Sanddünen, klares Wasser, Ruhe und Natur pur: Als einen der schönsten Strände der Welt bezeichnen Reiseführer den Küstenstreifen bei der kleinen Stadt Nida auf der Kurischen Nehrung. Foto: Rometsch

Die Kurische Nehrung faszinierte den Schriftsteller Thomas Mann so sehr, dass er sich auf dieser Landzunge ein Sommerhaus bauen ließ.  

Nida - „Kennen Sie die Dünen bei List auf Sylt? Man muss sie sich verfünffacht denken, man glaubt, in der Sahara zu sein . . . alles ist weglos, nur Sand, Sand und Himmel. Die Farbenpracht ist unvergleichlich . . . Zarteste Pastellfarben in Blau und Rosa, und der federnde Boden ist geschmückt mit den feinen Wellenlinien, die der Wind hinzeichnet.“ So schwärmte Thomas Mann 1931 in einem Vortrag vor dem Münchner Rotary-Club von der Kurischen Nehrung. Der Anblick der immensen Sandmassen, die über 60 Meter emporragen, hatte den deutschen Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger schon bei seinem ersten Besuch 1929 gefesselt. Er verbrachte einige Tage in Nida, auf Deutsch: Nidden.

Gut 80 Jahre später fasziniert die besondere Landschaft, die das vom Süßwasser der Memel gespeiste Kurische Haff vom Salzwasser der Ostsee trennt, Besucher aus aller Welt, vor allem aber aus Deutschland. Sie vergnügen sich beim Baden, Radfahren, Wandern, Pilzesammeln - und natürlich beim Bernsteinsuchen. Gerade nach stürmischen Tagen sieht man etliche Menschen mit gesenktem Haupt und in gebückter Haltung in Trippelschritten die Küste entlanggehen - in der Hoffnung, einen Funken vom „Gold des Meeres“ zu finden. „Mit etwas Glück kann man kleine Körnchen Bernstein finden“, sagt Vilija Gerulaitiene, die als Übersetzerin in Vilnius arbeitet, während eines Strandspaziergangs nahe der Bernsteinbucht bei Juodkrante (Schwarzort). Den Strand von Nida hat der Reiseführer „Lonely Planet“ sogar einmal zum zweitschönsten der Welt gekürt. Auch für die Litauer selbst ist die Nehrung ein beliebtes Urlaubsreiseziel.

Klaipeda die älteste Stadt Litauens

Sie erstreckt sich knapp 100 Kilometer entlang der Ostseeküste. 52 Kilometer der komplett aus Sand bestehenden Halbinsel gehören zu Litauen, 46 Kilometer zur russischen Exklave Kaliningrad, dem früheren Königsberg, wo auch die einzige Verbindung zum Festland besteht. Von Litauen aus erreicht man die Nehrung in wenigen Minuten mit einer Fähre, die zwischen Klaipeda, dem einstigen Memel, und Smiltyne pendelt. Vor mehr als 750 Jahren gegründet, ist Klaipeda die älteste Stadt Litauens und mit mehr als 180 000 Einwohnern die drittgrößte Metropole mit dem einzigen Hafen des Landes. Der größte der drei baltischen Staaten dehnt sich über 65 300 Quadratkilometer aus; Litauen ist damit etwas kleiner als Bayern und mit knapp drei Millionen Einwohnern nur dünn besiedelt. Dennoch darf sich das Land, das seit dem 1. Juli den Vorsitz im Rat der Europäischen Union innehat, als Herz Europas bezeichnen: 1989 berechneten Geografen des Geografischen Nationalinstituts Frankreich, dass der geografische Mittelpunkt Europas in dem Dorf Purnuškes nördlich der litauischen Hauptstadt Vilnius liegt. Neben der Altstadt von Vilnius ist die Kurische Nehrung eine von fünf Unesco-Welterbestätten des Landes.

Die eigentümliche Landschaft des vergleichsweise unberührten Kleinods verbindet eine Mischung aus skandinavischer Frische mit südländischer Wärme. Sie erschließt sich dem Besucher am besten von den großen Sandhügeln aus: Haff und Meer, Dünen und Wald liegen einem zu Füßen und verschmelzen in der Ferne im blauen Dunst. Für einen Moment wähnt man sich ganz allein mit der Natur. Die Dünen dürfen heute nur noch an wenigen Stellen und auf befestigten Wegen bestiegen werden, seit zu Beginn der 1990er Jahre ein 1800 Quadratkilometer großer Nationalpark geschaffen wurde. Hauptattraktion ist die über 60 Meter hoch aufragende Hohe Düne, die zweithöchste Düne Europas, zwischen Nida und Kaliningrad. Nachdem Deutschland das Gebiet 1945 an die Sowjetunion verloren hatte, war die Nehrung lan ge Zeit militärisches Sperrgebiet und stark militarisiert. Heute leben rund 2000 Menschen auf der litauischen Seite der Landzunge.

