Apothekendirektor Holger Hennig: „Im Jahr setzen wir Medikamente im Wert von 90 Millionen Euro und damit zirka das 50-fache einer typischen öffentlichen Apotheke um.“ Foto: Klinikum Stuttgart

Dank unterirdischer Gänge, guter Anbindung der Apotheke und einem zentral organisierten Transportdienst können die Stationen des Klinikums Stuttgart zeitnah mit lebenswichtigen Arzneimitteln versorgt werden.     

Die Kiste saust von Regal zu Regal. Sobald sie das benötigte Medikament erreicht hat, stoppt das Band abrupt und die Verpackung purzelt in der gewünschten Stückzahl in die Box. Fertig gepackt, rollt die Medikamentenkiste aus dem Automaten, wird von den Mitarbeitenden der Krankenhausapotheke gescannt und in den entsprechenden Container für die Station geladen.

Die Krankenhausapotheke des Klinikums Stuttgart gehört zu den größten in Deutschland. Über 3000 verschiedene Arzneimittel hat sie im Portfolio. Bis zu 3000 Bestellzeilen gehen am Tag ein. Die Krankenhausapotheke des größten Maximalversorgers Baden-Württembergs beliefert nicht nur die eigenen Häuser, sondern auch weitere Einrichtungen wie Krankenhäuser, Reha-Kliniken, die Berufsfeuerwehr und Rettungsdienste mit Arzneimitteln.

„Im Jahr setzen wir Medikamente im Wert von 90 Millionen Euro und damit zirka das 50-fache einer typischen öffentlichen Apotheke um“, erklärt Holger Hennig, Direktor der Apotheke. Rund 60 Mitarbeitende, darunter Apothekerinnen und Apotheker, Pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten, Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte und Lagerarbeiterinnen und Lagerarbeiter bilden das Team der Krankenhausapotheke und sorgen täglich dafür, dass die Patientinnen und Patienten des Klinikums immer mit den richtigen Arzneimitteln versorgt werden können.

Selbst hergestellte Medikamente mit hohen Qualitätsstandards

Neben der Lagerung, dem Transport und der Verteilung von Medikamenten, Infusionslösungen und anderen medizinischen Verbrauchsgütern gehört auch die Eigenherstellung von Arzneimitteln in Form von Kapseln, Lösungen oder Salben unter hohen Qualitätsstandards zum Leistungsspektrum. Zytostatika zur Behandlung von Krebspatientinnen und Krebspatienten, Mischlösungen zur parenteralen Ernährung für Frühgeborene und spezielle Cremes für die Hautklinik werden in der Apotheke produziert.

Zudem bieten die Apothekenmitarbeiterinnen und Apothekenmitarbeiter eine pharmazeutische Beratung für Ärzte und Pflegekräfte, um eine optimale Behandlung der Patientinnen und Patienten am Klinikum zu gewährleisten. Denn viele von ihnen leiden an mehreren Erkrankungen gleichzeitig und müssen deshalb regelmäßig viele unterschiedliche Medikamente einnehmen.

Apotheke im Klinikum Stuttgart: Logistische Meisterleistung

Wie in jeder Apotheke ist auch in der Krankenhausapotheke des Klinikums Stuttgart die pharmazeutische Logistik, also die Lagerung, der Transport und die Verteilung von pharmazeutischen Produkten wichtiger Teil des Leistungsspektrums. Um das zu stemmen, braucht es moderne Techniken und ausgeklügelte Systeme. Als Maximalversorger mit über 2000 Betten sind die Dimensionen am Klinikum Stuttgart erheblich größer als in einer „normalen“ Apotheke.

Der Kommissionierautomat mit 40.000 Arzneimittelpackungen ist dabei nur eine von vielen modernen Techniken, die zum Einsatz kommen. Die Arzneimittel sind in meterlangen und hohen Regalen akkurat einsortiert und werden mittels Kameras genau abgemessen. Mit seiner Größe von 120 Quadratmetern beschleunigt er die Verteilung der Medikamente enorm. Zwei- bis dreimal pro Woche werden die Medikamentenschränke auf den Stationen mit Hilfe des Automaten und dem Transportdienst im Klinikum wieder aufgefüllt.

Doch längst nicht alle Arzneimittel befinden sich im Kommissionierautomat. Für die Vielfalt an Präparaten gibt es diverse Lagerräume. Es wird unterschieden zwischen steril und unsteril, flüssig und fest, Präparaten, die oft gebraucht werden und solchen, die seltener gebraucht werden. Einige davon lagern in Kühlräumen oder auch im Gefahrstoffraum, wenn sie leicht entzündlich oder anderweitig gefährlich sind. Deshalb ist dieser Raum ausschließlich mit feuerfestem Interieur ausgestattet und verfügt über ein spezielles Gas-Abzugssystem.

