Aus der Stuttgarter Liststraße soll eine verkehrsberuhigte Zone werden – irgendwann. Foto: Archiv Georg Friedel/ 

Seit zehn Jahren will eine Initiative die Stuttgarter Liststraße als Stadtquartier attraktiver machen. Doch es tut sich nichts, das sorgt für Frust. Vom Superblock im Westen grenzen sie sich ab.

Als die Idee erstmals konkret wurde, war die Welt in Stuttgart noch eine andere: Fritz Kuhn (Grüne) war Oberbürgermeister, Huub Stevens trainierte den VfB. Im Lehenviertel machte sich eine Bürgerinitiative daran, die Liststraße umzugestalten. 2015 war das, und wer heute durch die Straße läuft, merkt, dass sich dort nicht sonderlich viel getan hat.

 

„Es hieß immer, es geht los. Aber passiert ist dann nichts mehr“, erinnert sich Berthold Stelzer. Er führte damals die Hubertus-Apotheke und war neben dem Architekten Heinz Lermann einer der Initiatoren. Lermann hatte sogar schon Skizzen angefertigt. Eine Begegnungszone sollte rechts und links der Pelargusstraße entstehen. Mit einem breiteren Gehsteig, mit Bäumen, mit weniger Parkplätzen – aber trotzdem nicht vollständig gesperrt für Autos. Seine Apotheke hat Stelzer 2023 abgegeben, er wohnt in Echterdingen und ist nur noch selten im Viertel. Doch die Idee von „Klein-List“, wie sie ihr Projekt damals nannten, lebt weiter.

Bereits 2015 hat Heinz Lermann erste Skizzen mit seinen Vorstellungen angefertigt. Foto: privat/Heinz Lermann

Die Idee liegt mittlerweile aber in anderen Händen, zum Beispiel bei Petra Zeese. Eine „Macherin“ und „Powerfrau“, wie Stelzer sie nennt. Und vor allem: Architektin und Stadtplanerin. Zeese lebt im Stuttgarter Süden, genau wie ihre Kollegin Heide Buff. Die Profis sind am Werk, haben neben ihrer eigentlichen Arbeit ehrenamtlich weitergeplant, neue Entwürfe erstellt, verworfen, angepasst. Mehrfach waren die Pläne im Bezirksbeirat Süd, sollten von dort aus in den Gemeinderat kommen. Immer blieben sie auf dem Weg durch die Verwaltungsabteilungen irgendwo hängen.

Zu Beginn der Coronapandemie schien es dann, als würde die Sache wieder Fahrt aufnehmen. Im Sommer nach dem ersten Lockdown, als es kaum eine andere Möglichkeit gab, als sich auf der Straße zu treffen, sehnten sich die Menschen nach schönen Treffpunkten im Viertel. Das war 2020. Es habe dann sogar Planungen von städtischer Seite gegeben, das Tiefbauamt nahm sich der Sache an. „Das hat sich aber überhaupt nicht mehr mit dem ursprünglichen Konzept unserer Gruppe gedeckt“, erinnert sich Heide Buff. „Es war einfach nicht mehr unsere Idee.“

„Die zehn Jahre waren extrem frustrierend“

Im vergangenen Herbst dann der dritte Anlauf: Im Bezirksbeirat Süd landete „Klein-List“ nochmals auf der Tagesordnung, die Gemeinderatsfraktion der Grünen beantragte anschließend bei der Stadt, das Vorhaben wieder aufzunehmen. Getan hat sich seitdem nichts mehr. Eine Dekade Stillstand. „Diese zehn Jahre waren extrem frustrierend, weil es wirklich ein überschaubares Projekt ist“, sagt Buff. „Es stürzt die Stadt nicht in ein finanzielles Desaster.“  

Klein-List soll kein Superblock sein

Die Stadt rechnet mit Kosten von rund 700 000 Euro. Theoretisch ist das Geld vorhanden, doch vermutlich liegt hier der Kern des Problems: Der Gemeinderat hat „Klein-List“ Ende 2023 als einen von drei Superblocks in Stuttgart bewilligt. Die Stadt Stuttgart will allerdings kein weiteres solches Projekt angehen, solange der Versuch im Westen noch läuft. Heide Buff dagegen stellt klar: „Klein-List ist kein Superblock.“ Schließlich dürften weiterhin Autos durch die Liststraße fahren.

Hunderte Stunden, so schätzen sie, haben Heide Buff und Petra Zeese mittlerweile in das Projekt investiert. Sie sind vom bürokratischen Hickhack irritiert, der Optimismus schwinde mit der Zeit mehr und mehr. „Es gibt im Moment offenbar keine Struktur, die es ermöglicht, so ein Projekt umzusetzen“, sagt Petra Zeese. Aufgeben wollen sie trotzdem nicht. „Das ist ein Herzensprojekt“, erklärt Zeese. „Die Liststraße hat so viel Potenzial.“ Und, klar, die beiden sind dem Ort emotional verbunden. „Es ist einfach unser Viertel“, sagt Heide Buff. Und die Pläne, mit denen sich arbeiten ließe, gibt es ja ohnehin.

Allzu schnell, so viel ist sicher, wird in der Liststraße trotzdem nichts passieren. Das Amt für Stadtplanung teilt auf Anfrage mit, dass eine Umsetzung im Jahr 2025 nicht möglich sei. Allerdings soll es einen Informations- und Ausspracheabend mit Anwohnern und Interessierten geben – ganz vom Tisch ist „Klein-List“ also auch nicht.

Auch Berthold Stelzer spürt die Verbindung zu Liststraße und Lehenviertel noch, trotz all der Zeit, die vergangen ist. „Ich bin gespannt, ob das Projekt noch was wird“, sagt er und lacht trocken. „Dem Viertel tät’s gut.“