2017 ist sie überraschend gestorben: Rosalie im März 2016 bei den Arbeiten zu „Lichtwirbel“ Foto: Schauwerk

7000 Meter Lichtfasern entwickeln sich im Schauwerk Sindelfingen 15 Meter hoch zu einem „Lichtwirbel“. Unser Autor Nikolai B. Forstbauer spürt der Magie des Projektes von Rosalie nach.

Stuttgart - Eine wie keine – das ist Rosalie spätestens, seit sie Ende der 1980er Jahre die Welt mit Dichtungsringen und Bürstenenden zum Blühen bringt und die Allegorie in plastische Figurationen verwandelt.

Wagners „Ring“ als begehbare Skulptur

So überbordend wie präzise ist dann ihre in der Regie von Alfred Kirchner und doch vor allem gemeinsam erarbeitete Neuinszenierung von Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ 1994 in Bayreuth.

Die erste Frau auf dem Grünen Hügel – und sie nimmt ihn nicht im Sturm, sondern verwandelt ihn in eine Installation, in eine begehbare Skulptur, in ein Gesamtkunstwerk.

Und dann? Malt Rosalie, die eigentlich Gudrun Müller heißt und 1953 in Gemmrigheim geboren ist, mit Granulat, lässt 1998 in Düsseldorf die „Flossis“ aus dem Rhein steigen – und findet in den schon in Bayreuth erprobten Lichtfasern ein Material, das sie – mit Rückenwind des Zentrums für Kunst und Medien in Karlsruhe und dessen Direktor Peter Weibel international in die erste Riege der Kunst mit Licht katapultiert.

„Lichtwirbel“-Projekt begeistert Peter Schaufler

2015 stellt sie dem Sammler und Museumsgründer Peter Schaufler ein Projekt eigener Unmöglichkeit vor – das ehemalige Hochregallager in Schauflers Unternehmens-Hallen in Sindelfingen soll Bühne einer 15 Meter hohen Lichtklangraum-Installation werden. Schaufler will die Realisierung, erleben aber kann er sie nicht mehr. Im August 2015 stirbt der Unternehmer, Sammler und Mäzen.

StN-„Ortstermin“ mit Rosalie im April 2016

Die Leserinnen und Leser unserer Zeitung genießen den im März 2016 eröffneten „Lichtwirbel“ im April 2016 bei einem „Ortstermin“ unserer Zeitung. Und Rosalie betont: „Peter Schauflers Begeisterung schon über die ersten Entwürfe und Modelle haben mir für die Detailausarbeitung noch einmal Kraft gegeben“.

Rosen für Rosalie in Wien

Rosenblätter für Rosalie

Ein Dezemberabend in Wien. An der Wiener Volksoper hat – zur gleichnamigen Symphonie dramatique (op. 17) von Hector Berlioz – Davide Bombanas Choreografie „Roméo et Juliette“ Premiere. Als zu Beginn des zweiten Teils Julia zu Grabe getragen wird, lässt Bombana Rosenblätter regnen – eine stille, eine nachdrückliche Verbeugung vor der Stuttgarter Bühnen- und Objektkünstlerin Rosalie.

„Romeo und Julia“-Premiere als Hommage an die Kunst-Grenzgängerin

Mit ihr hatte Bombana in Karlsruhe „Prozess“ (nach Kafka) auf die Bühne gebracht und in ihren Bildern und Kostümen in Wagners „Tannhäuser“ die Ballettszenen erarbeitet. „Romeo und Julia“ soll daran anschließen, 2016 beginnt die Arbeit an dem Projekt. Im Juni 2017 aber stirbt Rosalie. Bühnenbild und Kostüme sind fertig entworfen und werden entsprechend realisiert. Ihr Beitrag – wie stets gedacht als Haltepunkt auf der Reise einer Grenzgängerin der Künste – wird zum Vermächtnis.

Rosenblätter auch auf dem Grab

Davide Bombana reagiert mit der Geste freundschaftlichen Vertrautseins – Rosenblätter bedecken bei der Beisetzung das Grab Rosalies auf dem Stuttgarter Waldfriedhof, Rosenblätter machen bei der „Romeo und Julia“-Premiere Rosalie zu Bombanas Julia.

„Lichtwirbel“ ist Rosalies „TraumTraum“

Im Farbregen

Aus „Lichtwirbel“-Wochen werden Monate, schließlich gar mehr als ein Jahr, nun gar fast zwei Jahre. Doch an diesem Sonntag, 7. Januar, ist endgültig Schluss. Drei Tage also kann man die Lichtlandschaft noch durchwandern, drei Tage sich unter einen Himmel der Kunst legen, drei Tage das Kunst-über-Kunst-Spiel genießen, drei Tage auch überlegen, wie wohl all dies, was man sieht und hört zusammengefügt ist.

