Derzeit wird Lithium vor allem aus südamerikanischen Salzseen gewonnen, wie hier in Bolivien. Foto: AFP/AIZAR RALDES

Schon lange fördern spezielle Anlagen Thermalwasser zur Wärme– und Stromgewinnung an die Oberfläche. Doch im Oberrheingraben enthält dieses Thermalwasser auch Lithium – weshalb manches Unternehmen das Geschäft mit Batterien für die E-Mobilität reizt.

Karlsruhe - Zwischen Basel und Mannheim herrscht derzeit eine Art Goldgräberstimmung. Schon lange wird hier siedend heißes Thermalwasser nutzbar gemacht: In Geothermie-Anlagen fördern vier Unternehmen es aus tiefen Erdschichten und nutzen es zur Wärme- oder Stromgewinnung. Nach einem ersten Boom in den 2000er Jahren und folgender Ernüchterung spricht ein Beteiligter inzwischen von einer „dritten Welle“, die entlang des Rheingrabens anrolle. Primäres Ziel ist der Bau neuer Geothermie-Anlagen. Mindestens zwei der Firmen liebäugeln aber auch mit der Hebung von Lithium-Schätzen.

Lithium, das manche auch als „weißes Gold“ bezeichnen, ist Basis-Rohstoff für Batteriezellen und aufgrund der wachsenden E-Auto-Produktion weltweit stark gefragt. Das vermutete Vorkommen am Oberrhein: In den in 2000 bis 3000 Meter Tiefe lagernden Sole-Wassern ruhe Lithium für rund 400 Millionen Elektroautos. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wird dazu geforscht. Der Lehrstuhlinhaber für Geochemie und Lagerstättenkunde, Jochen Kolb, möchte Lithium mittels Manganoxid aus dem Wasser filtern. Das siedend heiße Sole-Wasser soll an der Erdoberfläche abgekühlt und später zurückgeführt werden.

Lithium wird überwiegend in Südamerika gewonnen

Derzeit wird das Alkalimetall vor allem in Südamerika gewonnen. Am Oberrhein hat das australische Unternehmen Vulcan Energy inzwischen eine Niederlassung in Karlsruhe. Auch der Energieversorger EnBW betreibt seit 2009 im nordbadischen Bruchsal gemeinsam mit den örtlichen Stadtwerken eine kleine Geothermie-Anlage. 2019 ging die Anlage in den kommerziellen Betrieb. In Kürze, kündigt die EnBW an, werde „mit der Produktion von Lithium zu Testzwecken aus einem Prototyp gerechnet“.

Schaut man auf die topografische Karte des Oberrheins, sind in fast allen Abschnitten des Rheingrabens, vor allem zwischen Offenburg und Mannheim, Geothermie-Erkundungen im Gang. Anträge für Bohrungen liegen bislang nur in den Schubladen. So hat sich der südbadische Energieversorger Badenova das Feld „Südlicher Oberrhein“ gesichert – gelegen zwischen Breisach und Bad Krozingen. Man befinde sich „in einer frühen Phase der Exploration“. Badenova hat dabei aber einzig den Bau von Wärmetauschern im Blick, für den Einsatz in Nahwärmenetzen. „Stromerzeugung ist nicht unser Fokus, Lithium-Gewinnung auch nicht“, sagt eine Sprecherin.

Es gibt auch Skeptiker in der Branche

Auch die Deutsche Erdwärme (DEW) mit Sitz in Karlsruhe schielt nicht aufs Lithium. „Wir brauchen das Lithium nicht für den Businessplan“, sagt DEW-Projektleiter Ulrich Lotz. Das Unternehmen beabsichtigt, finanziert von einem milliardenschweren dänischen Rentenfonds, „Wärmebergbau“: Man baue Wärme ab mithilfe des Thermalwassers. In der Gemeinde Graben-Neudorf bei Bruchsal soll um 2024 die erste fertige Anlage der DEW stehen – zur Verstromung. Die Ausfällung von Lithium hält Lotz gar für ein Geschäftsrisiko. „Niemand weiß, wo der Preis für das Metall in fünf Jahren liegt“, sagt er.

Forscher geht Vulcan Energy vor. Im November teilte das Unternehmen mit, dass es ein Bohrteam aufbauen wolle mit 30 Spezialisten. Mitte Dezember gab Vulcan den Kauf des einzigen weitgehend problemlos betriebenen Geothermie-Kraftwerks am Oberrhein bekannt: Im Werk Insheim, südlich von Landau, soll die Lithium-Gewinnung erprobt werden. Das Lithium am Oberrhein sei „von einer solchen Qualität, dass es für die Automobilproduktion eingesetzt werden kann“, sagt Horst Kreuter, Geschäftsführer der deutschen Vulcan-Tochter. Gleichzeitig gab er einen Kontrakt mit VW bekannt. Ab 2026 soll geliefert werden.

Ulrich Lotz von der DEW bezeichnet solche aufkeimenden Aktivitäten als anrollende „dritte Welle“. Um die 2000er Jahre habe es einen „ersten Run“ auf Erdwärme gegeben. Dies war direkte Folge des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Damals waren fünf Firmen rund um Karlsruhe aktiv, vier rutschten in die Insolvenz.

Ruf der Erdwärme leidet unter Schäden der Vergangenheit

Denn zwischen den besagten „Wellen“ lagen massive Schäden durch Erdhebungen, allen voran im südbadischen Staufen – weil Wasser in Gipsschichten eindrang. Auch kleinere Erdbeben folgten gelegentlich auf Erdwärmebohrungen. Später war immer wieder von „Ausführungsfehlern“ die Rede. Baden-Württemberg hat sensible Areale für Erkundungen ausgeschlossen. Die Erinnerung macht es den Firmen dennoch schwer, das Vertrauen der Gemeinden zu gewinnen.

Wie die Bevölkerung im pfälzischen Insheim auf das Vorhaben von Vulcan Energy zur Lithium-Gewinnung reagiert, bleibt abzuwarten. Im Juni erhielt das Unternehmen eine Erlaubnis „zur Aufsuchung von Erdwärme, Sole und Lithium“ bei Schutterwald nahe Offenburg. Dort haben die Gemeinderäte Vorbehalte, was für die Unternehmen aber Alltag ist. „Wir haben eigentlich in jedem Suchgebiet eine Bürgerinitiative, die sich gegen die Vorhaben wehrt“, sagt Ron Zippelius, Sprecher der Deutschen Erdwärme.