Lisa Bader an ihrem Arbeitsplatz, dem Restaurant des Hotels Dolder Grand in Zürich. Foto:  The Dolder Grand

Lisa Bader, die junge deutsche Wein-Chefin im Hotel Dolder Grand in Zürich, wurde in der Schweiz gerade mit dem Titel „Sommelier des Jahres“ ausgezeichnet.

Zürich - Mit 26 hat Lisa Bader ihre erste Stelle als Chefsommelière angetreten. Das war im Gesellschaftshaus Palmengarten in Frankfurt. Heute arbeitet die 31-Jährige mit dem Küchenchef Heiko Nieder zusammen. In dem mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurant des Dolder Grand leitet sie den Weinkeller und berät die Gäste.

 

Frau Bader, wie bereitet man sich als Sommelière auf eine Weinprobe so vor, dass man danach stilvoll den Raum verlassen kann?

Alles eine Frage der Konzentration. Und man trinkt ja nicht, sondern spuckt aus. Als erfahrene Sommelière verträgt man auch ein bisschen was. Und wenn man bei einer Verkostung effektiv zwei Gläser Wein getrunken hat, kann man immer noch stehen.

Eigentlich soll man vormittags Weine probieren. Dann sind die Sinne frisch und ausgeruht.

Nicht unbedingt, wenn ich gerade aus dem Bett gefallen bin. Aber es stimmt, vormittags, bevor man Kaffee getrunken hat, ist das Sensorium ausgeruht. Man sollte noch nicht zu viel im Magen haben. Bei leichtem Hunger hat man einen ehrlicheren Geschmackssinn, habe ich die Erfahrung gemacht.

Gibt es Grenzen der Unterscheidungsfähigkeit von Aromen?

Als ich in meinem Metier begonnen habe, hatte ich nach zehn verkosteten Weinen den Eindruck, ich schmecke gar nichts mehr. Inzwischen würde ich sagen, dass ich bei 40 verschiedenen, nacheinander probierten Weinen ziemlich genau die Unterschiede benennen kann. Es kommt auch etwas darauf an, wie viel Zeit ich habe.

Was sagen Sie zu Blindverkostungen?

Die muss ich gerade zwangsläufig viel machen, da ich mich auf die Prüfungen am Court of Master Sommeliers in London vorbereite, bei denen man dann blind je drei Weiß- und Rotweine bestimmen muss.

Zunehmend drängen Frauen in diesen Beruf, finden sich selbstverständlich in 3-Sterne-Restaurants: Magdalena Brandstätter im Waldhotel Sonnora, Marietta Stegbuchner im Überfahrt, Nina Mann im Victor’s Fine Dining.

Ich glaube, dass es in unserer Generation nicht mehr so eine wichtige Frage ist, welchem Geschlecht man angehört. Wichtiger sind Dinge wie Begabung und Ehrgeiz. Und obwohl die Restaurantwelt nach wie vor eine von Männern geprägte Welt ist, wollen die Chefköche ein hohes Niveau in ihrem Umfeld garantiert sehen. Vielleicht haben Frauen sogar ein feineres Gespür oder können sich ein bisschen mehr darauf einlassen, welcher Wein zu einem ihrer Gerichte am besten passt. Und womöglich sind Frauen auch im Umgang mit dem Gast emotional einfühlsamer.

Haben Sie nie Ressentiments erlebt, weil Sie eine Frau sind?

Als ich angefangen habe, mit 24 Jahren, war es schon so, dass mich keiner ernst genommen hat – auch weil ich eine Frau bin. Heute habe ich die Haltung gegenüber dem Gast: Entweder er akzeptiert meine Wein-Empfehlung oder nicht. Ich beziehe das nicht mehr auf mich, mein Geschlecht. Ich weiß, was ich kann, und habe ein entsprechendes Selbstbewusstsein.

Wie kamen Sie zum Wein?

Begonnen habe ich mit einem Studium im Event-Marketing. Durch meine Arbeit im Eventbüro in Frankfurt hatte ich viele Kontakte in der Gastronomie, der Rheingau als Weinbaugebiet war nicht weit. Das hat mich von Anfang an fasziniert. Ich hatte dann die Chance, in einem kleinen französischen Sternerestaurant anzufangen. Im Weinkeller lagerten Weine aus dem Bordeaux, aus dem Burgund, die drei-, viermal so alt waren wie ich. Das hat mich sehr geprägt. Ich habe dadurch sehr viel Respekt, ja, Ehrfurcht vor dem Produkt Wein bekommen.

Hatten Sie eine Art Offenbarung beim Verkosten eines Weines?

Ja, das war, als ich einen Château Talbot, einen Bordeaux aus Saint-Julien, Jahrgang 1986, getrunken habe. Die Flasche hat mir mein damaliger Chef zu meiner Prüfung geschenkt. Ein total ausgewogener Wein, der in keinem Moment langweilig war. Das war ein ganz großes Weinerlebnis.

Stichwort Intensität der Wahrnehmung. Hand aufs Herz: Sind eine Flasche Cheval blanc, eine Flasche Château Ausone es wert, dass man für sie 1000 und mehr Euro ausgibt?

Für die Person, die so einen Betrag dafür ausgibt, in dem Moment vielleicht schon. Ich würde wahrscheinlich nicht das Geld ausgeben. Natürlich sind das großartige Weine, keine Frage. Andererseits zahlt man in diesem Bereich im Bordeaux und im Burgund auch immer für den Brand mit, also den Namen, das Renommee – das ist immer so.

Verraten Sie uns bitte drei Weinentdeckungen der letzten Monate.

Ich habe mich im vergangenen Jahr etwas mehr mit Schweizer Weinen auseinandergesetzt. Die Pinots aus Graubünden haben es mir sehr angetan – zum Beispiel der Pilgrim des Weinguts Möhr-Niggli ist beeindruckend in seiner Präsenz und dem Potenzial in der Jugend. Super war auch ein Chardonnay von Mount Eden Vineyards aus den Santa Cruz Mountains in Kalifornien. Kürzlich hatte ich einen ganz einfachen Wein im Glas, einen Bourgogne Passetoutgrain, einen Burgunder der Domaine Trapet nicht nur mit Pinot, sondern auch mit Gamay. Ein Rotwein, der Spaß macht – und für kleines Geld. Es müssen definitiv nicht immer nur die teuren Weine sein.

Das ist eine beruhigende Botschaft . . .

Unbedingt. Schauen Sie sich die Qualitäten vieler Gutswein-Rieslinge in Deutschland an, das sind Weine oft mit einem fairen Preis, um die zehn Euro. Man möchte ja manchmal einfach nur einen Wein im Glas haben, der Spaß macht und einen nicht furchtbar beschäftigt, der einem seine ganze Lebensgeschichte erzählt. Am Ende ist Wein dafür da, dass man ihn trinkt. Es geht um Genuss.