Abgehängte Wände, der Granit muss weg: Die 50 Meter lange Eingangshalle des Alten Schloss ist bis Herbst 2020 eine Baustelle. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Fans des Landesmuseums stehen vor einer Durststrecke: Bis Herbst 2020 gibt es keine Sonderausstellung, und auch das Junge Schloss macht am 23. Juni fürs Erste zu. Dafür soll aber in der großen Eingangshalle etwas Großes entstehen.

Stuttgart - Im Alten Schloss geben die Bauarbeiter den Ton an. Wer seit Anfang Mai durch den Haupteingang des Landesmuseums Württemberg geht, steht vor einer Holzwand. In die große Eingangshalle, die sogenannte Dürnitz (das mittelalterliche Wort für eine beheizbare Halle), dürfen bis Herbst 2020 nur Mitarbeiter des Hauses und der mit dem Umbau beauftragten Firmen über die Rückseite in das Schloss hinein. Dort wurde eigens ein Treppenhaus aus Blech aufgebaut, das einen Bauaufzug beinhaltet, um Material hinein- oder herauszutransportieren. „Zum Beispiel müssen 1000 Quadratmeter Granitboden hinaus“, sagt Jan-Christian Warnecke, Baureferent des Landesmuseums Württemberg.

 

Keine Originalsubstanz im Schlossinneren

Darf der so einfach herausgerissen werden? „Im Inneren des Schlosses gibt es überhaupt keine Originalsubstanz mehr“, erklärt Warnecke. Das Gebäude war im Zweiten Weltkrieg zu sehr zerstört worden. Im Wesentlichen sind die Außenwände und die Kellergewölbe übrig geblieben. Der Rest wurde von 1952 bis 1969 neu aufgebaut und von 1998 bis 2002 erstmals saniert. Seit 2007 aber baut das Land das Innere des Alten Schlosses in sieben Abschnitten um. Knapp 20 Millionen Euro für die Bauarbeiten und weitere elf Millionen für die Ausstattung sind nacheinander für den Wechselausstellungssaal, das Kindermuseum, die Schausammlungen Legendäre Meister-Werke, Antike-Kunstkammer-Kelten und Wissenschaftliche Instrumente sowie jetzt für die Dürnitz in die Hand genommen worden. Dabei fließen in die Ausstattung auch Zuwendungen von anderen Institutionen oder Spenden. Als letzter Abschnitt wird vom nächsten Jahr an der Umbau der Restaurierungswerkstätten im vierten und fünften Geschoss geplant. „Für die Werkstätten liegen noch keine Kosten vor“, sagt der leitende Ausstellungskoordinator Warnecke, „da die notwendigen Planungsgrundlagen für eine erste Kostenermittlung noch fehlen“.

Freier Eintritt zur Dauerausstellung

Jan-Christian Warnecke nennt den rund 9 Millionen Euro teuren Umbau ein „Vorzeigeprojekt“, weil alle Abschnitte im laufenden Betrieb stattfinden. Auch dieses Mal bleibt zumindest die Dauerausstellung geöffnet – bei freiem Eintritt –, mit einer Einschränkung bei der Glassammlung, die bis Ende des Jahres zu ist. „Beim Entfernen des Granits könnten Vibrationen entstehen, die das Glas beschädigen könnten“, erklärt Warnecke. Außerdem gibt es drei Zeiträume, während denen das ganze Museum geschlossen bleibt: vom 8. bis 21. August, vom 14. bis 27. Januar 2020 und vom 29. Juni bis 17. Juli 2020: wenn der Boden am Eingang rauskommt, wenn der neue reinkommt und wenn der eigentliche Eingang erstellt wird.

