In der Nacht vom 28. auf den 29. Januar 1945 brannte das Berkheimer Schlössle nach einem Fliegerangriff ab. Foto: Archiv


Bei einem literarischen Spaziergang berichtet eine Zeitzeugin von ihrer Kindheit im „Berkheimer Schlössle“ in Stuttgart-Bergheim.

Bergheim - Es ist erfreulich, sich an eine glückliche Zeit zu erinnern“: So zitierte eine Teilnehmerin beim literarischen Spaziergang in Bergheim den römischen Dichter Ovid. Zeitzeugin Anneliese Groß berichtete bei dieser Veranstaltung von ihrer schönen Kindheit im Berkheimer Schlössle, die sie dort als Tochter des Hausverwalters Karl Bihr erleben durfte.

Im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges wurde ihre Kindheitsidylle – mit großem Puppenhaus im Park – dann jedoch zerstört. Nach einem Fliegerangriff brannte wie viele andere Häuser im Stadtbezirk in der Nacht vom 28. auf 29. Januar 1945 auch das Berkheimer Schlössle ab. Alle Löschversuche, an denen sich auch die damals 15-Jährige beteiligte, blieben vergeblich: „Das Wasser im Bergheimer Weiher war in der bitterkalten Nacht gefroren, wir konnten mit unseren Eimern nichts ausrichten“, erzählte Anneliese Groß. Sie hatte mit ihrer Mutter Anna Bihr in einem Stollen im Wald die Schreckensnacht überlebt. Mit der Mutter übernachtete Anneliese Groß damals einige Zeit auf den Bänken des Gasthofes Muckenstüble, bis ihnen im Bergheimer Hof ein besseres Notquartier, eine Dachkammer, angeboten wurde.

Elfter literarischer Spaziergang

Heute lebt die 86-Jährige im Stadtteil Wolfbusch. Das märchenhafte Berkheimer Schlössle, an das sie oft zurück denkt, gibt es nicht mehr – und doch fasziniert es Menschen nach wie vor. Das machte auch das große Interesse am elften literarischen Spaziergang deutlich. Veranstaltet werden die Spaziergänge „Ortsgeschichte und Gedichte“ vom Bezirksamt Weilimdorf, vom Forum, Heimatkreis, von den Naturfreunden und dem Stadtseniorenrat. 85 Teilnehmer hatten sich am Mittwoch vergangener Woche an der Haltestelle Bergheimer Hof eingefunden, um vor Ort von Edeltraud John vom Forum und Heimatkreis Wissenswertes über die ehemalige herzogliche Domäne und vor allem auch über das Berkheimer Schlössle zu erfahren. Über die Villa, von der alle „Weilemer“ schwärmen, die das Anwesen nicht nur von den wenigen schwarz-weißen Fotos kennen. Die jedoch auch deutlich machen, dass das Schlössle ein architektonisches Kleinod war.

Erbaut wurde das Schlössle von dem Architekten Karl Ludwig von Zahnt 1836, von diesem stammt auch der Entwurf zur Wilhelma. Im Auftrag des Politikers und Schriftsteller Friedrich von Notter entstand das Berkheimer Schlössle. Notter hatte das Buch „The last Days of Pompeji“ ins Deutsche übersetzt und war offensichtlich vom Baustil der einst am Golf von Neapel gelegenen Stadt fasziniert.

Im „pompejanischen Stil“ gebaut

So wurde nach Entwürfen von Zahnt das „Schlössle“ im „pompejanischen Stil“ gebaut: mit Pergola, Wanddekorationen, Park und der lateinischen Inschrift am Eingang: „Parva domus magna quies“ – ein kleines Haus bringt große Ruhe“. Auch der Verleger Adolf Kröner, der die „J.G. Cottasche Buchhandlung“ führte und 1890 das Anwesen in Bergheim erwarb, liebte sein „Schlössle“: „Von allem kann ich scheiden, nur von meinem Berkheim nicht“, soll er gesagt haben. Erst 1904 war die Schreibweise in Bergheim geändert worden. Nach seinem Tod kam es zu einem Erbschaftsvertrag, der den Familienmitgliedern jeweils für ein Jahr das Wohnrecht im Schlössle einräumte.

Wie heißt es so richtig: Nur der Wechsel ist beständig, so vieles oder auch alles ändert sich mit der Zeit. Edeltraud John rezitierte beim Spaziergang ein Gedicht des „Weilemer“ Karl Blanz, noch heute unter dem Namen „Karles Karle“ bekannt, das dieser im Jahr 1913 über Bergheim verfasst hatte. Darin heißt es unter anderem: „Leise rauscht die Silberpappel, ihre Blätter glänzen hell, vieles hat sie schon gesehen, denn die Zeit sie eilt so schnell.“ Heute steht auf dem ehemaligen Areal des Schlössle eine Einrichtung der Diakonie Stetten, in dem 43 Menschen mit geistiger Behinderung leben. Dass man in Weilimdorf sehr gut aufgenommen sei, betonte Gisbert Stöppler, Hausleiter des Wohnheims beim Besuch der Veranstaltungsnehmer am Standort des einstigen Berkheimer Schlössle.

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