zäune, um der drangvollen Enge zu entfliehen, einige stürzten nach Augenzeugenberichten hinunter in die Massen.