Lindsey Vonn will bei Olympia 2018 die zweite Goldmedaille ihrer Laufbahn holen. Foto: AFP

Lindsey Vonn ist die Drama-Queen der Spiele in Pyeongchang. Dort will sie endlich ihr zweites Olympia-Gold holen. Am liebsten in der Abfahrt, wie 2010 in Vancouver.

Pyeongchang - Nichts, was Lindsey Vonn anpackt, geht leise. Im Verborgenen. Ohne dass die Welt es mitbekommt. Das liegt daran, dass sie einer der Superstars dieser Olympischen Spiele ist – obwohl sie noch gar nichts gewonnen hat. Es liegt aber vor allem an ihr selbst. Weil es keine andere Skifahrerin gibt, die sich derart gekonnt inszeniert wie sie. Vonn (33) braucht das Licht der Scheinwerfer wie den Schnee, auf dem sie zu sportlichem Glanz fährt. Sie liebt die große Bühne, Auftritte a la Hollywood. Sie ist die Drama-Queen.

Ihr aktuelles Stück läuft in Pyeongchang, der Spannungsbogen ist ausgerichtet auf die Abfahrt am Mittwoch (3 Uhr/MEZ). Vonn beansprucht die Hauptrolle der strahlenden Heldin. Doch auch was bisher passiert ist, bietet schon genügend Stoff für eine gute Geschichte.

Gold für den Großvater

Los ging es mit dem Flug von München nach Seoul. In der Business-Klasse saß der deutsche Eishockeyspieler Yannic Seidenberg neben ihr, der danach ein Selfie in die Welt schickte. Untertitel: „Eine Wintersportlegende und Lindsey Vonn“. Sie hat gerne mitgespielt.

Dann erschien die US-Amerikanerin bei einer extra für sie einberufenen Pressekonferenz mit Hündchen Lucy, aber auch emotional ziemlich angeschlagen. Sie erklärte, unbedingt für ihren im November verstorbenen Großvater Gold holen zu wollen. „Ich wünsche mir sehr, dass ich gut bin – für ihn“, sagte sie und brach in Tränen aus, „ich vermisse ihn sehr, und ich weiß, dass er zusieht.“ Dazu trug Vonn ein Paar dünne, schwarze Handschuhe. Aus Angst vor dem Norovirus: „Ich weiß ja nicht, wer von euch krank ist.“

Partnersuche auf Twitter

Weniger kontaktscheu zeigte sie sich am Valentinstag. Via Twitter ging Vonn auf Partnersuche. Sie hat sich vor ein paar Monaten von ihrem Freund getrennt, einem Football-Trainer – auch, um sich gezielter auf die Winterspiele vorbereiten zu können. Nun schrieb sie: „Es ist Valentinstag. Ist da draußen noch jemand Single und möchte mein Herzbube sein? Einen Versuch ist’s wert.“ Vonn erhielt mehrere hundert Antworten. Einige Nutzer boten ihr sogar die Scheidung von ihren Ehefrauen an, Frankreichs Biathlon-Superstar Martin Fourcade offerierte einen seiner besten Freunde. Ob es zu einem Date kam? Ist nicht übermittelt. Vielleicht ja, weil Lindsey Vonn eine noch wichtigere Mission hat als die Partnersuche.

Nachdem sie Sotschi 2014 wegen eines Kreuzbandrisses verpasst hat, will sie in Pyeongchang endlich ihr zweites Olympia-Gold holen. Am liebsten in der Abfahrt, wie 2010 in Vancouver, allerdings hätte sie auch nichts gegen Rang eins im Super-G einzuwenden gehabt. Dort wurde sie jedoch nicht nur von Snowboard-Weltmeisterin Esther Ledecká abgehängt, sondern auch noch von vier anderen Konkurrentinnen.

Kein Besuch im Weißen Haus im Gold-Fall

Entsprechend schmallippig reagierte Vonn, und dann gab es auch noch eine Attacke aus der Heimat. Die US-Amerikanerin wurde in den sozialen Medien beschimpft, weil sie vor den Spielen erklärt hatte, im Erfolgsfall eine Einladung von Präsident Donald Trump abzulehnen. „Ins Weiße Haus dürfen nur Sieger, keine Nörgler“, hieß es von Trump-Anhängern. Oder: „Du hast bekommen, was Du verdienst.“

Das wollte Vonn nicht so stehen lassen. „Es gibt Leute, die mich hassen und hoffen, dass ich eine Klippe runterfahre und sterbe. Aber das werde ich nicht tun“, erklärte sie, „diese Tyrannen wollen mich fertig machen, doch ich bin nicht fertig. Ich halte an meinen Werten fest, werde nicht nachgeben.“ Das ist eine tolle Haltung – aber das ganze Theater natürlich keine ideale Vorbereitung auf Vonns olympischen Höhepunkt.

Ausrufezeichen hinter die Karriere

Dennoch ist die viermalige Siegerin im Gesamtweltcup, die seit zehn Jahren den Speedbereich dominiert, die Favoritin in der Abfahrt. Das sehen nicht nur fast alle Experten so, sondern auch sie selbst. „2010 war ich eine gesündere Sportlerin, aber jetzt bin ich stärker“, sagte Vonn, „ich habe seit Sommer alles auf Olympia ausgerichtet. Es war das erste, woran ich dachte, wenn ich aufgestanden bin, und das letzte, wenn ich schlafen ging. Ich will ein Ausrufezeichen hinter meine Karriere setzen.“ Die nach den Winterspielen nicht zu Ende sein wird.

Zumindest eine Saison will Vonn noch fahren – um den Rekord von Ingemar Stenmark (86 Siege im Weltcup) zu übertreffen. Nur fünf Erfolge fehlen ihr noch. Und ein Mann. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.