Ein Rekrut aus Frankenberg hält sein G36-Sturmgewehr von Heckler & Koch in den Händen. Solche sind auch in Libyen gefunden worden. Foto: dpa

G-36-Waffen von Heckler und Koch in Libyen: Bundesregierung fragt in Kairo nach.

Berlin/Stuttgat - Die Bundesregierung hat den Eindruck erweckt, illegal nach Libyen ausgeführte Sturmgewehre vom Typ G36KV des Oberndorfer Herstellers Heckler und Koch seien aus ägyptischer Quelle in das nordafrikanische Land gelangt. In der Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele heißt es, dass die in der Hand libyscher Rebellen aufgetauchten Waffen offenbar aus einem genehmigten Export des Herstellers Heckler und Koch nach Ägypten in den Jahren 2003 und 2004 stammen.

Recherchen unserer Zeitung hatten ergeben, dass die Gewehre 2003 in Oberndorf hergestellt worden sind. Ebenso, dass sie sich spätestens seit 2005 in den Arsenalen des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi befanden. Dort fielen sie vor wenigen Wochen den vorrückenden Aufständischen in die Hände.

Die Bundesregierung schreibt nun: "Da es auf Grund der Angaben von Heckler und Koch hinreichende Anhaltspunkte dafür gibt, dass die in Libyen aufgefundenen G-36-Gewehre aus Ägypten stammen, hat die Bundesregierung die ägyptische Regierung offiziell um eine Stellungnahme zu dem Sachverhalt ersucht." Eine Genehmigung zum Weiterexport sei bei der Bundesregierung "weder beantragt, noch von ihr erteilt worden".

Grünen-Parlamentarier Ströbele sagte dazu: "Es bleiben noch viele Fragen offen." So lasse die Regierung offen, ob sie unter Umständen nach ihrer Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zum Libyen-Krieg unter Druck gestanden habe, den Rebellen wenigstens Material zu liefern beziehungsweise indirekt liefern zu lassen.

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft prüfe derzeit, ob ein Anlass für Ermittlungen gegeben sei

Mit Blick auf den Waffenhersteller Heckler und Koch sagte der Grüne: "Ich erwarte von der Bundesregierung die ernsthafte Prüfung, ob dieses Unternehmen noch die rechtlich erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Vieles spricht meines Erachtens dafür, dass künftige Exportanträge dieses Unternehmens generell nicht mehr genehmigungsfähig sind."

Heckler und Koch hat kurz nach dem Auftauchen der Gewehre Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft sagte dazu unserer Zeitung, sie prüfe derzeit, ob ein Anlass für Ermittlungen gegeben sei.

Dass nun Ägypten in den Fokus rückt als Quelle für die illegale Waffenlieferung nach Libyen, ist kein Zufall. Die "Bild am Sonntag" hatte kürzlich über das - in den Rüstungsexportberichten der Bundesregierung offen dokumentierte - legale G-36-Geschäft mit Ägypten berichtet und dieses eine "heiße Spur" genannt. Bis heute liegt allerdings kein Nachweis vor, dass die Waffen tatsächlich diesen Weg nach Libyen genommen haben.

Wird die Verantwortung für die Lieferung Ägypten zugeordnet, fällt sie auf das Regime Husni Mubaraks, nicht auf die aktuelle Übergangsregierung zurück. Der 83-jährige Mubarak wurde nach fast drei Jahrzehnten an der Macht im Frühjahr gestürzt.