Die schwer angeschlagene Linkspartei will sich künftig auf die klassische Sozialpolitik konzentrieren, um wieder Profil zu gewinnen.
Ihre prekäre politische Situation wird für die Linkspartei allmählich zum linguistischen Problem. So langsam gehen die Formulierungen aus, um die Lage angemessen zu beschreiben. Der Brandenburger Landeschef Sebastian Walter spricht davon, seine Partei sei bei den Landtagswahlen am Wochenende „zerschreddert“ worden. Angemessen angesichts der Tatsache, dass die Linke zum ersten Mal in einem ostdeutschen Bundesland aus dem Landtag geflogen ist. Der Leitantrag für den Bundesparteitag in Halle nennt die Lage „existenzbedrohend“. Die designierten neuen Vorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken schreiben in einem Konzeptpapier, dass das linke „Haus brennt“.
Alle Hoffnungen ruhen auf den beiden neuen Vorsitzenden
Wo soll also noch Zuversicht herkommen, wenn bundesweite Umfragen die Linke mittlerweile unterhalb der Drei-Prozent-Marke sehen und die Wagenknecht-Truppe von Erfolg zu Erfolg segelt? Anfang Oktober findet in Halle der Bundesparteitag statt. Er soll, nein, er muss zu einem Neustart werden. Personell wird er das auf jeden Fall. Die fleißigen, aber letztlich glücklosen Janine Wissler und Martin Schirdewan räumen den Vorsitz. Das Duo Ines Schwerdtner und Jan van Aken folgen nach. Vor allem auf dem erfahrenen van Aken ruhen große Hoffnungen.
In dem Strategiepapier richten Schwerdtner und van Aken die Linke auf ein Nahziel aus: „Kurzfristig wollen wir bei der Bundestagswahl 2025 wieder in den Bundestag einziehen.“ Klar, aber wie? Darauf gibt es eine technische und eine inhaltliche Antwort. Die technische: Die Linkspartei muss es mindestens schaffen über die Grundmandatsklausel in den nächsten Bundestag einzuziehen, also drei Direktmandate gewinnen. Ganz unmöglich scheint das nicht. In der Partei ist genau registriert worden, dass bei der jüngsten Landtagswahl in Sachsen der erst 28-jährige Nam Duy Nguyen der CDU das Direktmandat abnehmen konnte.
„Fokus, Fokus, Fokus!“
Wie hat er das gemacht? Mit einem überaus engagierten Haustür-Wahlkampf: Klinkenputzen, Gespräche führen, an jeder Pforte klingeln. Das soll zum Vorbild für die ganze Partei werden. Die Linke, auch so ein letzter Hoffnungsschimmer, hat ja Zulauf von jungen Leuten. Die Linke will sich in Halle auf eine Vorwahl-Kampagne verständigen, die auf diese Art von Wähleransprache durch die jungen Linken setzt. In den Kreisverbänden laufen schon Schulungen, um sie für den rhetorischen Nahkampf mit den Wählern fit zu machen.
Dazu braucht es aber Botschaften. In dem Strategiepapier der designierten Vorsitzenden ist die neue Leitidee glasklar beschrieben: „Fokus, Fokus, Fokus.“ Die Linke solle sich wieder erkennbar machen, in dem sie sich auf „wenige Kernforderungen“ konzentriere, „die wir unablässig betonen“. Die soziale Frage „ist und bleibt unser Kern“. Es wird also künftig wieder viel um Mieten gehen, um Kitas und Schulen, um Pflege, allgemein um soziale Gerechtigkeit. Das bedient auch Forderungen, die vor allem die Parteigranden aus dem Osten, wie Gregor Gysi und Dietmar Bartsch, immer gegen diejenigen ins Feld geführt haben, deren Kurs sie für zu zeitgeistig gehalten haben.
Wissler für Vermögensabgabe für Multimillionäre
Es wird eine spannende Frage sein, ob diese Konzentration in der Partei akzeptiert wird. Der Ex-Vorsitzende Bernd Riexinger lobte gegenüber unserer Zeitung Jan van Aken, den er für „sehr qualifiziert“ hält und dessen „Ausstrahlung“ er gut findet. Aber er warnt auch. Eine reine Verengung auf die klassische Sozialpolitik und die traditionelle Industriearbeiterschaft wäre für die Linke „der Weg in den sicheren Untergang“. Er weist darauf hin, dass die Linke neue Wählergruppen anderswo erschließen konnte: „Bei den jungen Leuten aus der Klimaschutzbewegung, bei denen, die aus dem Kampf gegen Rassismus kamen, und auch im Bereich des prekären Dienstleistungssektors.“
Derweil versucht die Noch-Vorsitzende Janine Wissler die Linke tagespolitisch anschlussfähig zu halten. Sie fordert eine „Vermögensabgabe für Multimillionäre“, die für die Kosten der Transformation in der Autoindustrie verwendet werden soll. „Die Autoindustrie hat in Deutschland über Jahrzehnte hinweg immense Gewinne erzielt und einige der reichsten Familien des Landes hervorgebracht“, sagte sie unserer Zeitung. Jetzt sei es ander Zeit, „dass diese Gewinne zur Finanzierung der notwendigen Veränderungen herangezogen werden“.