Am 27. August 2015 wurden 71 tote Flüchtlinge in einem Lkw nahe Parndorf in Österreich gefunden. Foto: dpa

Alle der 71 erstickten Flüchtlinge in einem Menschenschmuggler-Laster in Österreich sind identifiziert. Dies teilte die Polizei im Burgenland mit. Die Toten waren im August in einem Laster gefunden worden.

Wien - Mehr als zwei Monate ist es her, seit die Beamten im Burgenland im Osten Österreichs eine grausame Entdeckung machten. In einem Kühl-Lastwagen, abgestellt an der Autobahn nahe Parndorf, lagen 71 tote Männer, Frauen und Kinder. Schlepper hatten die Menschen aus Afghanistan, Syrien, Irak und Iran in den luftdichten Laderaum gepfercht, wo sie in der Augusthitze erstickten.

„Wir sind alle erschüttert von der entsetzlichen Nachricht“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) damals. Zuvor waren die Methoden skrupelloser Schleuser vor allem aus dem Mittelmeer bekannt, es kamen Bilder von überfüllten Booten und ertrunkenen Flüchtlingen. Mit dem Tod der 71 Menschen am 27. August an der ungarischen Grenze erreichte die Flüchtlingstragödie endgültig Mitteleuropa.

Wochenlange intensive Ermittlungen

Für die Kollegen, die den Lastwagen geöffnet haben, sei es trotz langer Diensterfahrung ein Schock gewesen, sagte Pangl. Ganze Familien starben in dem Laderaum. So war unter den Toten nach Angaben von Christian Rosenich auch eine Familie mit drei Kindern.

Rosenich ist Mitglied des „Disaster Victim Identification“-Teams, das sich um die Identifizierung der Opfer kümmert. Hinter ihm liegen wochenlange intensive Ermittlungen. „Ich glaube, ich kenne jeden Namen auswendig.“ Dokumente, Handys, Kleidung oder Rucksäcke lieferten Hinweise auf die Identität.

„Angehörige haben weite Wege auf sich genommen, um Fingerabdrücke zu organisieren, viele sind persönlich gekommen“, sagte Pangl. Andere schickten Kopien von Fingerabdrücken oder Zahnbürsten mit DNA-Spuren. Sogar Blutstropfen auf Papier kamen laut Rosenich in einem Kuvert aus Afghanistan an.

Mittlerweile seien 56 Sterbeurkunden abgeholt worden, sagte Paul Haider, Leiter des Gemeindeamts Nickelsdorf. „Der Älteste war Jahrgang 1959, das jüngste Kind war nicht ganz ein Jahr.“ Doch um ihre Lieben nach Hause zu holen, müssen die Familien tief in die Tasche greifen.

Fünf mutmaßliche Schlepper in Untersuchungshaft

Zwischen 3000 und 5000 Euro koste die Überführung eines Toten, sagte Gerhard Zapfl, Bürgermeister von Nickelsdorf. Die Kosten müssen die die Angehörigen tragen. Allerdings gibt es nach Informationen der Polizei finanzielle Hilfe von Botschaften und Vereinen. Einige der Opfer wurden in Wien bestattet, mit Unterstützung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich.

Zur Ruhe kommen viele Familien dennoch nicht. Angehörige hätten immer wieder die gleichen Fragen gestellt, erzählte Rosenich: Wie kann das passieren? Was ist mit den Tätern? Diese Fragen zu beantworten, liegt nun in der Verantwortung der ungarischen Justiz. Fünf mutmaßliche Mitglieder eines Schlepperrings befinden sich in Ungarn in Untersuchungshaft.

Für das Verfahren wird die Anklagebehörde in Kecskemet, knapp 90 Kilometer südöstlich von Budapest, zuständig sein. Anfang November stimmte die oberste Staatsanwaltschaft in Ungarn einem Antrag der österreichischen Behörden auf Übernahme des Verfahrens zu. Denn nach dem Obduktionsbericht starben die Flüchtlinge bereits auf ungarischem Gebiet.