Dialog mit experimenteller Musik

„Lichtwirbel“ wird begleitet von Matthias Ockerts Soundinstallation „Cool Tune“ für Computer und Lautsprecher. Und wer mit Rosalie zusammenarbeitet, darf auch selbst Grenzen in Frage stellen. Ockerts Komposition? Basiert auf Lichtdaten aus der Beobachtung von Transneptunialen Objekten durch das Herschel Teleskop. Bereitgestellt hat diese Daten das Max-Planck-Institut Deutschland in Kooperation mit Miriam Rengel.

Ein „TraumTraum“

Im April 2016 nimmt Rosalie die „Lichtwirbel“-Besucher auf ihre Weise mit auf die Reise ins Licht, in den Klang. Sie steht inmitten ihres „Lichtwirbels“ inmitten der auf den Millimeter geplanten Schlaufen der Lichtleitkabel, lacht, und sagt: „Schauen Sie, wie sich das Weiß in ein immer wärmeres Blau wandelt, wie das Orange, das Rot, das Grün hinzutritt, wie Sie das Licht wie ein warmer Farbregen umgibt.“ Was ihr dieses Projekt bedeutet? „Es ist ein TraumTraum“, sagt Rosalie.

Die Hoffnung Licht

„Das Licht ist auch eine Blume“ heißt eine Ausstellung in den Räumen der Ruoff-Stiftung in Nürtingen, die im Mai 2016 einen konzentrierten Blick in die Werkstatt Rosalies ermöglicht. Die Objekt- und Bühnenkünstlerin ist hier ebenso erstmals wieder verstärkt als Malerin zu erleben wie auch der konzeptuelle Grundton ihrer Rauminstallationen bis hin zu „Lichtwirbel“ erfahrbar wird.

Rosalie, in jenen Monaten ständig zwischen internationalen Bühnen, ihrer Professur an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach und ihrem Atelier in Stuttgart unterwegs, spricht von „glücklichen Tagen“. Auch, weil sie spürt, dass ihr im Schauwerk mit „Lichtwirbel“ etwas wirklich Besonderes, ja, Unerhörtes gelungen ist.

Die Sprache der Sterne entdecken

Davon lässt sich auch Brigitte Jähnigen erfassen. Für unsere Zeitung vor Ort, notiert sie: „,Licht ist das Gestaltungsmittel unseres Jahrhunderts, groß dimensionierte Lichtarchitektur ist meine Ausdrucksform’, sagt Rosalie.“ „Mit ,Lichtwirbel’“, so Jähnigen weiter, „will die Künstlerin ,die Sprache der Sterne und des Lichts neu entdecken’. Inspirieren ließ sie sich nicht nur von diesem speziellen Raum, der ,wie eine Zeichnung’ wirkte, auf die sie ,Lichtwirbel’ legte, sondern auch durch das Sonett ,An die Sterne’ des Barockdichters Andreas Gryphius. ,Ich sehe einen Raum, ich lese ein Gedicht, ich höre eine Musik oder ein leeres Blatt’, sagt Rosalie.“

„Lichtwirbel“ lädt zum Innehalten ein

Und Brigitte Jähnigen schließt: „Als Grundmangel unserer Zeit hat Rosalie ,die immer seltenere Fähigkeit zur Konzentration’ ausgemacht. Wer sich der Faszination ihres ,Lichtwirbel’ ergibt, könnte diese Fähigkeit wenigstens momenthaft wiedererlangen“.

Eben dieser Kraft gelten im Dezember 2017 bei der Premiere von „Romeo und Julia“ in der Volksoper Wien die Rosenblätter auf offener Bühne.

„Lichtwirbel“-Finale am 6. und 7. Januar

Zu sehen ist die Rauminstallation „Lichtwirbel“ im Museum Schauwerk in Sindelfingen (Eschenbrünnlestraße 15/1). Letztmals an diesem Sonntag, 7. Januar, von 11 bis 17 Uhr. Auch an diesem Samstag, 6. Januar, ist das Schauwerk von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 8 Euro (ermäßigt 5 Euro. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre sowie Schüler, Studenten und Sozialhilfeempfänger haben freien Eintritt.

Themenführung am 7. Januar um 15 Uhr

Zum „Lichtwirbel“-Finale an diesem Sonntag gibt es noch einmal eine Themenführung. Désirée Unger stellt „Literarische Impressionen zum ,Lichtwirbel’“ vor. Beginn ist um 15 Uhr.