Alles steht im Wasser und ist eine Baustelle: Szene aus „Leuchtfeuer“ mit Elias Krischke (links) und David Müller. Foto: Björn Klein/BK

Der psychologisch dicht gewebte Krimi „Leuchtfeuer“ der irischen Dramatikerin Nancy Harris wurde im Stuttgarter Kammertheater erstaufgeführt: unterkühlt, auf Abstand – und sehr eindrücklich.

Stuttgart - Ein Krimi braucht in der Regel einen Toten. Der Vater, der in fast jeder Szene des Konversationsdramas „Leuchtfeuer“ gedanklich präsent ist, lebt schon viele Jahre nicht mehr. Er ist vor der Küste einer kleinen irischen Insel ertrunken – obwohl kein Sturm war, obwohl er perfekt segeln konnte. Was ist passiert und „whodunit“, wer ist der Täter? Der Unfalltod, der vielleicht doch keiner war, ist einer der Motoren, der dieses spannende Kammerspiel der Irin Nancy Harris vorantreibt.

 

Colm (David Müller), der Sohn des Toten, war seit Jahren nicht mehr bei seiner Künstler-Mutter zu Besuch auf der Unglücksinsel und sucht bei jeder Gelegenheit Streit mit ihr. Und auch seiner Jugendliebe Donal, dem er einst das Herz gebrochen hat, setzt er zu. Der junge Elias Krischke spielt diesen Jugendfreund Donal nahbar, verstört und verletzt. Denn als Überraschungsgast ist Colms frisch angetraute Ehefrau – und eben kein Ehemann – dabei. Anne-Marie Lux übernimmt die Rolle des Mädchens, das überdreht und voller Enthusiasmus von der feministischen Botschaft und dem Menstruationsblut im jüngsten Werk der Mutter schwafelt. Die Künstlerin (abgeklärt, distanziert, die inneren Stürme gut unter Verschluss haltend: Christiane Roßbach) kontert knochentrocken: „Es ist eine Blutorange.“

Humor spielt keine Rolle

Tatsächlich steckt auch Komik in diesem Stück, in denen die Gespenster der Vergangenheit nach und nach ans Neonlicht kommen. Doch Humor spielt an diesem Abend im Kammertheater keine Rolle. Die Inszenierung von Sophia Bodamer setzt ganz auf die Isolation dieser Inselbewohner und auf extreme Unterkühlung. Nicht umsonst ist das zentrale Requisit ein Kühlschrank. Die Emotionen der Figuren sind fast durchweg unter dem Deckel gehalten, umso wirkungsvoller sind die wenigen Ausbrüche auf der reduzierten Bühne. Die ganze Szenerie steht im Wasser (Bühne: Oliver Helf), hier haben Regisseurin und Bühnenbildner immer wieder eindringliche Bilder geschaffen für den drohenden Untergang der Lebensentwürfe.

So gut gebaut die Dialoge sind, so kalt sind die Gespräche zwischen Mutter und Sohn. Sie sprechen immer auf Abstand, schauen wie Roboter stur geradeaus ins Publikum und sich kaum einmal an. Der Abstand, das Sich-den-anderen-vom-Leibe-Halten, ist wohl den Proben unter Coronabedingungen geschuldet. Dass Sophia Bodamer dieses Prinzip noch auf die Spitze treibt, ist einerseits konsequent und stimmig. Der Text der irischen Dramatikerin wird dadurch allerdings etwas blass: Mehr Naturalismus, weniger Konzept, das hätte dieser Theaterkrimi durchaus vertragen.

Termine: 23. bis 25. Juli