Einer der Höhepunkte auf dem Tempelhofer Feld: Matthew Bellamy überzeugt mit seiner Rockband Muse Foto: dpa

Das legendäre US-Festival Lollapalooza feiert seine Europapremiere in Berlin, mit mehr als 90.000 Besuchern und grandiosen Konzerten - aber einem organisatorischen Desaster.

Die Höhepunkte

Das Lollapalooza beansprucht für sich, weit mehr zu sein als ein Musikfestival. Der Gründer des Mutterfestivals in den USA, Perry Farrell und die Veranstalter wollen Lifestyle-Themen wie Straßenkunst, Mode und Nachhaltigkeit zusammenbringen, die Macher geben sich zudem familienfreundlich. Für Kinder gibt es eine Extra-Bühne mit Musik- und Akrobatikprogramm sowie eine Spielewelt. Das üppige Rahmenprogramm ist zweifelsohne ein Erfolg.

Auf der Bühne überzeugt vor allem Deichkind mit einem knallenden Show-Feuerwerk. Bei ihrem letzten Auftritt in diesem Jahr packt die Hamburger Hip-Hop- und Electropunk-Formation noch einmal alles aus, was irgendwie Remmidemmi verspricht: blinkende Kostüme, prächtige Helme, Konfettikanonen und zu „Roll das Fass rein“ sogar ein riesiges Holzfass, mit dem sie sich durch die Menge tragen lassen. Der britische Singer-Songwriter Sam Smith sorgt vor allem bei den weiblichen Fans für Gänsehaut und Begeisterung. Und die britische Rockband Muse beweist auch in Berlin, dass ihre Live-Auftritte zu den besten in der Welt gehören.

Dass The Libertines auftreten, war lange nicht klar. Zuletzt sagte die Rockband noch zwei Konzerte in Camden und Manchester kurzfristig ab – aus medizinischen Gründen. Wer den aufgedunsenen Frontmann Pete Doherty in Berlin über die Bühne schwanken und Mikrofone umtreten sieht, kann das nachvollziehen.

Die Probleme

Eigentlich ist es normal, im Laufe eines Tages mal aufs Klo zu müssen. Dumm nur, dass die Veranstalter des ersten Lollapalooza-Festivals auf europäischem Boden jenes menschliche Grundbedürfnis völlig unterschätzen. Für die rund 45 000 Besucher am Samstag stehen auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof deutlich zu wenige (und teils übergelaufene) Toiletten zur Verfügung. Die Folge der dilettantischen Planung: Es bilden sich lange, kaum enden wollende Menschenschlangen. Zu Spitzenzeiten beträgt die Wartezeit vor den Toiletten mehr als anderthalb Stunden.

Nicht wenige Männer und Frauen, die keine eiserne Blase haben, können es nicht mehr aushalten, erleichtern sich am Zaun neben oder hinter den WC-Anlagen. Bitter, dass sich auch vor den Essensständen die Menschenmassen reihen. Egal, ob Bratwurst, Kässpätzle oder Pasta – die Essensausgabe dauert zu lange. Und das, obwohl die Veranstalter durch ein bargeldloses Bezahlsystem „keine Schlangen“ versprochen hatten.

Immerhin ein Problem wird über Nacht gelöst. Der Veranstalter lässt Dixi-Klos ankarren, sonntags gestaltet sich die Toilettensituation dadurch wesentlich erträglicher. Dafür gibt es bei der Abreise Schwierigkeiten: wegen des großen Andrangs wird die U-Bahn-Station Paradestraße geschlossen.

Die Veranstalter räumen ein, die Menschenmassen unterschätzt zu haben, und kündigen an, daraus lernen zu wollen. Man habe mit dem Ableger einen Erwachsenen zur Welt gebracht, versucht Promoter Melvin Benn zu erklären. Und das sei eben schwieriger als ein Kind zur Welt zu bringen.

Die Zukunft

„Nach Berlin zu kommen für das erste europäische Lollapalooza, war die richtige Entscheidung“, sagt Gründer Perry Farrell. Das Festival zieht Menschen aus ganz Europa an, einige Fans kommen sogar aus Südamerika und den USA. Insgesamt feiern mehr als 90 000 Besucher eine gigantische Party. Und die wird im nächsten Jahr fortgesetzt.

Veranstalter Melvin Benn verkündet, dass das Lollapalooza im nächsten Jahr (10. und 11. September 2016) wieder nach Berlin kommen wird, wieder auf das Tempelhofer Feld. Nur eines soll anders werden: das Problem mit den Menschenschlangen. „Wir werden alles dafür tun, dass es nächstes Jahr keine Menschenschlangen mehr gibt“, verspricht Benn. Laut ihm soll der Ticketvorverkauf bereits nächste Woche starten.

Dass Teile des Flughafengebäudes mit hoher Wahrscheinlichkeit schon in Kürze zu einer Notunterkunft für Flüchtlinge umfunktioniert werden, steht den Plänen der Macher aus den USA nicht im Wege. „Sollten die Flüchtlinge nächstes Jahr noch da sein, werden wir sie einfach teilhaben lassen an der Lolla-Erfahrung“, sagte Farrell.