Illustrationen sind für Lisa Rammensee ein Traumjob. Foto: Ines Rudel

Die Illustratorin Lisa Rammensee hat bei der Lesart ihr neues Kinderbuch vorgestellt. Was fasziniert sie an ihrer Arbeit?

Ein liebenswürdiges kleines Wasserschwein-Mädchen namens Capy ist die Hauptfigur in Lisa Rammensees Kinderbuch „Die Papagei-Ei-Rettung“, das die Illustratorin jetzt bei den Esslinger Literaturtagen Lesart im Kommunalen Kino und in zwei Kindergärten vorgestellt hat. Im Interview erzählt die Zeichnerin von ihrer Begeisterung fürs Illustrieren und von ihrem Faible für ungewöhnliche Tiere.

Frau Rammensee, ist das Illustrieren für Sie harte Arbeit oder Vergnügen?

Ein bisschen aus beidem. Im Moment ist es tatsächlich viel Arbeit, weil ich viele Projekte gleichzeitig mache, ich ständig dazwischen hin und her switche und irgendetwas immer dringend fertig werden muss. Aber ansonsten ist das mein Traumjob, und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich den ganzen Tag an meinem Schreibtisch sitzen, in die Natur schauen und dabei tolle Geschichten illustrieren darf.

Wie haben Sie die Hauptfigur, das Wasserschwein Capy, entwickelt?

Ich habe mir mal Skizzen gemacht: Was wäre, wenn ich ein Haustier hätte, das ein skeptisches Wasserschwein ist? Als ich daraufhin über diese Tiere recherchiert habe, habe ich festgestellt, dass es ganz viele Fotos gibt, wie diese Capybaras mit anderen Tieren kuscheln, wie Affen, Katzen, Meerschweinchen auf ihrem Rücken sitzen und mit ihnen schmusen. So kam ich darauf, dass Wasserschweine überhaupt nicht skeptisch, sondern sehr tolerant und sozial sind. Und es entstand das liebenswerte Wasserschwein-Mädchen Capy, das mit Vorurteilen gegenüber anderen Tieren konfrontiert wird. Und das feststellt, dass diese Vorurteile ja gar nicht stimmen: Der Brüllaffe stinkt nicht, der Papagei krächzt nicht komisch.

Überraschen Ihre Figuren Sie auch manchmal?

Ja, denn in der Recherche über die Tiere lerne ich wahnsinnig viel über Verhaltensweisen, die sich oft toll in Charaktereigenschaften von Menschen übersetzen lassen. Und zusammen mit dem Aussehen ergeben sich oft ganz andere Figuren, als sie zu Beginn geplant waren. Wenn der Verlag mir freie Hand gibt, dann mache ich keine Bücher über Hund, Katze und Maus, sondern ich wähle als Charaktere lieber exotische Tiere wie das Wasserschwein oder meine Lieblingstiere, die Erdferkel. Mein nächstes Kinderbuch spielt in Madagaskar, wo ich zehn Monate verbracht habe. Da habe ich Lemuren kennengelernt. Diese Feuchtnasenaffen gibt es eben nur dort und sonst nirgendwo. Also kommen Lemuren vor und viele andere Tiere, die kaum jemand kennt wie die Borsten-Igel Tenreks.

Woher weiß man als Erwachsene, welche Geschichten und Bilder Kinder gerne hören und sehen?

Ich behaupte, dass ich selber noch eine kindliche Sichtweise bewahrt habe. Wenn ich mal selbst Mutter bin, wird das sicher noch einmal einen großen Unterschied machen, wenn ich dann hautnah erlebe, wie ein Kind die Welt sieht, worauf es achtet und worauf nicht.

Als Illustratorin möchten Sie in jedes Bild möglichst viel einbauen?

Ja, klar. Ich möchte Sachen verstecken, damit die Kinder und Eltern auch beim zehnten Anschauen noch Neues entdecken. Das muss man aber an die Altersgruppe anpassen. „Die Papagei-Ei-Rettung“ ist für Kinder ab drei Jahren. Ich hätte sicherlich noch zehn verschiedene weitere Tiere hineingepackt. Es ist gut, dass ich da gebremst wurde. Schön ist, dass ich im Sachbuchteil am Ende noch ein bisschen etwas hineinschmuggeln konnte, was in der Geschichte keinen Platz gefunden hat.

Könnten Sie auch ein Buch illustrieren, dessen Thema Sie selbst nicht interessiert?

Am Anfang hat man als Illustratorin nicht die Wahl, da muss man nehmen, was man bekommt, man muss viel arbeiten, um davon leben zu können. Ich habe mich langsam in eine Position hineingearbeitet, dass ich nicht mehr alles annehmen muss. Das ist sehr privilegiert. Die Anfragen passen immer besser auf das, was ich selber spannend finde. Es wäre eher ungewöhnlich, dass ein Verlag anfragt, ob ich ein Traktorbuch machen könnte. Es liegt im Interesse meines Auftraggebers, dass ich das, was ich zeichne, selber mag.

Was kann bei einem Kinderbuch die Illustration, was der Text nicht kann?

Bilder können alles Ungesagte zeigen. Bilder sind wie eine weitere Sprache, die ganz besonders die Gefühle anspricht und auch über Landessprachen hinweg verständlich ist. Der Text transportiert, auch wenn er noch so schön ist, nur die Hälfte. Vor allem Kinder brauchen das Bild, um selber etwas entdecken und „mitlesen“ zu können, während sie eine Geschichte hören. Und ihnen hilft das Bild, um sich in der Geschichte selber wiederzufinden.

Wenn einem kleinen Wasserschwein ein Papageien-Ei vor die Füße plumpst

Die Illustratorin
  Lisa Rammensee, 1990 in Nürnberg geboren, hat Kommunikationsdesign in Trier und Illustration in Hamburg studiert. Sie illustriert Kinderbücher, Kochbücher und Rezepte. Sie lebt heute in der Altmark in Sachsen-Anhalt auf einem Bauernhof mit Gemüsebeeten, Obstbäumen und Hühnern, ist viel in der Natur unterwegs und liebt ausgedehnte Zoobesuche.

Das Buch
Im südamerikanischen Sumpfgebiet Pantanal plumpst dem Wasserschwein-Mädchen Capy beim Schlammbaden plötzlich ein Papageien-Ei vor die Füße. Gemeinsam mit ihren Tierfreunden startet Capy „Die Papagei-Ei-Rettung“ (Mixtvision, 16 Euro, ab drei Jahren). Idee und Bilder stammen von Lisa Rammensee, den Text hat Sandra Grimm geschrieben.