Über der Rebellen-Hochburg Bengasi stürzt ein libyscher Kampfjet ab. Foto: dpa

Viele Zivilisten wurden bei Kämpfen um die Rebellen-Hochburgen Bengasi und Misurata getötet.

Tripolis/Kairo - Militärschläge sollen den libyschen Staatschef Gaddafi zur Räson bringen. Doch der exzentrische Diktator sieht sich in einem Krieg mit den "neuen Nazis" und greift weiter Rebellen-Städte an. Allein in Bengasi sollen seine Truppen 90 Menschen getötet haben.

Mit massiven Luftschlägen gegen die Truppen von Machthaber Muammar al-Gaddafi hat ein internationales Militärbündnis in den Libyen-Konflikt eingegriffen. Kampfjets und Marschflugkörper der amerikanischen, französischen und britischen Streitkräfte zerstörten Flugplätze, Luftabwehrstellungen, Waffendepots, Panzer und Militärlastwagen in den von Gaddafi kontrollierten Landesteilen. Während der Diktator am Sonntag einen "langen, ruhmreichen Krieg" gegen die "Kreuzritter" und "neuen Nazis" ankündigte, griffen seine Truppen weiter die Aufstands-Hochburgen Bengasi und Misurata an. Dutzende Zivilisten wurden dabei getötet.

Der internationale Militäreinsatz stützt sich auf eine UN-Resolution, die den Einsatz aller notwendigen Mittel erlaubt, um die libysche Zivilbevölkerung vor den Angriffen der Gaddafi-Truppen zu schützen. Die erste Angriffswelle begann am Samstagnachmittag, unmittelbar nach einem Libyen-Gipfel in Paris, bei dem internationaler Spitzenpolitiker die Umsetzung der UN-Resolution erörtert wurde.

Dutzende Zivilisten getötet

Französische Kampfflugzeuge bombardierten Panzer bei Bengasi, amerikanische und britische Raketen und Marschflugkörper schalteten wenig später libysche Luftabwehrstellungen aus. Auch 19 US-Kampfjets waren nach Angaben des Pentagon beteiligt, darunter auch mehrere Stealth-Tarnkappenbomber. Dem staatlichen libyschen Fernsehen zufolge wurden 48 Menschen getötet und 150 weitere verletzt. Am Sonntag bombardierte die Allianz Flughäfen und andere militärische Ziele.

Der dermaßen bedrängte Gaddafi kündigte in einer Ansprache aus seinem Versteck einen langen Abwehrkampf an. "Dies ist nun eine Konfrontation des libyschen Volkes mit Frankreich, Großbritannien und den USA, mit den neuen Nazis", erklärte er am Sonntag in der nur im Ton vom Fernsehen übertragenen Rede. Alle Libyer würden sich nun bewaffnen, nachdem die Rüstungsdepots für sie geöffnet worden seien.

Im Krieg gegen die "Kreuzritter" werde "das ganze Mittelmeer zum Schlachtfeld", drohte Gaddafi. Die Kriegsgegner bezeichnete er als "Monster" und "Kriminelle". "Ihr werdet stürzen, wie Hitler gestürzt ist. Alle Tyrannen stürzen."

Einem Bericht der arabischen Tageszeitung "Al-Sharq Al-Awsat" vom Sonntag zufolge stießen die Rebellen beim Flughafen von Bengasi auf Behälter mit einer giftigen Substanz. Ihre Behauptung, Gaddafi habe damit einen chemischen Krieg gegen sie führen wollen, ließ sich allerdings nicht erhärten.

Gaddafi-loyale Truppen setzten am Sonntag ihre Angriffe auf das von ihnen eingeschlossene Misurata fort. Die Stadt würde von drei Seiten mit Artilleriegeschützen beschossen, sagte ein Bewohner der BBC. Panzer würden ins Stadtgebiet vorrücken. Auch Wohngebiete lägen unter schwerem Feuer. Ein Sprecher der Rebellen sagte, Misurata werde in Grund und Boden geschossen. Die Lage für die Zivilbevölkerung werde dort immer dramatischer.

Noch vor Beginn des internationalen Militäreinsatzes hatten Gaddafis Truppen einen Überraschungsangriff auf Bengasi unternommen. Die Kämpfe reichten bis drei Kilometer ans Zentrum der Stadt heran, berichtete ein Korrespondent des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira. Mindestens 90 Menschen kamen dabei ums Leben, sagten Krankenhausärzte.

In den Straßenschlachten gelang es den Aufständischen, die Attacke zurückzuschlagen. Auf der Seite der Gaddfi-loyalen Kommandos kämpften offenbar auch Gaddafi-Anhänger aus Bengasi selbst, die eigens aktiviert worden waren. Die Aufständischen töteten mehrere Angreifer und erbeuteten mindestens zwei Panzer, schossen aber auch irrtümlich ein eigenes Kampfflugzeug ab.