Tradition wird im Liederkranz Mettingen großgeschrieben. Zwei historische Fahnen aus den Jahren 1841 und 1849, die für den Stolz der Sänger auf ihren Verein stehen, wurden nun aufwendig restauriert. Künftig werden sie im Esslinger Stadtmuseum zu sehen sein.
Der Liederkranz Mettingen hat eine lange und reiche Tradition: Vor mehr als 180 Jahren gegründet, gilt er als ältester Kulturverein des Esslinger Stadtteils. Und er ist sich seiner Geschichte und seiner historischen Bedeutung bewusst. Der Stolz der Liederkränzler zeigt sich in zwei kunstvoll gestalteten Vereinsfahnen aus den Jahren 1841 und 1891, die künftig im Stadtmuseum zu sehen sind. Mit Unterstützung durch den Geschichts- und Altertumsverein (GAV) ließ man die Fahnen durch die Restauratorin Gabriele Schrade aufwendig überarbeiten – nun wurden diese Zeugnisse einer selbstbewussten Vereinshistorie im Bürgersaal des Alten Rathauses an den Museumsleiter Hansjörg Albrecht übergeben.
Generationen geprägt
Zu seinen besten Zeiten hatte der Liederkranz 70 aktive Sänger, die sich einem hehren Motto verschrieben hatten: „Edlen Wein und reinen Sang ehren wir ein Leben lang.“ Oft hat der Liederkranz seine stimmliche Klasse bewiesen, unvergessliche Veranstaltungen hat der Verein mit seinem Engagement und seiner Musik geprägt. Und noch heute zählt Vorstand Eberhard Sohn rund 80 Mitglieder. Doch an Proben oder gar Konzerte ist derzeit nicht mehr zu denken, weil viele bewährte Mitglieder ihre aktive Sängerlaufbahn altershalber beendet haben und der Nachwuchs ausbleibt. Zum Glück hat Ulrich Clauß, dessen Familie die Vereinsgeschichte über Generationen mit geprägt hat, große Momente der Mettinger Sangeskunst in Tonaufnahmen festgehalten, die Clauß für die Feierstunde im Bürgersaal aus dem Fundus geholt hatte, um die musikalische Tradition nochmals lebendig werden zu lassen.
Dass die Vereinsfahnen des Liederkranzes ins Stadtmuseum gehören, ist für die Kulturwissenschaftlerin Christel Köhle-Hezinger keine Frage. Und weil sie bestens vernetzt ist, hat sie die nötigen Fäden geknüpft. Beim GAV rannte sie offene Türen ein. Der Verein engagiert sich auf vielfältige Weise für die Pflege der Stadtgeschichte, die Bewahrung historischer Schätze und um das Stadtmuseum. Und die Vorsitzende Traute Scheuffelen ist überzeugt: „Es ist wichtig, solche Exponate für die Sammlung des Stadtmuseums zu sichern. Jedes hat seine eigene Geschichte. Wir haben die Restaurierung finanziell unterstützt, weil wir wollen, dass die Vereinsfahnen in gutem Zustand an das Museum übergeben werden.
Schätze in Ehren gehalten
Die Restauratorin Gabriele Schrade hat die beiden Vereinsfahnen, die Generationen von Sängern begleitet haben, mit Sachkenntnis und viel Liebe zum historischen Detail wieder hergerichtet. Dass der Liederkranz diese Schätze stets in Ehren gehalten hatte, war ihnen anzumerken. Größere Schäden waren zum Glück nicht zu beklagen – dennoch gab es vieles, was nach all den Jahren nicht mehr in Ordnung war. Vor allem aber mussten die beiden Fahnen – die ältere ist vorwiegend in goldenen Farbtönen gehalten, die jüngere wurde auf rotem Samt gestaltet – erst einmal sorgsam gereinigt werden. Und dass die jüngere Fahne vor einigen Jahrzehnten schon einmal restauriert worden war, hat die Arbeit der Restauratorin nicht unbedingt einfacher gemacht.
Der heutige Vorstand Eberhard Sohn erinnerte in einem launigen Vortrag daran, welche Bedeutung der Liederkranz für zahlreiche Mettinger, aber auch für den Stadtteil insgesamt gehabt hatte: „Es war ein langer Weg mit vielen Höhepunkten, aber auch mit Tiefschlägen, die wir jedoch alle gemeistert haben.“ Ganz egal, was die Arbeit im Weinberg oder auf dem Feld den Sängern abverlangte – die wöchentliche Singstunde war gesetzt. Umso mehr hat es viele Mitglieder geschmerzt, dass der regelmäßige Singstundenbetrieb vor drei Jahren ausgesetzt werden musste, weil aktive Sänger fehlten. Weiterhin trifft man sich jedoch am Liederkranz-Stammtisch, um auf diese Weise das Vereinsleben zu pflegen. Und ein bisschen bleibt ja noch Sohns Hoffnung: „Vielleicht erlebt das Singen im Verein ja irgendwann wieder eine Renaissance. Wir hätten noch jede Menge Noten im Keller.“
Spannende Forschungen
Als Mettingerin weiß die Professorin Christel Köhle-Hezinger um die Geschichte und Bedeutung des Chorgesangs im Allgemeinen und des Liederkranzes im Besonderen. „Das Phänomen der Überalterung und der Unlust am Singen“ beobachtet sie vielerorts. In einem ebenso fachkundigen wie unterhaltsamen Festvortrag erinnerte sie daran, wie wohltuend der gemeinsame Chorgesang früher für viele war, und sie gab spannende Einblicke in die Entstehung des Liederkranzes Mettingen, dessen Geschichte noch viele offene Fragen birgt. Ihr Fazit: „Der Weg zum vierstimmigen Chorgesang war ein langer.“ Daran, dass daraus auch ein erfolgreicher Weg wurde, erinnern die beiden Vereinsfahnen künftig im Esslinger Stadtmuseum, dessen Leiter Hansjörg Albrecht die restaurierten Exponate im März zu „Objekten des Monats“ machen möchte.
Blick in die Vereinschronik
Gründung
1839 hatten sich junge Männer aus Mettingen zusammengefunden, um sich im vierstimmigen Gesang zu üben. Probenlokal war die so genannte „Welschkornbühne“ am Alten Rathaus in der Innenstadt. Die offizielle Vereinsgründung wird auf 1841 datiert. Ein „Mettinger Singverein“ mit 24 Mitgliedern wird bereits 1840 erwähnt.
Fahne
1840 hatten die Mettinger Sangesfreunde ihren ersten Auftritt im Gasthaus zur Krone in der Pliensau. „Die dort anwesenden Herren höherer Kreise waren erstaunt über den schönen Gesang und spendeten etliche Kronentaler.“ Diese Spende wurde zum Grundstock für den Kauf der ersten Vereinsfahne, die 1841 geweiht wurde.
Höhepunkte
1841 durften die Mettinger Sänger ihre neue Vereinsfahne stolz beim 25-jährigen Regierungsjubiläum von König Wilhelm I. in Stuttgart präsentieren. Ein weiteres Großereignis war 1951 das Sängerfest zum 110-jährigen Bestehen – 2500 Sänger aus dem ganzen Land und mehr als 7000 Gäste wurden damals gezählt.