Edeltraud John erzählt aus der Weilimdorfer Geschichte. Foto: Susanne Müller-Baji

Ein Spaziergang mit Edeltraud John führte auf den Alten Friedhof und in die Reisach-Siedlung.

Stuttgart-Weilimdorf - Auf dem Friedhof wohnen die Toten, aber eigentlich ist er für die Lebenden gemacht, damit sie sich erinnern können. Der Alte Weilemer Friedhof bildet da keine Ausnahme. Am Donnerstag wurden bei einem literarischen Spaziergang mit Edeltraud John die Geschichte und Geschichten rund um die hier Bestatteten entdeckt, Harald Frick las aus seinen Gedichten und schließlich ging es noch in die nahe Reisach-Siedlung hinüber.

Unter anderem besuchte man das Grab von Heimatdichter Karl Blanz (1880 bis 1954), das die Stadt Stuttgart unlängst als „erhaltenswert“ eingestuft hat und nun für zunächst 30 Jahre die Grabpflege übernehmen wird. Eine Ehre, die aber wegen des Sparzwanges der Stadtverwaltung immer weniger Bürgern zuteil werden wird, fügte John an: „Da haben wir mit Karl Blanz noch Glück gehabt!“ So aber ziert nun ein neu errichtetes Ruhebänkle das Grab und lädt geradezu ein zum Zwiegespräch.

Das tat denn auch der frühere Stadtrat Harald Frick, den John gewonnen hatte, aus seinen Gedichten zu lesen: Er sei kein Heimatdichter stellte dieser gleich klar und verlas entlang des Wegs immer wieder Verse von schwäbischer Klarheit, die vorzüglich an die jeweiligen Orte passten: „S End vom Lied“, zum Beispiel, das eigentlich ein Abschied von den Dingen des Lebens ist: Vom Sonnenschein, von den alten Weggefährten, von der Musik und vom Gesang der Vögel. Und wenn alles andere schon vergangen ist, „no wird’s Zeit – dass e gang.“

In den 30er Jahren ist die Reisach-Siedlung entstanden

Der Alte Friedhof, auch das lernten die Spaziergänger unterwegs, ist eigentlich nur ein „Älterer“ Friedhof, denn es gab zuvor noch mindestens zwei andere Stellen im Flecken, an denen Menschen bestattet wurden: An der Oswaldkirche, innerhalb des ehemaligen Wehrkirchenbereichs, und „da, wo die Seelachschule heute steht“, wie Edeltraud John erläuterte. Sie führte außerdem an die Gräber des letzten Weilimdorfer Schultes Gotthilf Dreher (1879 bis 1946) und des Bildhauers Karl Calwer (1895 bis 1950), der eines der markantesten Kleindenkmale des Stadtbezirks geschaffen hat: den Löwen des ehemaligen Gasthauses, das dem Markt darunter seinen Namen gegeben hat.

Und dann ging es erst hinauf und dann steil die Stäffele hinab: Einst hatten hier die Zugpferde des Spediteurs Paul v. Maur gegrast. Bis in den 30er Jahren die Reisach-Siedlung als typisches Beispiel für den Siedlungsbau der damaligen Zeit entstand, wie Manfred Behrendt, der zweite Vorsitzende der Siedlergemeinschaft erläuterte: Häusle mit geringer Grundfläche und großem Garten zwecks Selbstversorgung – gebaut mit viel Eigenleistung und zugeteilt im Losverfahren.

Zum Schluss erzählte Edeltraud John in der Florian-Geyer-Straße von den Anwohnern Adolf Notter und Eugen Müller, die mit Hilfe des Zwangsarbeiters Louis Bouleau und des Kriegsgefangenen Augustin Leclercq eine noch für den 21. April 1945 vorgesehene Bombardierung verhinderten: Gemeinsam gingen sie den vorrückenden französischen Streitkräften entgegen und versicherten ihnen, dass keine deutschen Soldaten mehr im Ort seien. Noch jahrzehntelang seien Franzosen und Deutsche miteinander in Kontakt geblieben. John berichtete, dass der Weilimdorfer Heimatkreis den beherzten Friedensstiftern von damals eine Gedenktafel im Alten Rathaus stiften werde: Angebracht wird sie voraussichtlich im ehemaligen Luftschutzkeller.