Baden-Württemberg stellt den Klima-Aktivisten die Kosten für Polizeieinsätze in Rechnung. Wer letztlich bezahlt, lässt sich aber nicht kontrollieren.
Das Amtsgericht in Heilbronn war das erste in Deutschland, das Vertreter der Letzten Generation wegen Straßenblockaden zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt hat. Andere Gerichte werden folgen, denn es liegt in der Natur des deutschen Rechtssystems, dass die Strafe bei Mehrfachtätern erhöht wird. Und es liegt in der Natur der Aktivisten, sich nicht von den Entscheidungen der Gerichte davon abhalten zu lassen, weiterhin mit Straßenblockaden für Maßnahmen gegen den Klimawandel zu protestieren.
Mehr als 100 Euro pro Rechnung
Aber nicht nur die Strafen nehmen zu, sondern auch die Kosten für die Polizeieinsätze. Zahlreiche Bundesländer sind inzwischen dazu übergegangen, diese den Aktivisten in Rechnung zu stellen. Darunter auch Baden-Württemberg. Das Innenministerium erfasst Zahlungsaufforderungen gegenüber Klimaaktivisten zwar nicht strukturiert. Für unsere Zeitung hat sich das Ministerium aber bei den Polizeidienststellen umgehört. Demnach sind Stand 1. Mai insgesamt 147 Gebührenbescheide gegen Klimaaktivisten erlassen worden. Die Gesamthöhe der Rechnungen beträgt laut Ministerium 15 560 Euro – im Schnitt also mehr als 100 Euro pro Gebührenbescheid.
Grundsätzlich ist der Einsatz der Polizei in Deutschland kostenfrei – das gilt auch für den Schutz angemeldeter Versammlungen oder Demonstrationen. Wird eine solche Versammlung aber verboten oder aufgelöst, ändert sich das. Ebenso, wenn einzelne Teilnehmer von einer Versammlung ausgeschlossen wurden. In diesen Fällen können Maßnahmen nach dem Polizeigesetz getroffen werden, „bei denen gegebenenfalls Kosten abgerechnet werden“, heißt es aus dem Innenministerium. Auch die Vollstreckungskostenverordnung kann zum Einsatz kommen, wenn die Polizei festgeklebte Aktivisten von der Straße ablösen und danach wegtragen muss.
Investor zieht Ankündigung zurück
Nach Angaben des Innenministeriums sind im Zeitraum zwischen dem 1. Januar und dem 30. April dieses Jahres 80 Gebührenbescheide versendet worden. Von diesen seien bisher 57 beglichen worden. Wer letztlich die Summe überweist, ist dem Land egal. Für Aufsehen hatte in der vergangenen Woche die börsennotierte Aktiengesellschaft Ökoworld gesorgt. Diese hatte zunächst angekündigt, die Kosten für die Polizeieinsätze zu übernehmen, so sie den Aktivisten in Rechnung gestellt werden. Ebenso die Geldstrafen, zu denen sie von Gerichten verurteilt werden. Nach heftigen öffentlichen Protesten ruderte der Finanzdienstleister aus Hilden allerdings zurück. Dabei wäre die Ankündigung eine Art Weiterentwicklung gewesen: Ökoworld hatte schon die Protestaktion im Braunkohletagebau Lützerath finanziell unterstützt.
Auf ihrer Webseite sagt die Letzte Generation ihren Aktivisten bei rechtlichen Fragen, bei Anträgen zur Kostenerstattung und psychologischem Support Hilfe zu. Bußgeldbescheide oder Rechnungen für den Einsatz sollten die Betroffenen demnach so schnell wie möglich an die Rechtsabteilung der Klimagruppe senden. In den meisten Fällen sei es sinnvoll, Widerspruch einzulegen.