In Stuttgart und in anderen Großstädten Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Wegen der LED-Technik leuchten in diesem Jahr bundesweit mehr Weihnachtslämpchen denn je. Damit liegt Deutschland voll im Trend: Weltweit erhellt künstliches Licht zunehmend die Erde. Das hat Folgen für Tiere, aber auch für Menschen

Stuttgart - Die Weihnachtszeit ist auch die Zeit der Lichter: Rund 17 Milliarden Lämpchen leuchten in diesem Jahr bundesweit. Ob die Zahl ganz genau stimmt, sei dahingestellt – sie basiert auf einer Umfrage unter rund 2000 Bundesbürger, die vom Marktforschungsunternehmen Yougov zu ihren weihnachtlichen Illuminations-Absichten befragt wurden. Da die Umfrage im Auftrag des Energieunternehmens Lichtblick jedoch bereits zum siebten Mal auf die gleiche Weise gemacht wurde, lässt sich eines mit Sicherheit sagen: Die Beleuchtungsdichte steigt rasant an – 2015 waren es gerade einmal neun Millionen Lichtlein.

Der Hauptgrund liegt auf der Hand: Wegen der modernen LED-Technik haben die Lichterketten immer mehr Lämpchen. Dazu passt, dass 71 Prozent der Befragten angaben, ausschließlich oder überwiegend LED-Weihnachtsbeleuchtung zu verwenden. Das führt dazu, dass trotz der gewaltigen lichttechnischen Aufrüstung die Energiekosten sinken. Den Berechnungen von Lichtblick zufolge werden bundesweit aber immer noch 660 Millionen Kilowattstunden Strom für die festliche Beleuchtung verbraucht, die Energiekosten belaufen sich auf 197 Millionen Euro. Im Jahr 2015 waren es noch hundert Kilowattstunden Strom mehr.

In den Niederlanden erleuchten riesige Gewächshäuser den Himmel

Die LED-Technik ist trotz ihres geringen Strombedarfs nicht nur ein Segen für lichthungrige Menschen. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie des Deutschen Geoforschungszentrums (GFZ) in Potsdam verstärken die LED-Lampen offensichtlich noch die weltweite Lichtverschmutzung – gerade weil sie sich so rasant verbreiten. „Die LED-Revoluton hat ein großes Potenzial, um Energie zu sparen und die Lichtverschmutzung zu verringern. Aber das funktioniert nur, wenn wir das gesparte Geld nicht für noch mehr Lampen ausgeben“, kommentiert der GFZ-Forscher Christopher Kyba diese Entwicklung.

Der Physiker und sein Forscherteam haben Daten des Umweltsatelliten Suomi-NPP aus den Jahren 2012 bis 2016 ausgewertet, die ein speziell auf nächtliches Licht geeichtes Strahlungsmessgerät zur Erde schickt. Daraus lässt sich ermitteln, in welchem Ausmaß weltweit die Nacht zum Tag wird. Die Ergebnisse sind so beeindruckend wie bedrückend: Um jährlich 2,2 Prozent vergrößern sich die beleuchteten Gebiete, während gleichzeitig die Helligkeit um 1,8 Prozent pro Jahr zunimmt. Den Kontrast sieht man, wenn man nachts von Südafrika nach Europa fliegt: Während über der stockdunklen Sahara nur ganz vereinzelt Lichter aus Oasen nach oben dringen, schicken die europäischen Städte in weiten Teilen flächendeckend ihr Licht in den Himmel. Besonders beeindruckend sind die riesigen hellen Flächen in den Niederlanden, dort erleuchten Gewächshäuser die Nacht.

Helligkeit bringt das Leben vieler Tiere durcheinander

Im Vergleich zu einem Afrika-Nachtflug vor einigen Jahren zeigt sich, dass heute in den dichter besiedelten Regionen weit mehr Lichter strahlen als früher. Diesen Trend bestätigen die Forscher in ihrer wissenschaftlichen Veröffentlichung im renommierten Fachblatt „Science Advances“: „Mit wenigen Ausnahmen fand die Beleuchtungszunahme in Südamerika, Afrika und Asien statt“ – die Regionen waren früher kaum von der Lichtverschmutzung betroffen.

In dicht besiedelten Gebieten in Nordamerika und Europa, aber auch in Asien hat die Lichtintensität hingegen kaum zugenommen – dort dürfte eine Sättigung erreicht sein. Während die Lichtintensität in den Stadtzentren mancherorts sogar geringer wurde, nahm sie in den Randzonen weiter zu, weil die Städte größer wurden und zuvor schwach beleuchtete Gebiet stärker ausgeleuchtet wurden. Für viele Tiere bleibt die intensive nächtliche Beleuchtung nicht ohne Folgen. Das zeigt schon ein Blick auf die um die Laternen schwirrenden nachtaktiven Insekten. Die Beleuchtung mag Vorteile für Jäger wie Hornissen und Spinnen haben, das Leben vieler an Sternen- oder allenfalls Mondlicht angepassten Nachtinsekten wird dagegen gründlich durcheinandergebracht – für nicht wenige wird das Licht zur tödlichen Falle. Auch einige Vögel machen die Nacht inzwischen zum Tage. Das kann man im Frühjahr in der hell erleuchteten Stuttgarter Innenstadt hören, wenn plötzlich nachts die Amseln singen.

Problematisch kann eine intensive Beleuchtung vor allem für nächtliche Zugvögel werden: Sie werden von den vielen Lichtern so irritiert, dass sie vom normalen Zugweg abkommen und Umwege fliegen oder gar notlanden müssen. Das kostet wertvolle Energie, was ihre Überlebenschancen mindern könnte, warnen Vogelkundler. Von frisch geschlüpften Schildkröten wiederum ist bekannt, dass sie früher zum Meer wanderten, heute dagegen oft hell erleuchtete Hotels und Strandpromenaden als Ziel wählen – und dort elend sterben.

Licht kann auch die innere Uhr des Menschen stören

Wie stark die Lichtverschmutzung den Menschen beeinträchtigt, lässt sich bisher nicht eindeutig nachweisen. Negative Effekte sind jedoch keineswegs von der Hand zu weisen, insbesondere wenn man in einer hell beleuchteten Straße wohnt und die Jalousien nachts nicht ganz schließt – was in heißen Sommernächten kaum jemand tut. Studien zufolge kann zu viel Licht in der Nacht die innere Uhr so durcheinanderbringen, dass es zu Hormonstörungen kommt. Das kann chronische Schlafstörungen und diverse Krankheiten auslösen.

Doch mit der LED-Technik könnte in Zukunft die Lichtverschmutzung gerade in dicht besiedelten Regionen vielleicht auch wieder abnehmen. „Andere Studien sowie die Erfahrungen, die in Städten wie Tucson im US-Bundesstaat Arizona gemacht wurden, zeigen, dass gut gemachte LED-Lampen die Lichtemissionen um zwei Drittel oder noch stärker absenken können – ohne dass dies für die menschliche Wahrnehmung einen messbaren Effekt hätte“, erläutert Kyba. Und damit wirkt sich das auch nicht auf die Sicherheit von Menschen aus, die in der Nacht unterwegs sind.