Der verlassene Bahnhof Haltepunkt Wildpark Foto: cf/leo

Die Station Wildpark gehört zu den verlassenen und vergessenen Orten der Stadt, die eine geheimnisvolle Ausstrahlung besitzen. Die Haltestelle mit dem kleinen Bahnhof zwischen Südheim und Schattenring ist seit 60 Jahren still gelegt.

Stuttgart - Auf Kilometer 11,1 der Bahnstrecke Stuttgart–Horb ist die Zeit stehen geblieben, ein Zug dagegen schon lange nicht mehr. Seit dem 28. Mai 1961 ist der „Haltepunkt Wildpark“ kein Halte-, sondern nur noch ein Durchfahrtspunkt und damit in der Betrachtung des Zugreisenden lediglich eine unwichtige Randerscheinung. Dem Spaziergänger dagegen präsentiert sich am Ende der Leonberger Straße ein ganz besonder Ort. Obwohl dieser kleine Bahnhof schon über 60 Jahre außer Betrieb ist, schickt er einen weiterhin auf die Reise – auf eine in die Vergangenheit.

 

Sonntagsausflügler? Besucher? Wer stieg einst hier aus?

Wer ist einst im Heslacher Wald zwischen Südheimer Platz und Schattenring wohl ausgestiegen? Sicher viele Sonntagsausflügler auf dem Weg zum Bärenschlössle und zur Solitude. Die unmittelbare Nachbarschaft zum Rudolf-Sophien-Stift lässt vermuten, dass auch Patienten und deren Besuch regelmäßige Nutzer des kleinen Bahnhofs gewesen sind. Finanziert wurde die Klinik aus dem Erbe des Stuttgarter Farbenfabrikanten und BASF-Mitbegründers Rudolf Knosp und seiner Frau Sophie. 1914 wurde das Stift als Kuranstalt für Arbeiter eröffnet. Im Laufe des Ersten Weltkriegs zum Lazarett umfunktioniert, quartierte sich im Zweiten Weltkrieg eine Stabsstelle der Luftwaffe ein. Seit den 1970er Jahren ist das Rudolf-Sophien-Stift ein Zentrum für psychische Erkrankungen.

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Bereits 1896 wurde der Haltepunkt Wildpark mitsamt Bahnhof eingerichtet, der heute als sogenannter Lost Place verlassen, vergessen und eingezäunt in der Gegend steht. Am Fenster hinter einem Gitter steht noch gut leserlich „Fahrkarten-Abgabe“ geschrieben, auf einer verwitterten Tür „Dienstraum“. Alles fest verschlossen, die Entdeckungsreise endet hier und muss an anderer Stelle fortgesetzt werden.

Swingerclub in der Nachbarschaft

An den ehemaligen Haltepunkt Heslach, nur gut anderthalb Kilometer entfernt von der einstigen Gäubahnstation Wildpark in Richtung Stuttgart-Zentrum, erinnert nur noch ein Hinweisschild. Gegenüber des nicht mehr vorhandenen Bahnsteigs steht dort aber noch ein Bahnwärterhaus, das vom Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil und seiner Familie bewohnt wird. Danach führt die Strecke durch den Hasenbergtunnel über den ebenfalls vom Bahnverkehr abgehängten Westbahnhof im Bogen und mit Halbhöhen-Panoramablick zum Hauptbahnhof. Aber jetzt von hier noch einmal schnell zurück zur früheren Haltestelle Wildpark und diesem aus der Zeit gefallenen kleinen Bahnhof. Wenn der noch in Betrieb wäre, würden bestimmt auch mehr Leute kommen, um sich einmal die malerischen Heslacher Wasserfälle anzuschauen. Wobei die Bezeichnung „Wasserfälle“ zu hohe Erwartungen schüren könnte, handelt es sich doch eher um einen Sturzbach, der an trockenen Sommertagen spärlich plätschert.

Zu den geheimen Orten ringsum die alte Bahnstation gehört zweifellos auch der Swingerclub Wildpark. Davor ging es dort auch schon hoch her, aber natürlich bei Weitem nicht so enthemmt wie im zuletzt verfolgten Geschäftsmodell. Das ehemalige Wildparkstüble war vor der Jahrtausendwende im Stuttgarter Süden neben Exil, Casino und Libero eine angesagte Ausgehadresse.

Der Text erschien erstmals am 27. Februar 2022.