Zwei Bretter am Fuß statt Geldkoffer in der Hand: Skifahren in Malbun. Foto: Martin Cyris

Wer früher nach Liechtenstein reiste, kam nur aus einem Grund: Geld . Jetzt will man Gäste locken.

Prächtige Aussichten wären das, hinge an diesem Vormittag nicht eine dicke Nebelsuppe überm Rheintal. Halb Liechtenstein versinkt im grauen Dunst. Auch die Gipfel gegenüber der Terrasse des Park-Hotels Sonnenhof geben sich ganz verschleiert. Drinnen helfen kuschelige Sitzecken und allerlei Nippes, den Seelenfrieden trotz trüben Wetters zu retten.

Apropos verschleiern: Der eine oder andere Besucher des Fürstentums hatte in der Vergangenheit eindeutige Absichten. Stichwort Steuerparadies. Als Schlupfloch für diskrete Geldanlagen kam das kleine Land zu Reichtum – und ins Gerede. Doch auf politischen Druck hin war im vergangenen Jahr Schluss mit allzu paradiesischen Zuständen. Liechtenstein lockerte sein Bankgeheimnis.

Während sich die Business-Macher nach wie vor eher zugeknöpft geben, macht manch weibliche Begleitung kein Geheimnis aus ihrem Haben: Zwei Turboblondinen stöckeln das Frühstücksbüfett im Hotel entlang. Und entschädigen die männlichen Gäste für das entgangene Gebirgspanorama. Augenscheinlich legt so mancher Gast sein Geld nicht nur wert-, sondern auch luststeigernd an: in Silikonkurven für die Herzdame.

Das Park-Hotel Sonnenhof in der Hauptstadt Vaduz ist nicht nur die Adresse für die Reichen und Getunten. Auch internationale Prominente aus Politik und Unterhaltung lassen sich verhätscheln. Der englische Komiker John Cleese etwa logierte hier mehrfach. Ebenso Ex-Außenminister Joschka Fischer und der Bestsellerautor Paulo Coelho. Das Hotel liegt nur wenige Gehminuten vom tausendfach fotografierten Fürstensitz und den wichtigsten Finanzinstituten. "Es war ein Schock für uns", sagt Hubertus Real, Besitzer und Küchenchef des Park-Hotels. Er meint das Steuerabkommen mit Deutschland, das nach dem Skandal 2008 in die Wege geleitet wurde. Liechtenstein werde nicht mehr so sein wie davor. Die Gastbetriebe in und um Vaduz hatten sich lange Zeit fast ausschließlich auf die Bankenklientel konzentriert. Doch die ging erst mal in Deckung. "Der normale Tourismus wurde zugunsten der Business-Menschen lange vernachlässigt", meint Real. Kein Zufall, dass die Vaduzer Innenstadt unterkühlt daherkommt. Funktionales Geschäftsambiente dominiert. Das moderne Kunstmuseum und ein multimediales Infozentrum für Touristen sollen die Aufmerksamkeit nun auf die schönen Dinge des Lebens lenken. Davor standen weiche Faktoren kaum auf der Agenda derer, die mit Gästen Geld verdienen. Der Wellnesstrend etwa wurde lange verpennt.

Hotelchef Real begriff den Schock als Chance und hat sein Haus umgekrempelt. Das fantasievolle Hotelschwimmbad im marokkanischen Stil etwa ist ein geglückter Versuch, in Sachen Wellness aufzuholen. Weil immer mehr Geschäftemacher und Geldkofferträger ausbleiben, setzen er und die Tourismusmanager des Kleinstaats verstärkt auf Privaturlauber. Motto: Mehr Kissen und Kerzen, weniger Flipcharts und Overheads. Betütteln und zuhören statt diskret weghören.

"Mit uns verbindet man oft nur den Finanzplatz", sagt Martina Michel-Hoch von Liechtenstein Tourismus, "dabei haben wir einiges mehr zu bieten, zum Beispiel Kunst, Kultur und Kulinarik." Dahin sollen die Besucherströme künftig gelenkt werden. Der Kurswechsel scheint zu funktionieren: "Zu uns kommen immer mehr deutsche Privatleute, die uns erzählen, dass sie sich nun trauen würden, nach Liechtenstein zu fahren", sagt Hubertus Real. Früher hätten Aufenthalte im Fürstentum eher Misstrauen geweckt.

Etwas anders gestaltet sich die Situation ein paar Autominuten und ungezählte Kurven von Vaduz entfernt: Die Gemeinde Triesenberg bietet zahlreiche Möglichkeiten für das, was draußen im Winter Spaß macht. Hier bemüht man sich schon seit längerem um Gäste, die statt dicken Geldbündeln dicke Winterklamotten im Koffer haben. Im Dorf Steg etwa, das zu Triesenberg gehört, beginnt eine Langlaufloipe. Die Strecke gilt wegen ihrer wohlgeratenen Präparierung und ihrem romantischen Verlauf durchs Valünatal als Geheimtipp im nördlichen Alpenraum.

Die Serpentinenstraße durch Triesenberg endet auf 1600 Meter Höhe in Malbun. Der Ort liegt am Ende eines Hochtals und wird von sanften Bergflanken eingerahmt. An diesen Hängen unterhalb des Sareiserjochs, des Silberhorns und der Nospitz befindet sich das einzige Skigebiet Liechtensteins. Topografie und Luftströme sorgen dafür, dass sich in der kälteren Jahreszeit im Rheintal nicht selten dicker Talnebel bildet, während weiter oben blauer Himmel herrscht. Die Blicke der Skifahrer werden dann auf das faszinierende Nebelmeer gelenkt.

