Hamlet auf Klingonisch – kein Problem für den Sprechkünstler Benjamin Stedler. Foto: Lichtgut/Jan Reich

Besuch von einem Außerirdischen: Im Stuttgarter Lindenmuseum trat der Sprechkünstler Benjman Stedler als Klingone auf. Die Zuhörer fühlten sich wie auf einem anderen Planeten.

Stuttgart - Ehrfürchtig blicken die „Trekkies“ zum Pult. Die Fans der Serie Star Trek hören gebannt zu, wie ein maskierter Mann die Sprache der Klingonen spricht, der fiktiven Spezies, die seit Anbeginn zum Inventar der amerikanischen Kult-Serie gehört. Minutenlang krächzt Benjamin Stedler die Laute der kehligen Fantasiesprache in die Weite des Saals und beeindruckt die Fans im Linden-Museum.

Zu dem Auftritt Mitte Oktober kam Stedler unverhofft, denn mit Star Trek hat der 28-jährige eigentlich nichts am Hut. Den Auftrag erhielt er über die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, wo er in diesem Jahr sein Studium der Sprechkunst abgeschlossen hat. Für die Abschlussprüfung sollte er den Text „Das Spiegelbild“ von Annette Droste-Hülshoff zweimal sprechen: einmal klassisch, einmal experimentell. „Mein Thema für die experimentelle Version war Weltall“, so Stedler. Da kam er auf die Idee, es mit Klingonisch zu versuchen – schließlich stammen die Klingonen von einem anderen Planeten. Im Kostümladen kaufte er sich eine Maske, sprach das Stück ein, legte seine Prüfung ab und die Maske beiseite. „Ich dachte eigentlich, die brauche ich nie wieder“, so Stedler. Da täuschte er sich. Zwei Wochen nach der Prüfung meldete sich Tobias Wengert bei ihm, der Organisator des Fantastikfestivals Dragon Days. „Den Kontakt hat ein Dozent von mir hergestellt“, so Stedler.

Weltweit sprechen 20 bis 30 Menschen Klingonisch

Wengert schlug ihm vor, den Hamlet auf Klingonisch vorzutragen. Dem ersten Jobangebot zwei Wochen nach Abschluss stand er zunächst skeptisch gegenüber: „Ich habe ihm gesagt, dass ich die Sprache ja nicht beherrsche, sondern nur ablesen kann.“ Doch schließlich ließ er sich überzeugen.

Im August setzte er sich erstmals mit der klingonischen Hamlet-Fassung auseinander. Als Lernhilfen standen ihm ein Klingonisch-Wörterbuch zur Verfügung und eine Audio-CD, auf der die korrekte Aussprache zu hören ist. „Ich bin den Text zigmal durchgegangen“, sagt Stedler.

Weltweit gibt es 20 bis 30 Menschen, die die Sprache fließend sprechen. Ein amerikanischer Sprachwissenschaftler hat sie in den 1980er Jahren eigens für Star Trek erfunden. Stedler gehört nicht zu diesem erlesenen Kreis. Das Rezitieren der Sprache sei trotzdem gar nicht schwer: „Manche Konsonanten oder Silben spricht man eben anders aus. Schwierig wird es erst, wenn man sie schnell hintereinander sprechen muss.“

Auch Elbisch, die Sprache von Herr der Ringe, reizt ihn

Auch wenn das Projekt für Außenstehende skurril anmutet, nahm Stedler seine Aufgabe ernst. Nicht zuletzt deshalb, weil im Publikum viele Star-Trek-Fans lauschten. „Beim Schauspielern ist es nicht anders: auch wenn man einen Clown spielt, nimmt man seine Sache ernst“, so der 28-jährige, der nach eigenen Worten schon immer gern vor Publikum gestanden hat, sei es im Theater oder bei Debattier-Wettbewerben.

Nur Klingonisch-Profis dürften bemerkt haben, dass Stedler bei seinem Auftritt im Lindenmuseum eine ganze Passage frei erfunden hat. „Mir ist die Kontaktlinse unter der Maske verrutscht und ich wusste nicht mehr, in welcher Zeile ich bin. Dann habe ich einfach irgendwelche Geräusche und Laute von mir gegeben“, erzählt er und lacht.

Die Trekkies waren begeistert vom Vortrag, nahmen Stedler in Beschlag und wollten Fotos mit ihm machen. „Ich wurde sogar zum großen Klingonen-Treffen in Saarbrücken eingeladen“, sagt er. Doch zunächst konzentriert er sich auf seine erste feste Stelle, die er bei der Akademie für gesprochenes Wort angetreten hat. Dort entwickelt er Sprachkunst-Programme für Vernissagen, Museen, Galerien oder Festivals. In Freiburg hat er jüngst eine Fußball-Lyrik-Lesung mit Texten von Ror Wolf und Oskar Pastior gemacht. SC-Trainer Christian Streich war auch mit dabei. Ob er mal wieder einen Auftritt auf Klingonisch plant? „Ich habe mir überlegt, es demnächst mal mit Elbisch zu versuchen“, sagt Stedler nur halb im Scherz. Stuttgarter Fans von Herr der Ringe dürften von der Idee angetan sein.