Die Gemäuer, in denen sich die Umkleiden befanden, sind noch weitgehend erhalten. Foto: Sandra Hintermayr

1930 wurden auf der Gutenhalde in Bonlanden massive Bauten errichtet, deren Zweck nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man die Anlage verfallen lassen. Doch manches ist bis heute erhalten.

Die Nachmittagssonne strahlt die Wasserpflanzen an, lange Halme tanzen im schwachen Wind. Über dem flachen Wasser schweben Libellen. Friedvoll liegt der Teich zu Füßen des Entdeckers, es riecht nach warmem Wasser und Wald. Ein Bänkchen verspricht ein erholsames Päuschen – wären da nicht die Stechmücken und Wespen, die den Besucher schnell umkreisen. Also weiter. Der Weg über die kleine steinerne Brücke führt am Wasserbecken vorbei und weiter ins Dickicht. Dort steht, ziemlich gut versteckt hinter Bäumen, ein steinernes Gebäude, das noch erstaunlich gut erhalten ist.

 

Efeu rankt vom Dach hinunter, klammert sich an die Gitterstäbe vor den Fenstern. Hinter den schmalen Türöffnungen verkommen die gefliesten Räume, Graffiti zieren jede Wand. Einen der Räume bedecken schwarz-weiße Bodenfliesen, hier könnte einst ein Bad, eine Dusche gewesen sein. In einem weiteren Raum hängen noch Rohre und Leitungen an der Wand, außerdem ein verrosteter Wasserboiler. Es ist dunkel in den Gemäuern, staubig, Spinnweben hängen in den Ecken und an den Fenstergittern.

Das flache Gebäude gehörte einst zu einer Freizeitanlage mit Schwimmbad, es handelt sich um die Umkleidekabinen des Freibads. Der Teich war vermutlich kein Schwimmbecken, sondern ein zierendes Wasserbecken oder auch schon damals ein Teich. Angelegt wurde das Freibad auf der Gutenhalde auf eine Privatinitiative hin. 1930 baute der Bonländer Plattenleger Friedrich Auch auf dem Gewand „Gute Halde“ ein „Luft- und Freibad“. Weil das Projekt seine finanziellen Möglichkeiten überstieg, verkaufte er es 1931 an Wilhelm Laux.

Das Freibad war nur der Anfang

1941 dann erwarb Willy Bürkle, ein Nahrungsmittelfabrikant aus Stuttgart, das Bad und anliegende Wiesen und hat dort einen Landsitz eingerichtet. „Das Freibad war nur der Anfang“, sagt der Filderstädter Stadtarchivar Nikolaus Back, der einige Daten und Fakten zur Gutenhalde recherchiert hat. „Bürkle ließ einen Park mit Pflanzen, Skulpturen und Teichen anlegen“, sagt er. Eines der Highlights war wohl ein Becken gepflastert mit Mosaiksteinen mit mythologischen Motiven, wie Back sagt.

Bürkle veranlasste umfangreiche Bauprojekte auf der Gutenhalde, unter anderem errichtete er einen handwerklichen Keramikbetrieb. Das Anwesen sei zum Treffpunkt der örtlichen Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Militär geworden, auch der damalige Stuttgarter Oberbürgermeister Arnulf Klett sei wohl regelmäßig Gast gewesen. Ebenso gelang es Willy Bürkle, namhafte Architekten und Bauleute nach Bonlanden zu holen, wie Adolf Haag, der die Stuttgarter Gartenschau 1939 konzeptioniert hatte und 1945 die Gartenanlagen auf der Gutenhalde entwarf.

1949 musste Bürkle Konkurs anmelden, da er seine Kredite bei der Städtischen Spar- und Girokasse Stuttgart nicht mehr bedienen konnte. Das Gelände ging an den Gläubiger: die Stadt Stuttgart. Sie verpachtete den Gutshof an einen Landwirt und führte den Keramikbetrieb bis 1958 weiter.

Anfang der 1950er Jahre baute die Stadt Stuttgart auf der Gutenhalde vier Wohnhäuser und eröffnete 1954 ein Kinderdorf, welches bis in die 1980er Jahre betrieben wurde. 1988 erwarb der Trägerverein der Waldorfschule einen Teil des Geländes, die Stadt Filderstadt den Gutshof, der Verein Sozialtherapeutische Gemeinschaft erwarb das ehemalige Kinderdorf und pachtete später den Gutshof hinzu.


Nach dem Zweiten Weltkrieg ist das Gelände verfallen

„Seine Glanzzeit hatte die Freizeitanlage mit Bad in den 40er Jahren“, sagt Back. In den 30ern und 40ern sei es ein öffentliches Bad gewesen, danach wohl nur noch privat zugänglich. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist es nach und nach verfallen beziehungsweise wurde ausgebeint, wie der Stadtarchivar sagt. „Im Park standen zum Beispiel einige seltene Bäume, sie wurden ausgegraben und auf den Stuttgarter Killesberg verpflanzt.“ Eine große Sandsteinvase mit Motiven der Schöpfungsgeschichte, die einst im Park stand, schmückt heute die Grünanlage gegenüber des Filderstadtmuseums in Bonlanden. Die Gebäude und Schwimmbecken im Park wurden teils abgerissen, teils sind sie verfallen. Vom Mosaikbecken zum Beispiel ist heute leider nichts mehr zu sehen. Auch der Tennisplatz ist nicht mehr erkennbar. Und die Wiesen hat sich der Wald wiedergeholt.

Willy Bürkle

Vita
Willy Bürkle wurde 1906 in Stuttgart geboren. Er machte eine Kaufmannslehre und war Handelsvertreter. Bekannt wurde er als Nahrungsmittelfabrikant, sein erfolgreichstes Produkt war der Speiseöl-Ersatz Saladine. Auch sein Cerebona genanntes Sirup-Ersatzprodukt war gefragt. Er starb 1973.

Konkurs
Nikolaus Back nennt Bürkle eine schillernde Figur. Jedoch war er nicht frei von Skandalen. Weil er seine wirtschaftliche Lage wohl besser dargestellt habe, als sie tatsächlich war, habe er lange noch Kredite von Banken bekommen, die er dann nicht mehr ableisten konnte. 1951 meldete er Konkurs an. Er schuldete der städtischen Spar- und Girokasse Stuttgart mehr als acht Millionen Mark. shi