Balthazar Minh Pannwitz bei der Arbeit: Der Kalligraf hübscht mit Pinsel und weißer Farbe Schaufenster in Echterdingen auf. Foto: Natalie Kanter

Am Montag beginnt wieder die Lesezeit in Leinfelden-Echterdingen. Das eh schon bunte Programm wird durch Aktionen der Werbegemeinschaft und der Bürgerstiftung bereichert.

Leinfelden-Echterdingen - Kalligraf Balthazar Minh Pannwitz ist in Verzug. Der freischaffende Künstler aus Möhringen hat den Aufwand unterschätzt. Er wird wohl nicht rechtzeitig fertig werden. Spaß macht ihm die Arbeit dennoch. „Wenn ich durch Echterdingen laufe und an fast jedem Schaufester eine Kalligrafie lesen kann, dann geht mein Herz natürlich auf“, sagt er.

Pannwitz hübscht mit Pinsel und weißer Farbe die Auslagen der Echterdinger Fachgeschäfte auf. „Ein Raum ohne Bücher ist ein Körper ohne Seele“, ist beispielsweise bereits auf einem Fensterglas zu lesen. Oder auch „Stoffmäntel sagen: Ich mag Dich. Pelzmäntel sagen: Ich liebe Dich.“ Die Sprüche hat die Werbegemeinschaft Echterdinger Fachgeschäfte ausgesucht. „Ich wähle die zum Geschäft passende Schrift aus“, sagt der Künstler.

Anlass der ungewöhnlichen Aktion ist die vom städtischen Kulturamt koordinierte „Lesezeit in L.-E“, welche am Montag, 14. September, beginnt. Leinfelden-Echterdingen hat sich zum Ziel gesetzt das Wunder des Lesens möglichst vielen – insbesondere auch Kindern und Jugendlichen – zu erschließen. Bereits zum fünften Mal haben deshalb die Mitarbeiter des Kulturamtes und der Stadtbücherei gemeinsam mit Schulen, Kindergärten und anderen Projektpartnern ein kunterbuntes Programm zusammengestellt.

Autoren reisen an

Kabarett, Chanson- und Theaterabende gehören dazu, genauso wie Vorlesewettbewerbe und Bilderbuchkino. Autoren von Kinder- und Jugendbüchern reisen an. Andrea Karimé, Claudia Schreiber, Maja Nielsen und Gina Mayer werden aus ihren Büchern vorlesen. Mehr als 1100 Schüler kommen in den Genuss dieser Lesungen und können im Anschluss die Schriftstellerinnen über ihren Beruf ausfragen.

Die Echterdinger Gewerbetreibenden begleiten die Lesezeit mit besonderen Aktionen. Zum ersten Mal gehört zur Lesezeit aber auch eine Veranstaltungsreihe, die sich „Ein Buch bewegt LE“ nennt. „Die Bürgerstiftung hatte die Idee dazu“, sagt Dorothea Veit, Vizeleiterin des städtischen Kulturamtes. Schulen wie das Philipp-Matthäus-Hahn-Gymnasium sitzen mit im Boot.

Ein Buch bewegt L.-E.

Im Mittelpunkt steht die Erzählung „Der wiedergefundene Freund“ des Stuttgarter Autors Fred Uhlmann. Der Roman beschreibt die Freundschaft zwischen zwei 16-jährigen Schülern. Der eine ist Sohn eines jüdischen Arztes. Der andere gehört einem württembergischen Adelsgeschlecht an. Als das Nazi-Regime die Macht in Deutschland übernimmt, zerbricht die Freundschaft. Die Erzählung gilt als literarisches Meisterwerk.

„Das Buch sollte zur Lesezeit jeder in Leinfelden-Echterdingen lesen“, sagt Dorothea Veit. Der Grund: Es gibt zahlreiche Programmpunkte, die sich mit dem Thema des Werkes beschäftigen. In den Büchereien werden dazu passende Medien bereitgestellt. Im Gemeindezentrum der Leinfelder katholischen Gemeinde St. Peter und Paul wird aus dem Buch vorgelesen. In den Räumen der VHS wird der Freundschaft gehuldigt. Es gibt Literaturnachmittage und -abende, die sich mit dem Roman befassen. Bei Exkursionen begibt man sich auf die Spuren des Autors und seiner Figuren.

Und damit ist noch lange nicht Schluss: Die Veranstalter rufen Bürger dazu auf, ihre Gedanken, Gedichte oder auch Bilder zu Uhlmanns Novelle an die Mail-Adresse Fred.Uhlmann@PMHG.de zu schicken. „Wir sammeln und sichten die Zuschriften“, sagt Veit. Auszüge daraus sollen in Buchform veröffentlicht werden. Wenn man so will, schreiben Bürger also ein Buch über ein Buch.