Leslie Clio Foto: Robert Winter

Sie saß gerade in der Jury des Eurovision Song Contest, hat schon bei „Rock am Ring“ gesungen und darf als deutsche Antwort auf Joss Stone und Adele gelten. Am Dienstag präsentierte die 28-jährige Leslie Clio ihre neuen Songs im Club Cann in Bad Cannstatt. Jedoch anders als erwartet.

Stuttgart - Denkt man an die Pop-Soul-Sängerin Leslie Clio, kommen einem traurige oder wütende Lieder in den Sinn. Die dunkle mit Akkordeon besetzte Blues-Nummer „Told You So“ etwa, die von einem Seitensprung handelt. Oder das Soulstück „Twist The Knife“, in dem sie vom Verlassenwerden singt. Mit ihrer starken, facettenreichen Soulstimme kämpft sich die Frau, die aus Hamburg stammt und in Berlin lebt, herrlich trotzig durch solche dunklen, schweren Lieder. Am Dienstagabend im Stuttgarter Club Cann in Bad Cannstatt ist es jedoch anders. Von der Bühne schwappen fröhliche, poppige Melodien in den mit gelben Girlanden geschmückten Club. Leslie Clio klatscht stetig gut gelaunt in die Hände und schickt Liebesgrüße ans Publikum.

„Ich habe zwei Jahre traurige Musik gemacht“, sagt sie zuvor im Interview, „zwei Jahre, in denen ich bei den Auftritten eigentlich auch gerne mal gute Stimmung verbreitet hätte, mal gerne in die Hände klatschen oder tanzen wollte. Doch das funktionierte mit ‚Gladys‘ nicht.“

Mit „Eureka“ schon. Ihre zweite kürzlich erschienene Platte beschreibt Clio selbst als Live-Album, als die optimistische Antwort zum verhältnismäßig melancholischen Debüt „Gladys“. Gewandelt habe sie sich jedoch nicht wirklich. „Jeder Mensch hat eine fröhliche und eine traurige Seite“, sagt sie, „bei Künstlern, die nur von Trauer sprechen, frage ich mich manchmal, was bei denen los ist.“

Das Bewerten von anderen Künstlern ist für die Soulsängerin neu – jedenfalls in der Öffentlichkeit. Am vergangenen Wochenende war Clio beim Eurovision Song Contest in Wien zusammen mit Ferris MC, Mark Forster, Johannes Strate und dem Produzenten Swen Meyer die deutsche Jury. 27 Künstler musste das Gremium bewerten. Eine schwierige Aufgabe? „Ja“, sagt Clio, „es wäre einfacher, wenn man nur ein paar Favoriten bestimmen müsste. Aber jedem einen Platz zu geben war eine Herausforderung.“ Sie war gebeten worden, in der Jury mitzumachen. Und obwohl sie zugesagt hat, sei sie keine leidenschaftliche ESC-Zuschauerin. Im Gegenteil: „Ich mag keine Wettkämpfe. Ich bin einfach nicht der Typ für so etwas. Ich weiß nicht, ob ich vielleicht früher mal mitgemacht hätte – ich sage niemals nie zu etwas, weil man es nie weiß – aber in naher Zukunft sicher nicht.“

Der Gewinnersong „Heroes“ des schwedischen Kandidaten Måns Zelmerlöw hänge ihr noch immer in den Ohren. Manche Songs funktionieren laut Clio immer. Wenn sie eine gewisse Melodie haben, sei es egal, wie man sie interpretiere. Das Songschreiben ist ihr besonders wichtig. Für immer will sie singen und Lieder schreiben. Im Juni soll es dafür nach New York gehen, um an Album Nummer drei zu arbeiten. In New York war die Sängerin, die gerne reist, noch nie. Sie habe einige Songschreiber und Produzenten im Auge, mit denen sie arbeiten will. Doch was folgt nach dem traurigen Debüt „Gladys“ und dem fröhlichen Album „Eureka“?

„Ich weiß nicht“, sagt Clio, „noch nicht. Aber das werde ich dann sehen. Ich brauche erst einmal Input, nach dem ganzen Output, den ich derzeit auf Tour gebe.“ Auf die Frage, ob es denn etwas mehr Richtung Hip-Hop gehen könnte, da Clio sich gerne in Hip-Hop-Kluft – College-Jacke, Air-Max-Sneakers und Cap – zeigt und zuletzt den deutschen Rapper Chefket als Support auf Tour hatte, grinst sie nur. „Vielleicht ist das ja auch ein Grund, warum ich nach New York muss“, sagt sie.

Auf der Bühne im Club Cann hat sie jedenfalls die Sneakers backstage gelassen. Mit orangefarbenen High Heels und bunter Bluse steht sie auf der Bühne. Gerade singt sie das Lied „Be With You“, erzählt davon, dass es eigentlich egal ist, wo man ist, wenn man nur mit dem richtigen Menschen zusammen ist.

Das Publikum tanzt, während vom Keyboard schrille, hohe Klänge, die an die 1980er erinnern, ertönen. „Di, di, di, di“, trällert Clio die letzten Töne zum Song mit. Dann noch ein „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, Stuttgart“, sagt sie zwischen den Liedern, spielt die Verlegene, die Unsichere und stürzt sich immer wieder hinein in Popsongs wie „All The Other Fools“, durch das ein Xylofon tönt. Doch leider steht ihr der fröhliche Sound, der ihre Musik jetzt noch ein bisschen radiotauglicher macht, nicht so gut wie die Traurigkeit des Debüts.

Leslie Clios Album „Eureka“ (Universal Music) ist im April erschienen.