Amazon-Paket in einem Logistikzentrum. Der US-Riese will Waren noch am selben Tag ausliefern Foto: dpa

Ausgerechnet zum Weihnachtsgeschäft beschleunigt Amazon seine Lieferungen in Stuttgart und weiteren 13 Großstädten. Die Händler wollen Service und Lieferung verbessern, um Kunden zu halten. Diese dürfen sich freuen.

Stuttgart - Im Kampf mit dem Handel im Internet und den Innenstädten zieht Amazon das Tempo an: Der Online-Riese liefert seit Donnerstag Artikel, die am Vormittag bestellt wurden, bereits abends zwischen 18 und 21 Uhr aus. Der Express-Service gilt für 14 Metropolregionen in Deutschland, so auch für die kaufkräftige Region Stuttgart. Rund eine Millionen Produkte können auf diese Weise bestellt werden, für Nutzer des Bezahl-Dienstes Amazon Prime ist die Lieferung ab einem Wert von 20 Euro kostenlos. Ansonsten werden Versandkosten von fünf bis zehn Euro berechnet.

Der Handel in der Region ist alarmiert, aber nicht in Panik. „Das ist nicht der Weltuntergang für den stationären Handel. Amazons Service sehe ich nicht als kaufentscheidend an“, sagt Horst Lenk, Präsident des Handelsverbands Baden-Württemberg und selbst Modeunternehmer aus Pforzheim. Lenk beeindruckt die „logistische Leistung“ des US-Giganten, er kündigt aber Widerstand an. „Wir müssen das mit unseren Stärken bekämpfen – mit Beratung“. Als Beispiel nennt Lenk eine Kundin, die morgens in einem Geschäft ein Kleid kauft, es aber noch ändern lassen möchte – um es abends per Kurier zu Hause zu empfangen. „Das kann der Einzelhandel leisten. Bei uns können die Kunden noch mit den Verkäufern sprechen und die Ware auch anfühlen“, sagt Lenk. „Aber wir müssen unseren Service noch verbessern und zeigen, dass wir auch etwas Ähnliches wie Amazon machen können.“

Osiander bietet bereits einen tagesaktuellen Service

Bei der Buchhandelskette Osiander hat man bereits vor einiger Zeit reagiert und liefert in den Filialen in Tübingen, Reutlingen und der Stuttgarter Innenstadt Bücher noch am selben Tag aus – umweltfreundlich per Fahrradkurier. Doch das ist eine Ausnahme im Handel, geliefert werden auch nur jene Titel, die in den Geschäften vorrätig sind. Doch selbst hier sieht man Amazons Logistik mit Respekt: „Amazon hat den Einzelhandel revolutioniert und auch uns das Laufen beigebracht. Jetzt setzt Amazon ein neues Zeichen – die Händler müssen neue Antworten darauf finden“, sagt Hermann-Arndt Riethmüller von Osiander. Sie müssten ihre Service weiter verbessern und eigene Schwerpunkte setzen. Und lernen, noch schneller zu sein. „Der Kunde hat es gut – er wird davon profitieren.“

Doch die Umsetzung ist oft kompliziert und teuer. So überlegten sich Mitglieder der Stuttgarter City-Initiative, ob ein eigener Lieferservice nach dem Prinzip des Einkaufszentrums Milaneo zu stemmen wäre. Dort kann man die schweren Einkäufe abgeben und sich für knapp sechs Euro in einem Umkreis von 15 Kilometer abends nach Hause liefern lassen. Gerade für Senioren ist das attraktiv. „Das Problem ist, genügend Abgabestellen zu finden und die Logistik und Finanzierung bereitzustellen. Wir überlegen uns, was umsetzbar ist“, sagt Citymanagerin Bettina Fuchs. „Es ist nicht damit getan, dass der Kunde ein paar Euro für die Lieferung zahlt.“

Amazon droht der nächste Streik

Mit Amazons ausgefeilter Logistik können die Händler auch in Zukunft kaum konkurrieren. Neun Standorte hat der Online-Händler derzeit in Deutschland, so auch in Pforzheim. Die rund 10 000 festen Mitarbeiter werden zur Weihnachtszeit mit einem Heer von befristet angestellten Kräften verstärkt, um im umsatzstarken Weihnachtsgeschäft die Waren rechtzeitig liefern zu können. Lieferungen am selben Tag machen die Aufgabe nicht leichter.

Vielleicht springt die Gewerkschaft Verdi den Stuttgarter Händlern zur Seite. Verdi bestreikt wohl auch dieses Jahr wieder das Weihnachtsgeschäft. Schon seit Jahren fordert die Gewerkschaft, Amazon müsse seine Mitarbeiter nach den Tarifverträgen des Einzelhandels und nicht nach denen der Logistikbranche bezahlen. Es kann also gut sein, dass dann Amazons Logistik-Maschinerie erstmals weniger rund läuft. Zumindest aus wirtschaftlichen Gründen dürften die Händler der Region nichts dagegen haben.