"Lustkurven" – der Werbeclaim des Liftbetriebs macht Appetit auf genussvolles Brettlvergnügen. Die Pisten sind allerdings nicht unbedingt dafür geschaffen, adrenalinsüchtigen Ski-Cracks den ultimativen Kick zu geben. Die Abfahrten geben sich gemütlich, familientauglich. Ein moderner Skipark für Kinder ist der ganze Stolz des Dorfes – und war das i-Tüpfelchen für Malbun, das vom benachbarten Schweizer Tourismusverband das strenge Gütesiegel "Familien willkommen" erhielt. "Das ist kein wertloses Abzeichen, sondern eine Auszeichnung, die uns viel abverlangt und permanent kontrolliert wird", sagt Rainer Gassner, der Geschäftsführer der Bergbahnen. Familien könnten sich deshalb darauf verlassen, dass sie in Malbun gut aufgehoben sind. Zu den Features zählen auch Annehmlichkeiten für den Nachwuchs in den Hotels. Etwa Frühstücksbüfetts in Kinderaugenhöhe oder vorgeschmierte Butterbrote, damit die Kleinen nur noch ihre Lieblingssalami draufbefördern müssen.

In seinem Leben schon einiges befördert hat auch Noldi Beck. Nämlich in das Liechtensteiner Ski- und Wintersportmuseum. In 20Jahren konnte Arnold Beck, wie er bürgerlich heißt, eine Sammlung zusammentragen, die in Europa einmalig sein dürfte. "Vielleicht auch weltweit", murmelt Beck, der eine gewisse Zeit zum Auftauen benötigt, aber dann umso enthusiastischer in Erinnerungen schwelgt. Besucher führt der Chef höchstpersönlich. Nahezu lückenlos wird der moderne Skisport auf der zweigeschossigen Ausstellungsfläche dokumentiert. Von den 4500 Paar Ski, die Noldi Beck gesammelt hat, kann nur ein Teil gezeigt werden. Der ganze Stolz des Museumsleiters sind freilich originale Erinnerungsstücke von Skikanonen wie Toni Sailer, Willi Forrer oder Alberto Tomba.

Noldi Beck gehörte einst zum Betreuerteam des ehemaligen Skistars Hanni Wenzel, der allerersten Olympiasiegerin Liechtensteins. Seine gut geschliffenen Kontakte in den Skizirkus halfen, das Skimuseum zu einer Attraktion zu machen. Ob er den Trubel bei den heutigen Skiweltcuprennen in seinem ruhigen Museum nicht vermissen würde? "Nee, pfui Teufel." Spricht’s und streckt dabei die Zunge raus. "Früher war alles viel gemütlicher und kollegialer", sagt Noldi Beck, "heute geht’s doch nur noch ums Geld." Geld ist eben auch in Liechtenstein längst nicht alles.

Liechtenstein

Anreise
Mit dem Auto über die A8 bis Ulm/Elchingen, dort weiter auf der A7 bis zum Kreuz Memmingen, dort auf die A96 Richtung Bregenz wechseln. In Österreich auf der A14 bis Ausfahrt Feldkirch, dort auf der Schweizer Autobahn A13 der Ausschilderung nach Frastanz und Vaduz folgen.

Unterkunft
Die Zimmer und Suiten im Park-Hotel Sonnenhof in Vaduz sind individuell und unterschiedlich eingerichtet – von Boutique- bis Kolonialstil. Ein Doppelzimmer gibt es ab 320 Schweizer Franken pro Nacht (derzeit circa 210 Euro) inklusive Frühstück (www.sonnenhof.li). Eine etwas günstigere, dafür topmoderne Unterkunft in der Fußgängerzone ist das Residence Designhotel. Doppelzimmer: 150 bis 320 Schweizer Franken (118 bis 253 Euro, www.residence.li). Rustikales Alpenambiente unterhalb des Skigebiets in Triesenberg-Malbun im Alpenhotel Malbun, 90 Franken/72 Euro pro Person im Doppelzimmer, www.alpenhotel.li.

Skifahren
Im Skigebiet Malbun-Steg kostet eine Tageskarte in der Hauptsaison 45 Schweizer Franken (circa 35Euro) für Erwachsene sowie 29 Franken (23 Euro) für Kinder. Die Sieben-Tage-Familienkarte für zwei Erwachsene plus Kinder unter 18 Jahren ist für 621 Schweizer Franken zu haben (ca. 492 Euro). Schneebericht und weitere Infos unter: www.bergbahnen.li

Wintersportmuseum
Im Liechtensteiner Skimuseum wird die Geschichte des Wintersports vom Ursprung bis zur Gegenwart dokumentiert. Die Ausstellung ist Montag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt: 4 Euro für Erwachsene, 2 Euro für Kinder. Gruppen werden gerne geführt. Anmeldung unter Telefon 00423/ 2321502, www.skimuseum.li

Was Sie tun und lassen sollten
Auf keinen Fall sich vom funktionalen Bankenambiente abschrecken lassen. In der Vaduzer Innenstadt steht mit dem Kunstmuseum ein Haus von überregionaler Bedeutung. Momentan ist eine Sammlung des Fürsten zu sehen. Auf jeden Fall sich bei Diskussionen mit Einheimischen zurückhalten. Besonders bei zwei Dingen verstehen die Liechtensteiner keinen Spaß. Erstens beim Fürstenhaus – die Adelsfamilie ist über jeden Zweifel erhaben. Zweitens beim Thema Ankauf der Steuer-CDs. Geldanlagen in Liechtenstein werden allgemein nicht als Steuerflucht, sondern als probates Mittel gegen überhöhte Steuern in Deutschland gesehen.

Allgemeine Infos
Auskünfte und Prospektmaterial gibt es bei Liechtenstein Tourismus, Städtle 37, FL-9490 Vaduz, www.tourismus.li