Mund auf, Stäbchen rein, Spender sein – so lautet schon der Slogan der DKMS. Das klingt einfach. Es ist aber tatsächlich nur der Anfang: Den Wangenabstrich braucht es, um die Gewebemerkmale des potenziellen Spenders festzustellen Foto: Fotolia/© Henrik Dolle

Ein Wattestäbchen in den Mund nehmen, und das war’s. Es ist eine ganz einfach Geschichte – so hat der leukämiekranke FDP-Politiker Guido Westerwelle in einer Talk-Show für die Registrierung als Knochenmarkspender geworben. Experten erklären, was es heißt, tatsächlich Spender zu sein.

Stuttgart/Tübingen - Der Auftritt von Guido Westerwelle hat gewirkt: „Die Sendung hat der DKMS 4600 neue Bestellungen von Registrierungs-Sets eingebracht. Juhuu!“ twitterte am Montag hocherfreut eine Mitarbeiterin aus der Tübinger Zentrale der Deutschen Knochenmarkspenderdatei, wie der volle Name der DKMS lautet. Ja, man sei zufrieden, sehr sogar, heißt es dann aus der Presseabteilung. „Es ist schon toll, was der Auftritt von Herrn Westerwelle bewogen hat“, sagt der Sprecher Klaus Ludwiczak. Eine Stunde lang hat der ehemalige FDP-Chef in der Talkshow von Günther Jauch über seine Leukämieerkrankung gesprochen – und dabei die Werbetrommel für die DKMS gerührt: „Denken Sie bitte über eine Stammzellenspende nach“, sagte er. Zwar sei die Wahrscheinlichkeit, dass man jemals als Spender in Betracht komme, sehr gering. „Aber es kann passieren – und dann haben Sie ein Leben gerettet. Das ist doch schön.“

Mund auf, Stäbchen rein, Spender sein – so lautet schon der Slogan der DKMS. Das klingt einfach. Es ist aber tatsächlich nur der Anfang: „Den Wangenabstrich braucht es, um die Gewebemerkmale des potenziellen Spenders festzustellen“, sagt Ludwiczak. Diese Gewebemerkmale sind genetisch festgelegt und können im Labor genau bestimmt werden. Die Ergebnisse werden dann in einer Datenbank gespeichert. Derzeit sind bei der DKMS knapp 5,8 Millionen Spender auf der ganzen Welt registriert. Wann und wo auch immer ein Leukämiekranker eine Stammzelltransplantation braucht, werden dessen Gewebemerkmale mit den in der Datenbank gespeicherten abgeglichen.

Bei höchstens fünf von hundert Spendern kommt es auch zu einer Spende

Statistisch gesehen, haben höchstens fünf von hundert Spendern in den zehn Jahren nach ihrer Registrierung die Chance mit seinen blutbildenden Zellen einem Leukämiekranken Menschen das Leben zu retten, heißt es bei der DKMS. In mehr als 52 000 Fällen hat es auch funktioniert – darunter bei Guido Westerwelle, aber auch bei der jungen Stuttgarterin, die in der Talkshow neben ihm saß. Eva Fidler wurde in der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin Klinikum Stuttgart behandelt. Der Ärztliche Direktor Gerald Illerhaus weiß um die medizinischen Risiken, die eine solche Transplantation mit sich bringen kann – nicht nur für den Empfänger, sondern auch für den Spender.

„Es gibt zwei Möglichkeiten, wie die Stammzellen entnommen werden können“, sagt Illerhaus. Entweder direkt aus dem Knochenmark oder – wie es in den meisten Fällen mittlerweile gemacht wird – aus der Blutbahn. Die Entscheidung, welches der beiden Verfahren beim Spender angewandt wird, hängt unter anderem davon ab, von woher das Präparat kommt. „Knochenmark lässt sich besser über längere zeit transportieren als aus dem Blut gewonnene Stammzellen“, sagt Illerhaus.

Die erste Methode gleicht einer Operation: Der Spender wird unter Vollnarkose gesetzt, erst dann wird aus dem Bereich der Beckenknochen das Knochenmark abgezogen. „In der Regel bleibt der Spender noch für etwa ein bis zwei Tage im Krankenhaus“, sagt Illerhaus. Auch danach ist er noch eine Weile krankgeschrieben. Schmerzen sind möglich, „sie sind aber meist nach wenigen Tagen wieder verschwunden“, so Illerhaus. Auch Komplikationen sind selten: Der Experte schätz, dass dies nur bei etwa einem Prozent der Fälle vorkommen könne.“

In 80 Prozent der Fälle werden die Stammzellen aus dem Blut abgefischt

Diese medizinisch etwas aufwendige Prozedur der Knochenmarktransplantation, ist aber nur noch selten fällig. „In 80 Prozent der Fälle reicht es, die Stammzellen aus dem Blut des Spenders zu fischen“, sagt Gerald Illerhaus. Damit sich dort genügend Zellen finden, bekommt der Spender über fünf Tage hinweg ein Wachstumshormon gespritzt, um die Vermehrung seiner Blutstammzellen zu stimulieren. „Normalerweise wird dieser Wachstumsfaktor gut vertragen“, sagt Illerhaus. Nur bei einigen Spendern führt es zu grippeähnlichen Gliederschmerzen – die aber nie länger als einige Tage anhalten.

Die Stammzellenspende an sich verläuft recht unproblematisch: „Der Spender legt sich auf eine Liege, das Blut wird daraufhin von einem Arm zum anderen durch ein Gerät geleitet, in dem die Stammzellen durch eine Art Zentrifuge abgetrennt werden“, sagt Illerhaus. Nach etwa wenigen Stunden ist die Prozedur vorbei. Die entnommenen Zellen werden nochmals gründlich untersucht und dem Leukämiepatienten möglichst frisch injiziert. Dann, so Illerhaus, „hilft nur noch warten.“ Darauf nämlich, ob die neuen Zellen, den Körper des Patienten auch akzeptieren. Zumindest bei Eva Fidler kann Gerald Illerhaus sagen: „Es sieht gut aus.“

So viele Menschen erkranken jährlich an Leukämie

Leukämie

Blutkrebs oder Leukämie ist der Oberbegriff für bösartige Erkrankungen des Knochenmarks, der Stätte der Blutbildung. Genetische Veränderungen in den Blutstammzellen führen dazu, dass Zellen entstehen, die sich schnell und unkontrolliert vermehren. Diese entarteten weißen Blutkörperchen überschwemmen das Blutsystem. Leukämie bedeutet übersetzt „weißes Blut“. Die Folge der Krankheit ist eine hohe Infektanfälligkeit, weil es an gesunden weißen Blutkörperchen, den Abwehrzellen fehlt. In Deutschland erkranken pro Jahr rund 14 000 Menschen an einer Form der Leukämie.

Es gibt zahlreiche Leukämieformen: Manche lassen sich allein mit Tabletten behandeln, für andere braucht es Chemotherapien, Bestrahlung, teils auch eine Stammzelltransplantation. Damit diese anschlägt, muss beim Patienten das Immunsystem mittels Medikamenten außer Kraft gesetzt werden. Bei der Transplantation werden die Stammzellen eines Spenders wie eine Bluttransfusion an den Patienten übertragen. Sie wandern ins Knochenmark, um neue Zellen zu bilden. Dieses neue Immunsystem soll die Leukämiezellen erkennen und bekämpfen. Die Gefahr ist, dass die neuen Blutzellen sich nicht nur gegen Krebszellen, sondern auch gegen Körperzellen richten. Diese Abstoßungsreaktion kann sehr unterschiedlich – von harmlos bis zu lebensbedrohlich – verlaufen.