Zunächst wird in der 50 Meter langen und 14 Meter breiten Halle der dunkle Granit herausgestemmt und durch einen hellen Jura-Kalkstein ersetzt. Dabei ersetzen die Handwerker auch das in die Jahre gekommene Heizungssystem, das nach Angaben einer Museumssprecherin der eigentliche Anlass für die Sanierung zum jetzigen Zeitpunkt ist. Heller wird die Dürnitz auch, weil die Gitter vor den neun Fenstern wegkommen, die dem Saal Schatten spenden, um Ausstellungsstücke zu schonen. „Da wir einen offenen Bereich mit Veranstaltungen planen, werden wir hier keine Ausstellungen mehr machen“, sagt Baureferent Warnecke. Er freut sich und sagt: „Historisch ist das hier der Kern von Stuttgart, und das kann man hier künftig auch erleben, indem man in alle Richtungen hinausschauen kann.“

Ein Foyer zum Verweilen – oder Chillen

Das Foyer soll zum Verweilen einladen, selbst Menschen, die zunächst gar nicht ins Museum wollen, sollen kommen. Dafür wird es rechts von den Aufzügen ein offenes Café und einen Museumsshop mit einem großen Lichtobjekt in 6,30 Metern Höhe geben, direkt gegenüber dem Eingang eine neue Infotheke und Kasse. Etwas Besonderes wird ein Veranstaltungsraum mit 500 Sitzplätzen und einer versenkbaren Hubbühne – nach Museumsangaben „einer der größten Veranstaltungssäle in der Stuttgarter Innenstadt“. Links von Eingang und Infotheke wird eine große „Arenatreppe“ eingebaut, von der man ebenfalls auf die Bühne blicken kann, und eine weitere neue Treppe wird nach links oben zur Dauerausstellung führen. Museumsdirektorin Cornelia Ewigleben sagte Anfang des Jahres, man habe sich eher an Hotellobbys als an anderen Museumsfoyers orientiert. „Da wird es hochwertige Möbel und freies Wlan geben“, präzisiert nun Jan-Christian Warnecke.

Auch das Modell, das Stuttgart im 17. Jahrhundert zeigt, muss raus. Stattdessen öffnet sich das Museum auch zum Karlsplatz hin, wo im Freien ein neues, 4 mal 2,50 Meter großes Bronzegussmodell aus derselben Zeit aufgestellt wird.

Das Landesmuseum, das seine Besucherzahl in der Dauerausstellung im vergangenen Jahr durch freien Eintritt auf gut 76 000 verdoppelte und dabei viele Erstbesucher anzog, macht weiter auf sich aufmerksam. Im Oktober 2020 mit der neuen „Kulturlobby im Alten Schloss“.

Schließung und Wiedereröffnung

Die vorerst letzte Landesausstellung „Faszination Schwert“ im Landesmuseum Württemberg hatte am 28. April ihren letzten Tag, die „Räuber Hotzenplotz“-Ausstellung im Kinderbereich schließt am 23. Juni. Danach haben sowohl die Wechselausstellung als auch das Junge Schloss wegen der Sanierung Pause bis zum Herbst nächsten Jahres. Am 24. Oktober 2020 eröffnet das Museum mit der neuen Eingangshalle und der großen Landesausstellung „Fashion?! Was Mode zu Mode macht“. Bis zum 25. April 2021 beschäftigen sich die Ausstellungsmacher mit zeitgemäßer Kleidung. Auch im Kinderbereich wird es parallel um dieses Thema gehen.

Veranstaltungen auf der Sonderausstellungsfläche

In der Dürnitz genannten Eingangshalle des Alten Schlosses wird es künftig eine versenkbare Veranstaltungsbühne geben, Konzerte und andere Aufführungen sollen regelmäßig vor bis zu 500 Zuschauern stattfinden. Sozusagen zum Üben wird die Sonderausstellungsfläche im dritten Obergeschoss von Juli bis Juni 2020 kostenlos Kooperationspartnern überlassen, damit diese sich auf 600 Quadratmetern Fläche entfalten. Unter dem Titel „Hier geht was! Tanz – Theater – Kunst – Performance“ präsentieren sich der Verein Goldstaub mit einem musikalischen Stationentheater, die Freie Tanz- und Theaterszene Stuttgart, das Fitz! – Zentrum für Figurentheater mit dem internationalen Festival Imaginale, die Freien Unabhängigen Künstlerinnen Stuttgart, das Berliner Theater Anu mit Abendveranstaltungen für Familien, sowie die Akademie für gesprochenes Wort.