Litauens Außenminister Linas Linkevičius mit seinem polnischen Amtskollegen Witold Waszczykowski auf dem Nato-Gipfel in Warschau Foto: dpa

Litauens Außenminister Linas Linkevičius begrüßt die Stationierung der Bundeswehr in seinem Land – und sieht Russlands Truppenaufmarsch von langer Hand geplant.

Warschau -

Herr Linkevičius, fühlen Sie sich nach diesem Nato-Gipfel sicherer?
Ich spüre vor allem Befriedigung. Die Ergebnisse erfüllen unsere Erwartungen. Die Allianz wird nun auch in den neuen Mitgliedstaaten präsent sein, nachdem jahrelang der Fokus auf Auslandseinsätzen und nicht bei der Landesverteidigung lag. Es ist Zeit für die Nato nach Hause zu kommen – zumindest ein bisschen.
Das Bataillon mit rund 1000 Mann reicht ihnen nicht?
1000 Soldaten ändern militärisch nichts, aber das Engagement ist dennoch sehr wichtig. Gerade die Multinationalität der Truppe signalisiert, dass es ein Angriff auf die gesamte Nato wäre, wenn Russland auf einen solchen Gedanken kommen sollte. Es ist also ein bescheidener Beitrag, den wir dennoch sehr schätzen. Wir sind besonders Deutschland dankbar, dass es die Führung des Nato-Bataillons in unserem Land übernimmt.
Sehen Sie nicht vielleicht auch die Gefahr einer Aufrüstungsspirale? Die Russen machen etwas, die Nato reagiert, Moskau wiederum darauf – und so weiter und so fort…
Die Russen reagieren doch nicht militärisch auf das, was wir machen – ihre dicht an der Grenze zusammengezogenen Truppen sind schon lange dort. Das ist etwas, das von langer Hand geplant worden ist. Allein schon die schiere Größe der Armeen jenseits unserer Grenze spricht gegen eine spontane Gegenreaktion Moskaus.
Es gibt dennoch Stimmen, die die neuen Nato-Maßnahmen sehr kritisch sehen.
Sie haben nichts mit einer Bedrohung Russlands zu tun oder mit dem „Säbelrasseln“, über das nun so viele reden. Es geht schlicht um einen notwendigen Nachholbedarf, damit niemand die Entschlossenheit der Nato in Zweifel zieht. Das nennt man Abschreckung.
Im Ernstfall ließen sich die Russen doch nicht von 1000 Soldaten abschrecken.
Aber von der Tatsache, dass sie dann die gesamte Nato angreifen würden, schon. Wo bisher nichts ist, senden auch 1000 Soldaten ein klares Signal. Sie sind mehr wert als jede feierliche Erklärung auf Papier.
Die Bundeswehr wird also Artikel 5 des Nato-Vertrags in Litauen mit Mann und Material unterfüttern. Ist denn schon klar, wo und wann sie stationiert wird?
Das muss von den Militärexperten noch ausgearbeitet werden. Ende des Jahres oder spätestens Anfang des nächsten sollte die Bundeswehr jedoch in Litauen sein wird. Wann genau, hängt davon ab, wie schnell die sechs beteiligten Nationen sich abstimmen können.
Irritiert es Sie eigentlich, dass Deutschland einerseits Soldaten zu ihrer Absicherung schickt, in Gestalt von Außenminister Frank-Walter Steinmeier andererseits jedoch vor weiterem „Säbelrasseln“ gewarnt hat, wie Sie es schon erwähnt haben?
Ich habe ihn selbst danach gefragt. Kollege Steinmeier hat mir gesagt, er sei falsch interpretiert worden, und dass wir nicht am deutschen Engagement für die Sicherheit unseres Landes zweifeln müssten. Das reicht mir.
Zweifeln Sie manchmal daran, welche strategischen Interessen Deutschland gegenüber Russland verfolgt?
Natürlich bekommen wir die Debatten in Deutschland mit, aber wir halten uns an die konkreten Entscheidungen, die wir zum Beispiel hier in Warschau gemeinsam getroffen haben.
Sie verstehen die Diskussionen in Deutschland also nicht?
Einige der aus meiner Sicht irreführenden Argumente haben sicher damit zu tun, dass viele Menschen in Deutschland von der politischen Krise in den Nachbarländern Russlands nicht direkt betroffen sind – und deshalb vielleicht denken, dass gar keine russische Bedrohung existiert.
Hinter den Kulissen laufen die Bemühungen, um den Minsker Friedensprozess für die Ostukraine wiederzubeleben – und damit den Kern des neuen Konflikts mit Moskau zu beseitigen. Wie zuversichtlich sind Sie?
Ja, die Bemühungen laufen. Es muss aber klar sein, dass es erst einmal um die Sicherheit gehen und die Politik hinten anstehen muss. Im Klartext: Es muss erst einen echten Waffenstillstand geben, bevor von der Ukraine weitere politische Reformen und andere Zugeständnisse verlangt werden können. Ich war kürzlich selbst in Mariupol und habe mit eigenen Augen gesehen, dass die Waffenruhe nur noch auf dem Papier steht - 300 Meter neben mir schlug eine Mörsergranate ein.