Thomas Mann ließ hier ein Sommerhaus bauen

Die farbenfrohen Dörfer strahlen in alter Pracht. Sie liegen alle im Osten an der Haff-Seite, da es an der Ostsee zu stürmisch ist. Thomas Mann (1875-1955) beeindruckte die Landschaft so sehr, dass er beschloss, sich in Nida ein Sommerhaus bauen zu lassen. Den Traum von der eigenen Sommerresidenz hegte er bereits auf seinen Reisen nach Italien und in die Schweiz. Nun aber entschied er sich für einen Ort, der von München aus nur schwer zu erreichen war. Die Reise dauerte zwei Tage mit dem Zug nach Cranz (heute Zelenogradsk) und dann noch einmal zwei Stunden mit dem Dampfboot. Ein Jahr später war es so weit. Thomas Mann bezog sein Sommerhaus, der Traum war in Erfüllung gegangen. Drei Sommer - von 1930 bis 1932 - verbrachte der Schriftsteller mit seiner Familie in Nida. Hier setzte er die Arbeit an dem Roman „Joseph und seine Brüder“ fort und verfasste den Essay „Mein Sommerhaus“.

Nach der Machtübernahme Adolf Hitlers im Jahre 1933 waren Thomas Mann und seine Familie gezwungen, Deutschland zu verlassen. Sie kehrten nie wieder nach Nida zurück. „Italienblick“ nannte der Schriftsteller die Aussicht über das Haff, die er auch von seinem Arbeitszimmer genießen konnte. Sein Sommerhaus auf dem Schwiegermutterberg dient heute als Museum und Kulturzentrum, in dem die Erinnerung an den Nobelpreisträger wachgehalten wird. So sehr diese urtümliche Landschaft der Zeit zu trotzen scheint, so fragil und gefährdet ist sie. In ihrer jetzigen Form besteht sie erst seit gut 200 Jahren. Als zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert die Wälder abgeholzt wurden, setzte sich der Sand in Bewegung, begrub im Laufe der Zeit 14 Dörfer unter sich.

Erst Ende des 19. Jahrhunderts gelang es dem Forstbeamten und königlich-preußischen Düneninspektor Wilhelm Franz Epha, die Dünen mit schwedischen Kiefern zu bepflanzen und zu stabilisieren, um deren Erosion aufzuhalten. Nur auf einem kleinen Abschnitt südlich von Nida gibt es heute noch echte Wanderdünen. Zu 70 Prozent ist die Kurische Nehrung wieder bewaldet, meist mit Kiefern, aber auch mit Birken, Schwarzerlen und wenigen Tannen. Der König der Tierwelt auf der Nehrung ist der Elch, wenngleich die scheuen Tiere selten geworden sind und ihr Bestand auf wenige Dutzend geschrumpft ist. Im Frühjahr und Herbst ziehen Hunderttausende Zugvögel über die schmale Landzunge hinweg, die an ihrer breitesten Stelle knapp vier Kilometer misst, an ihrer schmalsten nicht einmal 400 Meter. Auf der Nehrung selbst leben mehr als 200 Vogelarten. Und so mancher Besucher, der sich von der besonderen Stimmung der Landschaft anstecken lässt, würde es Thomas Mann wohl gerne gleichtun - und sich ein Sommerhaus auf der Kurischen Nehrung bauen.

So wird das Reisewetter in Europa

Infos zu Litauen

Anreise
Mit Lufthansa von Stuttgart über Frankfurt oder Wien nach Vilnius, ab 151 Euro ( www.lufthansa.com ). Die neue litauische Fluggesellschaft Air Lituanica fliegt seit September dreimal wöchentlich - dienstags, donnerstags und samstags - direkt in zwei Stunden von München in die litauische Hauptstadt; Tickets gibt es ab 138 Euro ( www.airlituanica.com ). Von dort geht es mit dem Auto oder Bus nach Klaipeda. Mit der Fähre kann man von Kiel oder Sassnitz nach Klaipeda fahren ( www.dfdslisco.com ).

Unterkunft
Im Gasthof von Hermann Blode in Nida logierten einst Künstler und Literaten wie Thomas Mann, Sigmund Freud und Max Pechstein. Heute steht an selbiger Stelle das Hotel Nidos Smilte; die drei Villen stehen direkt neben dem Thomas-Mann-Haus, Doppelzimmer ab 58 Euro ( www.smilte.lt ).

Direkt am Strand von Nida liegt das Gästehaus Nidos Seklycia, Doppelzimmer ab 58 Euro ( www.neringaonline.lt ).

In Vilnius bietet das zentral gelegene Hotel Kempinski Doppelzimmer ab 260 Euro an ( www.kempinski.com ).

Sehenswürdigkeiten
Das ehemalige Sommerhaus des Schriftstellers Thomas Mann in Nida ist heute ein Museum und Kulturzentrum ( www.mann.lt ).

Wissenswertes
Die Zeitdifferenz zu Deutschland beträgt im gesamten Baltikum plus eine Stunde. Litauen will 2015 dem Euro beitreten. Bis dahin ist der litauische Litas Zahlungsmittel. Ein Litas entspricht etwa 30 Eurocent.

Allgemeine Informationen
Deutschsprachige Informationen bietet das Litauische Fremdenverkehrsamt in München telefonisch unter 089 / 5 52 53 38 11 oder im Internet unter www.lithuania.travel an.

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