Exit-Games betreibt in Stuttgart fünf Rätselräume . Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Der Chef des Start-up-Unternehmens Exit-Games glaubt fest an einen Siegeszug der Live-Escape-Spiele. Deshalb setzt Oliver Bierhahn auf Expansion statt auf rasche Rendite und will etwa weitere Spielflächen im Gerber oder im Milaneo eröffnen.

S-West - Live-Escape-Game-Räume sind das große neue Ding in der Unterhaltungsbranche, davon ist Oliver Bierhahn überzeugt. Darum hat er alles auf eine Karte gesetzt, obwohl seine berufliche Karriere schon so gut wie in trockenen Tüchern war. Mit 29 Jahren hatte er es in die mittlere Managementebene eines Weltkonzerns geschafft und fuhr als Dienstwagen einen Porsche. Doch eine Papierserviette in seiner Jackentasche erinnerte ihn daran, dass sein Leben noch ein paar Abenteuer verträgt.

Im vergangenen Sommer hängte Bierhahn seinen Job an den Nagel, um sich fortan beruflich voll und ganz einer Sache zu widmen, die bislang eigentlich eher einer Art elaboriertem Hobby glich: Exitgames. Was als Verein begann, für den sich Bierhahn und ein paar Freunde privat engagierten, mündete mittlerweile in einer Firma mit fünf Spielräumen in Stuttgart sowie Franchise-Unternehmen und Filialen unter anderem in Karlsruhe, Heilbronn, Freiburg, Baden-Baden und Leonberg. Aus diesen Live-Escape-Räumen müssen Spieler innerhalb einer festgelegten Zeit mit detektivischem Spürsinn einen Fluchtweg finden. Jeder Raum birgt eine andere Rätselgeschichte und ist in einem besonderen Stil dekoriert.

Computerspiele sind Vorbild

Die Zeit scheint reif für diese lebensnahen Spiele, deren Machart bei Computerspielen abgeschaut ist. Oliver Bierhahn wittert ein großes Geschäft: Jetzt müsse man in die Breite gehen und den Markt besiedeln. Es gehe ihm zunächst um Expansion, nicht um Rendite. „Aber wenn die Investitionskosten mal eingespielt sind, dann ist das ein interessanter Businesscase“, argumentiert der studierte Medieninformatiker mit Wurzeln in Bayern.

Die Live-Games etablierten sich gerade erst als Unterhaltungsmedium. „Das ist ein extrem dynamischer Markt.“ In Asien, von wo sie in den vergangenen fünf Jahren herüberschwappten, gehöre eine Spielraum inzwischen zur Grundausstattung jeder besseren Shoppingmall. Er selbst sei gerade mit den Einkaufszentren Gerber und Milaneo im Gespräch, verrät der Geschäftsführer von Exit-Games. „Sollte das dort nicht klappen, haben wir schon einen guten Plan B in der Tasche.“ Seine Firma hat in Stuttgart zwei Katastrophenszenarien, zwei mythisch angehauchte Rätsel und eine Zeitreise in die 60er Jahre im Programm.

Bierhahn glaubt, dass die Spiele insbesondere fürs Lizenzgeschäft attraktiv werden, wenn sich Verlage, Freizeitparks und die Filmindustrie für die neue Unterhaltungsform interessierten. „Das ist ein Merchandising-Tool wie andere Medien auch.“ Das Gebot der Stunde laute: „Man muss sich jetzt breit aufstellen, damit man später attraktiv ist für zahlungskräftige Partner.“

Budapest ist das Mekka der Gambler

Wer den jungen Exit-Game-Chef so reden hört, erahnt seine persönliche spieltriebliche Begeisterung für die Rätselräume kaum. Welch berauschend erhebendes Gefühl es für ihn war, als er sich zum ersten Mal selbst aus einem Escape-Room befreite, notierte Bierhahn im Dezember 2013 auf dem Budapester Flughafen auf einer Papierserviette.

Drei Tage lang hatten Bierhahn und seine Frau die Museen durchstreift und sich in Thermalbädern geaalt, als sie auf der Suche nach einem Alternativprogramm vor dem ersten Live-Escape-Spiel ihres lebens standen. Auf das erste folgten das zweite und das dritte. „Wir haben an diesem letzten Tag in Budapest noch so viele Spiele gespielt wie möglich.“ Das Paar war begeistert, und da Fotoaufnahmen in den Räumen nicht erlaubt sind, notierte sich Oliver Bierhahn seine Eindrücke und Beobachtungen auf einer Papierserviette, während er auf den Flieger nach Stuttgart wartete. „Alle Räume waren an Themen angelehnt, die man aus Filmen und Büchern kennt. Man fand sich zum Beispiel in Hollywood wieder oder im Mittelalter.“ Bierhahns Augen leuchten. Die Serviette hat Bierhahn aufgehoben – sie ist das geistige Gründungsdokument von Exitgames.

Budapest, erzählt er, sei das Mekka der Live-Games. In keiner anderen europäischen Metropole sei das Angebot auch nur annähernd so groß. Das liege einerseits an der großen Studentenszene, zum anderen an der Architektur: „Es gibt in Budapest viele ruinenhafte Gebäude und Häuser, die zwar denkmalgeschützt sind, aber nur schlecht nutzbar sind. Dort sind die Escape-Rooms eingezogen.“ In Stuttgart sei es wesentlich komplizierter, einen neuen Escape-Room zu eröffnen: Es gibt im Kessel wenig Raum aber viele Verordnungen. Damit trotzdem überall gespielt werden kann, bietet Bierhahns Firma seit neuestem ein mobiles Live-Escape-Game an. „Mission Lost Transport“ kann man sich einfach ins Hotel, nach Hause, in die Firma oder auf die Grillwiese kommen lassen.