Der Discounter setzt auf Rabatte, um seine App unters Volk zu bringen. Foto: AFP

Handy-Apps durchleuchten auch bei Lidl die Kunden und bieten individuelle Angebote. Vorbild ist Amazon.

Stuttgart - Immer mehr stationäre Händler versuchen, mit eigenen Smartphone-Apps die Kunden zu durchleuchten. „Die App ist im Kommen und wird zum Tor zum Konsumenten. Die Händler wollen künftig damit einen Teil ihrer Kommunikation steuern und den Kunden personalisierte Angebote und Dienstleistungen bieten“, sagt Marlene Lohmann, Expertin des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI, unserer Zeitung. Vorbild für die zielgerichtete Ansprache seien Online-Händler wie Amazon. „Wer keinen Alkohol oder Katzenfutter will, möchte auch im stationären Handel dafür keine Angebote erhalten.“

Online sei personalisierte Werbung bereits „gang und gäbe“, heißt es beim IT-Branchenverband Bitkom. „Der Werbende erreicht damit eine Zielgruppe, die sich auch wirklich für das beworbene Produkt interessiert. Diese Vorteile lassen sich etwa mit Kundenkarten oder Apps auch im stationären Handel nutzen.“

Rabattcoupon als erster Anreiz

Nachdem Händler wie H&M, Douglas oder Breuninger den Kunden eigene Apps mit zusätzlichen Leistungen zur Kundenbindung bieten, überarbeitet mit Lidl jetzt auch ein großer Discounter seine Strategie. Lidl führt ab diesem Donnerstag in 250 Filialen in Berlin und Brandenburg eine Smartphone-App als digitale Kundenkarte ein, die 2020 deutschlandweit vertrieben wird. Als ersten Schritt erhalten Nutzer Rabattcoupons auf ihr Handy und Preisnachlässe an der Kasse. Handelsexperten gehen aber davon aus, dass Lidl künftig auch personalisierte Werbung und Rabatte anbieten wird und Kunden sich mit ihrem Smartphone orten lassen können, damit sie zu Angeboten in die nächste Filiale gelotst werden.

Ohne Daten in Zukunft keine Effizienz mehr

„Die digitale Kundenkarte von Lidl ist der bisher vielleicht größte Versuch eines deutschen Einzelhändlers, die Daten der Kunden zu sammeln“, sagt Handelsexperte Gerrit Heinemann, Professor an der Hochschule Niederrhein. „Die handelseigenen Apps sind eine Notwendigkeit. In Zukunft kann der Handel nur datenbasiert effizient arbeiten. Es gibt einen irrsinnig großen Nachholbedarf, an Kundendaten zu kommen.“ Der Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg wertet Lidls digitale Kundenkarte auch als Versuch, unabhängig von Payback an Kundendaten zu gelangen. „Für die Kooperationspartner von Paypack ist die Zusammenarbeit auch kostspielig. Und die Daten, die zuerst einmal das US-Unternehmen hat, werden ihnen oft wenig differenziert angeboten.“

Landesdatenschützer Stefan Brink rät den Verbrauchern, sich den Schritt zur digitalen Kundenkarte genau zu überlegen: „Die Kunden sollten sich gut informieren, welche Daten erhoben werden und ob noch andere Unternehmen Daten erhalten. Das gilt aber nicht nur für Lidl. Am Ende muss jeder selbst für sich entscheiden, was ihm seine Privatsphäre wert ist.