In den Augen von Ralph Schatz ist die alte Villa nicht zu retten, aber er versucht, einen Liebhaber zu finden, der investieren möchte. Foto: Gottfried Stoppel/privat Foto:  

Bauunternehmer Ralph Schatz gehört die Schorndorfer Villa Kunterbunt. Er will sie abreißen, doch die Stadt bittet ihn, das herrschaftliche Anwesen zu erhalten.

Das Bad mit den roten Fliesen und den farblich passenden Vorhängen ist so schlecht, dass es schon fast wieder gut ist – da sind sich Petra Mayländer und Ralph Schatz einig, als sie an diesem trüben und völlig verregneten Vormittag gemeinsam durch die alte Villa Kunterbunt schlendern und in dem Raum mit dem knalligen 70er-Jahre-Charme innehalten.

 

Der Name des Anwesens in der Schorndorfer Weilerstraße (Rems-Murr-Kreis) scheint ein Überbleibsel einer Ausstellung zu sein, die dort in einer Schorndorfer Kunstnacht stattfand – „Villa Kunterbunt“ hieß damals ein künstlerisches Projekt, zu dem die Malerin Annette Schock Künstlerkollegen in das einst herrschaftliche Haus lud. „Vorher hat die Villa den Namen, soweit ich weiß, nicht gehabt“, sagt Ralph Schatz, und er muss es wissen.

Denn der Schorndorfer Bauunternehmer ist seit 2019 der Besitzer der Villa mit den Erkern, Türmchen, Bleiglasfenstern und dem Wintergarten nebst Pool. Doch auch wenn die Aufzählung beeindruckend klingen mag, das Anwesen – Baujahr 1933/34 – scheint seine besten Jahre hinter sich zu haben. Auf den ersten Blick herrlich anmutende Stilelemente weisen bei genauerem Hinschauen eklatante Fehler auf. Beispiele gefällig?


Die Bleiglasfenster mit den Jagdszenen im Treppenaufgang sind von Kunststoff statt Holz umrahmt, der Balkon wurde mit Glas zu einer Art Wintergarten überbaut. Die Zimmer sind klein und oft Durchgangszimmer und über das, was vom einstigen Schwimmbecken übrig ist, wölbt sich ein Gewächshausdach. „Drinnen herrscht ein wilder Mix. Da wurden Decken und Treppen nachträglich eingezogen, manche Räume sind hoch und mit altem Parkett, andere gerade mal 2,10 Meter mit Teppich. Alles ist völlig verbaut. Da wurde ohne Feingefühl kaputt renoviert“, sagt Ralph Schatz und bleibt am Poolrand stehen.

Lost Place: Über den Pool wölbt sich ein Gewächshaus-Dach

Auf dem Boden des leeren blauen Beckens haben sich Matsch und Dreck angesammelt. Als der Rems-Murr-Kreis im Juni vergangenen Jahres von der schrecklichen Flut heimgesucht wurde, lief der Pool voll. Geschwommen ist dagegen wohl schon lange niemand mehr darin. „Das ist bestimmt 15 Jahre her, dass hier jemand Bahnen gezogen hat“, sagt Ralph Schatz. Um den Pool herum stehen Kunstobjekte und Möbel. In der Villa hat sich neben der Künstlerin Annette Schock – sie hat eine Etage als Atelier genutzt – auch der Künstler Carell Filusch ausgebreitet. Er hatte zuletzt in der Villa gewohnt. Carell Filusch verbindet dabei eine lange Geschichte mit der Villa, denn solange der letzte Bewohner der einstigen Ziegelwerk-Familie Groß – Schwiegersohn Hariolf Giebel – noch in der Villa lebte, kümmerte er sich um das Anwesen und hielt den Garten in Schuss.

Schwimmbad und Gewächshaus in einem – in der Villa Kunterbunt herrscht ein bunter Stilmix. Foto: Gottfried Stoppel

Für den 54-jährigen studierten Architekten, dem die Wohnungsbaugesellschaft RSS gehört und der mit seinem Bruder im elterlichen Architektur- und Planungsbüro, der Schatz-Gruppe, mitwirkt, ist klar, die Villa ist nicht zu retten. „Auf den ersten Blick mag das alles wunderbar aussehen, aber energetisch gesehen ist es eine Katastrophe“, sagt Schatz. Das Wohnen in dem Gebäude sei „kompletter Wahnsinn mit uferlosen Heizkosten“.

Weil die Villa nicht unter Denkmalschutz steht und ihr Umbau ins Unermessliche gehen könnte, plante Schatz eigentlich von Anfang an, sie abzureißen und an dieser Stelle neu zu bauen. „Aber die Stadt bittet mich, das Gebäude zu erhalten“, erklärt er. Schorndorfs OB Hornikel sagt dazu: „Dass die Villa erhalten bleibt, war schon vor dem Verkauf des städtischen Grundstücks abgesprochen.“

Jagdszenen auf Buntglas – doch die modernen Kunststoffrahmen stören das Bild. Foto: Gottfried Stoppel

Und Ralph Schatz will es gerne versuchen und schreibt die Villa nun aus. Gesucht wird für die rund 1000 Quadratmeter jetzt also ein Liebhaber mit dickem Geldbeutel. „Ich möchte natürlich kein Minus machen, aber wir finden da schon einen fairen Preis“, sagt Schatz. Es käme natürlich auf die individuellen Vorstellungen an, was man machen wolle, aber es sei ein schwieriges Unterfangen, bei dem man nachher „auf jeden Fall über Neubaupreis liege“, sagt der Bauunternehmer, der auch über die Geschichte der Villa Bescheid weiß.

Lost Place mit langer Geschichte in Schorndorf

Friedrich Groß – 1880 entstand die Dampfziegelei Groß – wohnte bis zu seinem Tod 1981 in dem Anwesen, seine Tochter Liselotte Giebel lebte mit Ehemann Hariolf ab 1961 in der Villa aus den 1930er Jahren. „Ich war auch manchmal zu Besuch dort und wohne bis heute schräg gegenüber, ebenfalls in einer Ziegel-Villa“, sagt Werner Groß, ein Neffe der Familie. Da er ebenfalls in alten Gemäuern lebe und ihm auch schon davor graue, wie es energetisch mal weitergehe, könne er das aktuelle Dilemma nachvollziehen. „So schön und emotional das mit Altbau ist, über kurz oder lang holt einen die Realität ein und man kann sich das als Normalsterblicher schlicht nicht leisten“, sagt der 57-Jährige.

Mit Außendämmung und Heizkosten wird es schwierig in dem Anwesen

So sieht es auch Ralph Schatz und zeigt auf den Sandstein an der Außenmauer. „Da kann man keine Außendämmung machen“, sagt er und sucht nach dem Lichtschalter; er ist nicht oft hier, die Rolläden sind runter gelassen. Der Schein der Lampe lässt den Blick auf ein weiteres spezielles Arrangement fallen – in der ehemaligen Kühlkammer stapeln sich Stühle. „Die Besitzer der Ziegelwerke waren Jäger und haben hier Fleisch gelagert“, erklärt Ralph Schatz, der selbst auch in Schorndorf wohnt – in einem modernen Haus. „Ich mag Altbau. Wir haben schon tolle alte Häuser stilecht saniert, aber es muss sich lohnen und es ist natürlich eine Frage des Geldes und des Anspruchs. Vielleicht findet sich ja jemand, der es probieren will. Ich bin offen für Angebote.“