Der Schriftsteller Peter O. Chotjewitz im Jahr 2004. Foto: Susanne Kern

Literaturhaus Stuttgart: Cordula Güdemanns Zeichnungen und Robert Stadlobers Lesung gibt es zu Peter O. Chotjewitz’ „Wespennest“.

Literaturhaus Stuttgart: Cordula Güdemanns Zeichnungen und Robert Stadlobers Lesung gibt es zu Peter O. Chotjewitz’ „Wespennest“.

Stuttgart - Er wäre 80 Jahre alt geworden, in diesem Sommer: Peter O. Chotjewitz, der Anwalt und Autor, der seit 1995 in Stuttgart lebte, vor vier Jahren dort verstarb. Er schrieb romanhafte Chroniken der deutschen Linken, autobiografische Erzählungen, anarchische Romanexperimente.

„Das Wespennest“, Chotjewitz’ Panorama deutscher Geschichte seit 1933, erschien zuerst 1999; nun kündigt der Berliner Verbrecher-Verlag für den Herbst 2014 eine Neuauflage an, die Malerin Cordula Güdemann hat sie illustriert. Die Witwe des Autors ist Professorin für Malerei an der Stuttgarter Kunstakademie. Güdemann, Jörg Sundermeier, Leiter des Verbrecher-Verlags, und der Schauspieler Robert Stadlober kamen am Montag ins Literaturhaus Stuttgart, um über Chotjewitz zu sprechen. Zu sehen sind überdies Güdemanns Blätter.

Ein Filmausschnitt zunächst. Man sieht Chotjewitz 1999 bei einem Interview auf der Frankfurter Buchmesse. Mit runder Brille, grünem Hemd mit Fliege schiebt er breit grinsend scheinbar alle Regeln der Literatur vom Tisch. Der kurze Film bietet einen vergnüglichen Einstieg – und Chotjewitz ist auf lebhafteste Weise präsent. Wenige der Zeichnungen, mit denen Güdemann „Das Wespennest“ illustrierte, konnte er noch selbst in Augenschein nehmen; in ganzen Umfang werden sie in der Neuausgabe des Romans nicht enthalten sein, Sundermeier erwägt einen Supplementband. Die Ausstellung, die noch bis zum 11. April des Jahres zu sehen sein wird, bietet also mehr als eine Vorschau auf die Veröffentlichung. Und sie amüsiert ganz ungemein, als ein Panoptikum skurriler Bilder und Figuren der Zeitgeschichte.

Text und Bild stehen sich hier gleichberechtigt gegenüber, denn die Romanstellen, von denen sich Güdemann anregen ließ, sind nicht knapp: lange Sätze, schräge Einfälle und Wendungen, grantige Bemerkungen zur Tagespolitik, Milieuschilderungen, Gestalten aus dem linken Spektrum, darunter immer wieder einer, der sich einen Joint dreht – aus drei Blättern. Die kleinformatigen Zeichnungen, die Güdemann diesen Szenen beigestellt hat, bedecken oft weniger Papier als Chotjewitz’ wild fabulierende Erzählungen gleich daneben. Alle Wände im Literaturhaus sind nun bedeckt mit diesen Bildern – ein deutscher Skizzenblock, vor dem man steht und mitunter laut lachen muss, der Gelegenheit gibt, Chotjewitz als Sprachartisten und großen Komiker zu entdecken.

Aber Peter O. Chotjewitz schrieb nicht nur heiter und böse über deutsche Geschichte. Er schreibt auch über das Leben von Klaus Croissant, dem Verteidiger Andreas Baaders, später selbst verfolgt als RAF-Sympathisant, noch später Informeller Mitarbeiter der Staatssicherheit. Chotjewitz schrieb über Croissant in einem oft sehr ernsten, manchmal politisch trockenen, manchmal anrührenden Ton – wie man nun erleben kann, als Robert Stadlober aus Chotjewitz’ Rechercheroman „Mein Freund Klaus“ liest.

Stadlober spielt aktuell im Theaterhaus Stuttgart in Janet Stornowskis Inszenierung von Ibsens „Gespenster“, bekannt wurde er mit Filmen wie „Crazy“ und „Sonnenallee“. Im Literaturhaus war er zuletzt zu Gast, um aus den Werken der Beat-Autoren Kerouac, Ginsberg, Burroughs zu lesen. Chotjewitz’ Schaffen kannte er bisher nicht – nach der Lektüre erklärte er sich augenblicklich bereit, daraus vorzutragen. Und er wählte seine Textstellen mit Bedacht: Die alphabetische Charakteristik, mit der Chotjewitz Croissant beschreibt, steht am Anfang, der „Besuch bei Klaus“, ein Text, der Croissant am Ende seines Lebens zeigt, am Schluss. Dazwischen eine Passage, in der Chotjewitz das Stuttgarter Café Weiss zu legendären Zeiten beschreibt, gefolgt von einer langen Passage, die Stadlober Gelegenheit gibt, die Geschichte der RAF, so wie Peter O. Chotjewitz sie notiert hat, zu referieren. Der 31-jährige Schauspieler liest klar, präzise, hart, wie ein Verhör klingt sein Text.