Chemotherapie: Zytostatika wird selbst produziert

Im Reinraumlabor sitzt eine Mitarbeiterin an der Werkbank und mischt eine Lösung, eine andere Mitarbeiterin steht hinter ihr und reicht ihr den Wirkstoff. Beide tragen spezielle Overalls, die den ganzen Körper bis auf die Augen bedecken. Sie bewegen sich vorsichtig, um Körper- und Oberflächenkontakt zu vermeiden. Mit einer Spritze wird Milliliter für Milliliter der Flüssigkeit aus dem Fläschchen gezogen und anschließend über einen kleinen Schlauch in den Beutel mit der Trägerlösung gegeben. So wird das Zytostatikum, ein Arzneistoff, der im Rahmen der Chemotherapie eingesetzt wird, nach ganz genauer Rezeptur und individuell für jede Patientin und jeden Patienten angemischt.

„Die Eigenherstellung von Arzneimitteln ist in vielen öffentlichen Apotheken eher ein Streichholz und nicht wie bei uns eine Säule“, so Hennig. Der Fokus in der Krankenhausapotheke liege auf der Herstellung von Zytostatika. 40.000 Zytostatika werden jährlich produziert. Dabei wird jede Dosis steril, tagesaktuell und individuell für die Patientinnen und Patienten hergestellt.

„Auch hierbei sind die Dimensionen das Praktische“, meint der Leiter der Apotheke, denn dadurch, dass so große Mengen für so viele Patientinnen und Patienten angefertigt würden, entstünden kaum Restmengen und es müsse weniger verworfen werden. „Viele der Ausgangsstoffe sind extrem teuer und der Aufwand ist enorm hoch. Es gibt teilweise Präparate, da kostet ein Beutel Arznei 30.000 Euro.“ Zwar kämen diese Präparate nur sehr selten zum Einsatz, aber eben doch ab und zu.

Nahrung für Frühgeborene in Eigenherstellung

Wenn ein Baby zu früh oder krank auf die Welt kommt, kann es manchmal nicht ausreichend mit Muttermilch ernährt werden. Deshalb werden im Sterillabor der Apotheke auch Mischlösungen zur künstlichen Ernährung, die sogenannte TPN (total parenteral nutrition, deutsch: Parenterale Ernährung) für die kleinsten Patientinnen und Patienten produziert. Frühgeborene und kranke Neugeborene auf der Neonatologie, der Kinderintensivstation und der pädiatrischen Onkologie werden damit versorgt.

Mit dem Olgahospital als größter Kinderklinik Deutschlands am Klinikum Stuttgart macht die Herstellung der Frühgeborenennahrung einen wichtigen Teil der Produktion in der Apotheke aus.

Natürlich erfordern diese besonderen Formen von Arzneimitteln auch ganz besondere Bedingungen. In der 3000 Quadratmeter großen Apotheke gibt es etliche verschiedene Räumlichkeiten, die spezielle Anforderungen erfüllen. Das Fachpersonal ist speziell ausgebildet und geschult und hält sich an strikte Auflagen wie das Tragen eines speziellen Hygiene-Overalls. Zudem müssen sich alle vor Betreten des Reinraums zwei Mal umziehen. Wo sterile und unsterile Bereiche aneinandergrenzen, gibt es Schleusen, an denen die Mitarbeitenden entweder über Fenster oder über Sprechanlagen kommunizieren können.

Hautklinik: Statt 100 Gramm 20 Kilogramm Creme in Bio-Qualität

Im unsterilen Bereich werden spezielle Cremes für die Hautklinik des Klinikums Stuttgart produziert. Zum Vergleich erklärt Holger Hennig: „Während in einer normalen Apotheke 100 Gramm einer Creme produziert werden, sind es bei uns 20 Kilogramm.“ Für die besonderen Bedürfnisse der Patienten und Patientinnen der Hautklinik dürfen die Salben keine allergen wirksamen Substanzen enthalten. Deshalb muss neben Duft- und Farbstoffen auch auf Konservierungsstoffe verzichtet werden.

Doch ein kleines bisschen ist die Krankenhausapotheke auch eine „normale“ Apotheke. Direkt hinter dem Eingang befindet sich ein Schalter, an dem Mitarbeitende des Klinikums handelsübliche Medikamente, zum Beispiel gegen Kopfschmerzen oder Übelkeit kaufen können. Apothekendirektor Hennig: „Das ist ein Service, den wir unseren Kolleginnen und Kollegen dienstags und donnerstags anbieten können und der gerne angenommen wird.“

Info: Näheres ist auf der Webseite der Krankenhausapotheke des Klinikum Stuttgart  nachzulesen.