Vergewaltigt, missbraucht, gedemütigt: Die Schilderungen gehen unter die Haut. Fast 20 Jahre lang hat sich ein Polizist an Frauen vergangen. Geschützt hat ihn auch sein Dienstausweis. Der Fall legt den skandalösen Zustand der Londoner Polizei offen - mal wieder.
Einige Frauen sperrte er nackt in ein winziges Kabuff, auf manche urinierte er - und immer wieder vergewaltigte er seine Opfer. Für diese Taten, die er vor Gericht eingeräumt hat, ist ein Londoner Polizist am Dienstag zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Mindestens 30 Jahre muss er hinter Gittern verbringen, wie Richterin Parmjit Kaur Cheema-Grubb in der britischen Hauptstadt entschied. Reglos nahm der Mann das Urteil auf.
Die Misshandelten sind schwer traumatisiert, doch im Prozess wollten sie sich Gehör verschaffen. „In dieser Nacht spürte ich, dass ich das Böse getroffen habe“, beschrieb eine der Frauen ihre Furcht in einem Statement. Eine andere fühlte sich als „Stück Dreck auf seinem Schuh“. Immer wieder schaltet die BBC während der live übertragenen Strafmaßverkündung den Ton ab - die geschilderten Details seien einfach zu drastisch, erklärte der Sender.
Die Richterin nannte den Polizisten „ein Monster“. Wegen Vergewaltigungen, sexuellen Übergriffen und Freiheitsberaubung in 49 Fällen war er angeklagt, mehr als 80 Einzeltaten gegen 12 Frauen hat er gestanden. Die Ermittler schließen aber nicht aus, dass es noch mehr Opfer gibt. Zwar streckt sich der Tatzeitraum über 17 Jahre - von 2003 bis 2020. Es gibt aber eine Lücke von mehreren Jahren, in denen keine Anzeigen vorliegen.
Die Opfer werden meist als verletzliche Frauen geschildert
Die Opfer werden meist als verletzliche Frauen geschildert, einige jünger, andere deutlich älter. Der heute 48 Jahre alte Mann soll sie manipuliert, eingeschüchtert und unter Druck gesetzt haben. Dabei half ihm auch sein Status als Polizeibeamter mit Dienstausweis und - später - Waffe, wie es mehrere Frauen schilderten, und so sah es auch die Anklage. Er brüstete sich damit, dass er unter anderem mit dem Schutz des britischen Parlaments beauftragt war.
„Er war Polizist, wie konnte man ihm misstrauen?“, ließ eine der Frauen ausrichten. Eine andere berichtete, sie sei nach der Vergewaltigung ins Krankenhaus gegangen. Als sie dort erzählte, wer ihr Peiniger ist, habe eine Pflegerin nur abgewinkt. „Die Justiz schützt ihre eigenen Leute“, habe sie gesagt. Auch die Richterin betonte diesen Punkt: „Sie waren dreist und zuzeiten unbarmherzig und vertrauten, dass keines Ihrer Opfer Scham und Angst überwinden würde, Sie anzuzeigen“, sagte Cheema-Grubb.
Doch damit soll nun endlich Schluss sein. Der Fall ist bereits der zweite innerhalb kurzer Zeit, bei der ein Londoner Polizist seinen Status für schwerste kriminelle Verbrechen genutzt haben soll. Die Dimension erinnert an den Mord an Sarah Everard - ein Beamter mit ähnlichen Zuständigkeiten hatte die 33-Jährige im März 2021 mithilfe seines Dienstausweises auf offener Straße in London verschleppt. Er vergewaltigte und ermordete die junge Frau. Dafür wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt.
Nun hat das Innenministerium den Polizeien im Land aufgetragen, in den eigenen Reihen nach „schwarzen Schafen“ zu suchen. Es gebe „zu viele Beispiele von Frauenfeindlichkeit und Sexismus“, kritisierte der Abgeordnete Nick Smith von der Oppositionspartei Labour.
Allein in der Londoner Metropolitan Police (MET) werden nach Angaben des neuen Polizeichefs Mark Rowley Missbrauchsvorwürfe gegen etwa 800 Beamte und Beschäftigte untersucht. Zahlreiche Met-Mitglieder seien „not fit for office“ sind. Sprich: kriminell und korrupt. Mit zwei bis drei Gerichtsverfahren gegen Mitarbeiter rechnet Rowley - pro Woche.
Das Verhältnis zur Bevölkerung ist erschüttert
London ist beileibe kein Einzelfall. Derzeit steht in Edinburgh ein Polizist vor Gericht, der eine Frau vergewaltigt und eine Treppe hinabgestoßen sowie eine 13-Jährige vergewaltigt haben soll. Er weist die Vorwürfe zurück.
Das Verhältnis zur Bevölkerung ist erschüttert, wie auch Innenministerin Suella Braverman eingestand. Nach dem Urteil twitterte sie, die Taten hätten eine Narbe auf dem Ansehen der Polizei hinterlassen. Elf der zwölf Opfer des 48-Jährigen hatten ausgesagt, kein Vertrauen mehr in die Polizei zu haben. Kommentatoren rufen dazu auf, die Einstellungsprozesse genau zu überprüfen - zumal derzeit die konservative Regierung Tausende Beamte sucht.
Auch andere Dienste sind betroffen. So ergab ein Untersuchungsbericht, dass Frauenfeindlichkeit, Sexismus und Rassismus bei der Londoner Feuerwehr an der Tagesordnung seien. Dem Sender ITV sagte eine Feuerwehrfrau, dass männliche Kollegen privat Fotos von Unfalltoten gemacht und sich über die Unterwäsche weiblicher Todesopfer ausgetauscht haben sollen.