Die Akteure zeigen wie die Menschen anno dazumal gelebt haben. Foto: Gottfried Stoppel

Beim Limesmarkt in Großerlach-Grab am langen Pfingstwochenende wird die gute alte Zeit gefeiert. Der gewandete Henker indes widerspricht – und erzählt vom Rädern und vom Vierteilen.

Großerlach - Gewandete, fast überall Gewandete. Etwa 250 erwachsene Männer und Frauen sowie ein paar Kinder stecken beim Limesmarkt am Ortstrand von Großerlach-Grab am Pfingstwochenende in den tollsten Kostümen. Und fast alle preisen die (vermeintlich) guten alten Zeiten, auch das Mittelalter. Vor Schaulustigen, einige ebenfalls gewandet, wird geschmiedet, geköchelt, gefärbt und erzählt.

Die Akteure sind von Jan Vogel, er lebt im Nachbardorf Neufürstenhütte, zusammengetrommelt worden. Sie stammen aus allen möglichen Ecken Süddeutschlands und aus dem angrenzenden Ausland. Vogel nennt sich Ratos Uros. Das heiße „der sanfte Auerochse“, berichtet der Kerl in der Keltenkluft und lächelt etwas verlegen. Er sei bei dem Markt das Mädchen für alles.

Sogar ein Quoten-Wikinger ist dabei

Alle Aussteller sind verkleidet – als Kelten und Römer, als Alamannen und sogar ein Quoten-Wikinger ist dabei. Als solcher bezeichnet sich jedenfalls Olaf augenzwinkernd und sagt: „Der Vorname muss reichen.“ Olaf kommt aus Kaiserslautern und pilgert das ganze Jahr über von Markt zu Markt. Er liebe es, in eine andere Rolle zu schlüpfen, erzählt er. „Raus aus dem 21. Jahrhundert“, das ist sein Motto. Anno dazumal sei vieles besser gewesen, sagt Olaf. Es seien jedenfalls keine Fälle von Burn-out dokumentiert. Olaf heizt das Feuer unter einem geschmiedeten Kessel ein. Das Holz brennt, die Flammen lodern, darüber köchelt eine gelbliche Suppe. In dem Topf färbt die Spätalamannin Henni, sie kommt aus der Schweiz, Stoffe mit Hilfe von Birkenblättern und Zwiebelschalen. Sie könne ganz passabel von diesem Handwerk leben, denn in der Alpenrepublik seien die Menschen noch bereit für gute Ware gutes Geld zu geben. Auch Henni tingelt von einem Treffen gewandeter Händler zum nächsten. Sie habe ihre Berufung zum Beruf gemacht, sagt sie und strahlt.

Ein paar Schritte weiter, das nächste Zelt: „Gestatten, Ganglerie“, sagt der Mann im Alamannendress mit ebenfalls unverkennbar schweizerischem Dialekt. Er bringt mit einem einfachen Miniaturofen Bronze zum Schmelzen, müsse dafür geschätzt knapp fünf Stunden lang mit einem handbetriebenen Blasebalken die glühenden Kohlen anfeuern. In einer Werkstatt, sagt Ganglerie, ginge das viel schneller. Aber er bevorzuge die Entschleunigung. Zur Arbeit trinke er gerne Bier, denn Wasser sei unverträglich.

Ein bisschen Wasser in den Honigwein gekippt

An einem Stand wird Met und Metbier ausgeschenkt. Die zahlenden Besucher des Limesmarkts können Bogenschießen oder auf einem Kamel reiten. Beim Verein für erlebbare Geschichte referiert ein Mann mit Kutte über die Historie, er erzählt, dass die Kelten gerne gegessen und gesoffen hätten, denn ihnen sei immer bewusst gewesen: „Wir wissen nicht, wie lange wir noch leben.“ Manche Feste seien zwei Wochen lang gefeiert worden.

Einzig ein Henker aus dem 12. Jahrhundert kippt ein bisschen Wasser in den Honigwein. Wer dem Mann zuhört, der kann nur zu diesem Schluss kommen: Früher war längst nicht alles gut. Der Mann erzählt von Vierteilungen, vom Rädern und vom Sieden der Opfer in heißem Öl.