Vor einer traumhaften Naturkulisse laufen im bolivianischen Salzsee Uyuni die Vorarbeiten für die Gewinnung von Lithium. Foto: AFP/Aizar Raldes

Für die Wende hin zur E-Mobilität braucht Europas Autoindustrie Batterien – und jede Menge Rohstoffe. Bolivien hat enorme Lithiumressourcen. Diese Chance auf gute Geschäfte hat auch eine Firma aus Baden-Württemberg erkannt.

La Paz/Zimmern ob Rottweil - Auf 3700 Meter Höhe Geschäfte zu machen ist nicht jedermanns Sache. Doch für die Manager der Firma ACI Systems aus Zimmern ob Rottweil überwiegen – trotz Gefahren einer Höhenkrankheit in Bolivien – die Hoffnungen. Das baden-württembergische Unternehmen hat 2018 ein Joint Venture mit dem bolivianischen Staatsunternehmen YLB zur Lithiumgewinnung im Salzsee Uyuni gegründet.

So hat sich Deutschland Zugang zu einem der wichtigsten Rohstoffe der E-Wende gesichert: Lithium. „Dort oben muss man guerillamäßig unterwegs sein“, scherzt Professor Wolfgang Schmutz, Geschäftsführer von ACI Systems, mit Blick auf die Höhen in Bolivien. Doch die Geschäfte in dem Zukunftsmarkt könnten sich lohnen. Wie wichtig das Leichtmetall ist, zeigt auch der diesjährige Chemie-Nobelpreis, der an die Väter der Lithium-Ionen-Batterie ging.

Große Hoffnungen

Auch Bolivien setzt große Hoffnungen auf Lithium und hat ambitionierte Pläne. YLB-Geschäftsführer Juan Carlos Montenegro zeigt sich überzeugt von den enormen bolivianischen Lithium-Ressourcen. „Wir wollen, dass unser Land den höchstmöglichen Mehrwert erzielt“, sagt er – man habe allerdings nicht die Absicht, den gesamten Lithium-Markt abzudecken. „Das wäre Raubbau an unseren Salzseen.“

Alles scheint für eine wachsende Nachfrage nach Lithium zu sprechen: 2018 wurden weltweit 5,1 Millionen E-Autos hergestellt, so das Fraunhofer-Institut. Die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien soll von 36 Gigawattstunden im Jahr 2017 auf ein bis 1,5 Terawattstunden 2025 steigen. Das würde ungefähr 30 Millionen E-Autos bedeuten. Doch die E-Mobilität steckt in Deutschland in den Kinderschuhen. Könnte Bolivien helfen?

Europa rohstoffarm

„In Europa haben wir den Nachteil, dass es diesbezüglich rohstoffarme Länder sind“, erklärt ACI-Geschäftsführer Schmutz. „China kann uns theoretisch Schwierigkeiten machen, wenn wir die Technologien nicht beherrschen. Und doppelt schwierig ist es eben, weil 65 bis 70 Prozent des globalen Lithiumvorkommens schon von den Chinesen kontrolliert werden. Da wäre es verdammt gefährlich gewesen, hätten sie auch noch Uyuni bekommen.“

Die Gründung der Gemeinschaftsfirma für den Salzsee Uyuni mildert diese Sorge. Ziel des Unternehmens ist es, bis Mitte 2023 um die 40 000 Tonnen Lithiumhydroxid in der von der Thüringer Firma Kutec geplanten Anlage zu gewinnen. Dies würde für etwa eine Million E-Autos mit 50-Kilowattstunden-Akkus reichen.

Proteste gegen Abbau

Macht der Bau der Anlage Fortschritte? Das Projekt komme voran, sagt Ingenieur Montenegro. Das ist positiv – zumal Oppositionsgruppen eine höhere Teilhabe als die aktuellen drei Prozent des Lithiumgewinns fordern und dafür protestieren. Doch die Gemeinschaftsfirma zeigt sich zuversichtlich: Proteste behindern den Bau nicht. Trotzdem möchte ACI Systems Studien zu Sozial- und Umweltverträglichkeit durchführen und Aufklärungsarbeit vor Ort leisten. Dafür werden „in den nächsten sechs Wochen“ wichtige Organisationen in das Büro in die bolivianische Stadt Santa Cruz eingeladen.

Information ist nötig. Viele Anwohner wissen, dass Lithium für „saubere Energie“ steht, wissen aber nicht, ob der Abbau Schäden verursacht. „Als ich klein war, fuhr ich mit meinen Eltern zu einer Lagune nahe der Stelle, an der jetzt die Anlage gebaut wird. Wir sammelten Flamingo-Eier, und ich aß sie“, erzählt Edgar. „Irgendwann stand in einem Artikel, Flamingos würden wegen des Lithiumgewinns sterben. Mir ist nicht bekannt, wie schädlich die Chemikalien sind, die dort angewendet werden“, gibt er zu.

Produktion soll öko sein

Vor allem der Wasserverbrauch in trockenen Regionen wird von Umweltorganisationen kritisch beäugt. Aber nicht einmal Chile, wo Lithium seit 40 Jahren industriell abgebaut wird, verfügt über umfassendere Studien. „Es mangelt an technischen Mitteln und menschlichen Ressourcen. Das nötige Know-how bei einer so großen Anzahl an Projekten haben wir nicht“, meint Ingenieur Wolf von Igel, Vizechef des Internationalen Hydrologenverbands in Chile.

ACI und YLB wissen: Die Produktion muss öko sein. Denn dank Lithium sollen erneuerbare Energien gespeichert und somit die Abkehr von fossilen Brennstoffen ermöglicht werden. Daher soll an der Anlage mit Solarmodulen, Solarthermie und der Rückgewinnung von Wasser gearbeitet werden. „Wir wissen, dass unsere potenziellen Kunden das Thema Umwelt, vor allen Dingen CO2, bei der Herstellung und Gewinnung dieses Rohmaterials ganz oben dran setzen“, betont Schmutz.

Neue Gründung geplant

YLB denkt indes schon an den nächsten Schritt. Das Unternehmen hat sich vorgenommen, mit ACI Systems eine zweite Firma zur Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien in Bolivien zu gründen. Es träumt davon, „mit deutschen Standards, ihrem technisch-wissenschaftlichen Know-how und ihrem Markt“ eine Anlage von acht Gigawattstunden zu bauen.