Tanzprotest im LKA-Longhorn Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Die Giordano Bruno Stiftung lädt ausgerechnet am Karfreitag zu einer Tanzveranstaltung ins LKA-Longhorn in Stuttgart-Wangen ein. Wie ist das möglich?

Erstaunt blickt Markus auf den Zettel, der ihm soeben an der Kasse des LKA-Longhorn in Stuttgart-Wangen ausgehändigt wurde. Kein Verzehrgutschein, kein Werbeflyer, vielmehr ein Hinweis darauf, dass hier von 21 Uhr bis 24 Uhr getanzt werden wird und der Gast dies anerkennt. „Deswegen sind wir doch hier“, stellt der 23-Jährige irritiert fest. Unter den zahlreichen Besuchern der Heidenspaß-Party der Giordano Bruno Stiftung dürfte sich wohl niemand finden, der mehr christliche Pietät einfordern würde. LKA-Geschäftsführer Thomas Filimonova geht lieber auf Nummer sicher. Er will keinen Anlass für amtliche Einwände bieten. Es sei schwierig genug gewesen, eine Genehmigung für die Veranstaltung zu erhalten. Als reines Tanzvergnügen wäre sie dem restriktiven Feiertagsgesetz von Baden-Württemberg zum Opfer gefallen. Die Konzeption als weltanschauliches Bekenntnis ebnete den Weg zur Zulassung.

„Ich würde mich nicht als Heide bezeichnen“, sagt Martin (41). Aus kirchlicher Sicht sei er das aber womöglich. Er glaube nicht an Gott und lege auch keinen Wert auf Feiertagsruhe. Er verstehe nicht, warum er sich geistlichen Vorgaben beugen soll. „Wen stört es denn, wenn hier im Gewerbegebiet getanzt wird?“, fragt er. Mehr Freiheit bei der Entscheidung für oder gegen innere Einkehr – dieses Ziel ist ein gemeinsamer Nenner im LKA. Generationenübergreifend. Ergraute Altrocker haben sich ebenso eingefunden wie Studierende. Ein Herr im weißen Hemd wippt zu „I Love Rock’n’Roll“ von Joan Jett mit. Zwei Mädels, die schwer nach gemäßigter Grufti-Szene aussehen, singen bei „Baby Jane“ von Rod Steward mit. Unauffällig wirkende Zeitgenossen packen zu „Rock You Like A Hurricane“ von den Scorpions die Luftgitarre aus. Jeder kennt sie, die Hits aus den 80ern. Serviert werden sie von DJ DEpunkt, der sichtlich Freude an seiner Arbeit hat. Es sei etwas Besonderes ist, am Karfreitag aufzulegen. Er wisse ja, dass das eine Ausnahme sei. Und die Leute im LKA seien wie immer sehr tanzwütig.

Götter, Elfen, Kobolde, Dämonen

Warum Ausnahmen wie die Heidenspaß-Party nicht längst die Regel sind, ist für viele hier schwer nachvollziehbar. Schon 2016 erklärte das Bundesverfassungsgericht, die bisherige Praxis des Feiertagsschutzes sei „mit Weltanschauungs- und Versammlungsfreiheit unvereinbar“. Sabine (36) stört, dass der Staat das Tanzen im Dienste der Kirche verbiete. Zumal deren Anhänger inzwischen in der Minderheit seien. „Ist das nicht undemokratisch?“, fragt sie, ehe sie wieder auf die Tanzfläche eilt. Im Hintergrund sind Projektionen zu sehen. Kritik am Feiertagsgesetz, Aufmüpfiges und Nachdenkliches. Versonnen blickt Hannah Arendt auf die weltanschaulich Bewegten Clubgänger. Unter dem Portrait prangt das Zitat „Der Sinn von Politik ist Freiheit“.

„Ich bestätige, dass ich weder an Götter, noch Elfen, Kobolde oder Dämonen glaube“, steht auf der Gästeliste am Stand der Giordano Bruno Stiftung, die auch das Vorprogramm zum Tanztreffen bestritten hat – mit einem österlichen Quiz, Reden und einem Musikclip namens „Darwin und die nackten Affen“. Grundlage für die Feiertagsgesetze sei das Anliegen, eine „seelische Erhebung“ zu ermöglichen, gibt Ingmar Schwarz, Pressesprecher des Vereins, zu bedenken. Das sei nicht gleichbedeutend mit Trauer und Stille. „Die Kirche hat doch auch ihre Songs und schenkt dazu Rotwein aus“, witzelt Anne (40) und hebt ihr Glas. „Ich trinke lieber weißen“.

2024 noch mehr Tanzveranstaltungen angedacht

Dass die Heidenspaß-Party stattfindet, ist ein Erfolg. Thomas Filimonova denkt bereits weiter. Er stehe mit weiteren Veranstaltern in Kontakt, verrät er. Angedacht sei, 2024 mehrere Veranstaltungen parallel anzubieten. „Ich glaube nicht, dass wir viele Menschen stören würden“, ist sich Werner Koch von der Regionalgruppe der Giordano Bruno Stiftung sicher. „Nur noch 40 Prozent der Stuttgarter sind laut Statistik Mitglied einer christlichen Kirche. Bis zu acht Prozent von ihnen gehen mindestens einmal im Monat in einen Gottesdienst. Ich frage mich, wie viele wirklich an Tod und Auferstehung Jesu glauben.“