Wie das heimische Bücherregal, aber für alle zugänglich: In Heumaden können die Bürger seit etwa vier Jahren am Marktplatz Bücher holen oder abgeben. Foto: Sägesser

Heumaden hat’s schon: ein Bücherregal, an dem sich alle kostenlos bedienen dürfen. Nun interessieren sich die Freien Wähler im Gemeinderat fürs Thema. Die Stadt soll berichten, wo es solche Ausleihstationen gibt und wie es mehr werden könnten.

Heumaden - In Heumaden wird den kleinen und großen Leseratten etwas geboten, das sich andere Stuttgarter auch in ihrer Nähe wünschen: ein öffentliches Bücherregal. Ein Ort, um sich ungezwungen etwas zum Schmökern mitzunehmen oder für andere etwas aus dem heimischen Bücherregal dazulassen. „Manche freundlichen Menschen sortieren auch einfach hin und wieder das Regal am Dorfplatz“, sagt Eckhard Philipsen. Er und seine Frau Hiltrud Philipsen betreuen das Projekt. Heumaden ist in Stuttgart mit der Büchertauschbörse vorne mit dabei.

In vielen Städten Deutschlands muss der Leseinteressierte nicht viel mehr machen, als die Augen offenzuhalten. In Stuttgart ist die Suche jedoch um einiges schwerer als beispielsweise in Freiburg oder Berlin, wo sich öffentliche Bücherschränke großer Beliebtheit erfreuen. An gut erreichbaren Standorten werden dort klassische Regale aufgebaut oder Telefonzellen umfunktioniert, auch alte Verteilerkästen eignen sich für die literarische Fracht.

Stuttgart hinkt diesbezüglich hinterher

„In vielen Städten sind sie gang und gäbe, wir in Stuttgart sind da hinterher“, sagt Marion Kadura. Sie ist Literaturreferentin beim städtischen Kulturamt. Kadura würde mehr solcher Projekte begrüßen, weiß aber um die Schwierigkeiten auf dem Weg von der Idee zur Realisierung. „Es braucht erst einmal jemanden, der alles in die Hand nimmt“, sagt sie. In Heumaden war es das Ehepaar Philipsen. „Es herrscht ein reges Geben und Nehmen, teilweise stehen die Bücher zweireihig im Regal“, sagt Eckhard Philipsen. Er ist Sprecher der Lokalen Agenda in Sillenbuch. Mit der Genehmigung der Wohnungs- und Städtebaugesellschaft fiel in Heumaden vor etwa vier Jahren der Startschuss. „Eigentlich eignet sich jedes überdachte Häuschen mit zentraler Lage dafür“, sagt Philipsen.

Das Thema beschäftigt mittlerweile auch die Freien Wähler. Im September hat die Fraktion im Gemeinderat einen Antrag eingereicht, um über Erfahrungen mit solchen Angeboten in Stuttgart informiert zu werden. „Uns hat das Interesse am Lesen und am Buch selbst darauf gebracht“, sagt Michael Schrade. Er ist Leiter der Geschäftsstelle der Gemeinderatsfraktion. Schrade kennt das Prinzip schon lange und würde auch einen Blick in einen solchen Schrank werfen – wenn es denn einen in seiner Nähe geben würde.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Bibliotheken gibt es keine Leihfristen. Der Leser kann das Buch so lange behalten, wie er will. Keine Mahngebühren, keine Öffnungszeiten, die eingehalten werden müssen. „Die Regale sollen und können auch keine Konkurrenz zu Büchereien darstellen, sie wären aber eine nette Ergänzung“, sagt Schrade. Die Regale können nur eine kleine Auswahl anbieten, der Suchende muss also etwas Flexibilität mitbringen.

Die Bezirksvorsteher seien die besten Ansprechpartner

„Es ist wie beim Schlendern in der Stadt: Man sieht zufällig etwas und kauft es, nur dass man hier nichts zahlen muss“, sagt Literaturreferentin Marion Kadura. Doch an wen kann man sich mit dieser Idee eigentlich wenden? „Der Vorsteher im Bezirksrathaus weiß meistens am besten Bescheid und kann sagen, ob sich so etwas in dem Gebiet verwirklichen lässt“, sagt sie. Der Gemeinderat kann ebenfalls über diese Anliegen entscheiden. „Es liegt auch immer viel an der Person mit der Bestimmungsgewalt in dem jeweiligen Stadtteil“, sagt Kadura. Im Stadtkern sieht das schon wieder anders aus. Dort ist das Amt für öffentliche Ordnung zuständig.

Maike Giedner, Geschäftsführerin der Naseweiß-Buchhandlung im Stuttgarter Westen, wünscht sich beispielsweise, „dass man die Stadt ins Boot holt“. Sie betreut seit mehr als zwei Jahren ein öffentliches Kinder-und Jugendbuchregal am unteren Schlossgarten. Giedner sieht darin eine gute Gelegenheit, um Kindern zu einem Buch zu verhelfen. „Viele kommen in meinen Laden, aber können oder dürfen sich nichts kaufen.“ Mit dem Regal ändert sich das. Bücherspenden bekomme sie genügend, doch den Standort findet sie nicht ideal. Sie sieht in diesem Punkt aber auch ein generelles Problem. „In Berlin gibt es so was an jeder Ecke. Hier ist es ein riesiges Hin und Her, wenn es um einen passenden Standort geht.“