Foto: Leserfotografin biggi

Frankfurt zeigt eine Schau über Bonatz, wir zeigen Bahnhofsbilder unserer Leserfotografen!

Frankfurt/Main/Stuttgart - „Tempel eines unbekannten Kultus“ hat der Avantgardist Ilja Ehrenburg den Stuttgarter Hauptbahnhof in den 1920er Jahren fast ehrfürchtig genannt. Damit lag der russische Schriftsteller gar nicht so daneben. Wie unserer Leserfotografen den Stuttgarter Hauptbahnhof sehen, zeigen wir in einer Bilderstrecke.

Moschee als Vorbild

Eine große Ausstellung über das Schaffen des Bahnhof-Baumeisters Paul Bonatz im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt zeigt anhand neuer Dokumente, dass die Sultan-Hassan-Moschee in Kairo Pate für den Bau stand.

Bonatz (1877-1956), der eine moderat-konservative Moderne vertrat und einst zu den wichtigsten Architekten in Deutschland gehörte, war schon fast vergessen. Der erbitterte Streit um „Stuttgart 21“ hat ihn plötzlich wieder ins Rampenlicht katapultiert. Vor genau 100 Jahren gewann er den Wettbewerb zum Bau des Hauptbahnhofs. Beeinflusst von einer Ägyptenreise im Jahr 1913 hat er dann mit Hilfe kubischer Formen Historismus und Moderne verknüpft. Ein starkes Pathos kam hinzu, da Bonatz einen Hang zum Monumentalen hatte.

Ausstellung: Kein "Nazi-Bahnhof"

Diese Formensprache und Bonatz' spätere Mitarbeit im „Dritten Reich“, obwohl der kosmopolitische Architekt eigentlich ein Nazigegner war, hat ihn suspekt gemacht. Mit Hunderten von Exponaten und Modellen macht die Ausstellung aber klar, dass das 1928 vollendete Stuttgarter Hauptwerk keinesfalls die bombastische Nazi- Architektur vorwegnimmt.

„Er galt als der moderne Bahnhof schlechthin“, sagt Kurator Wolfgang Voigt. In der Fachwelt wurde der Bau damals auch wegen seiner extremen Funktionalität gepriesen. Die Firma Märklin nahm den Bahnhof in ihr Programm auf. Und von der Schalterhaupthalle „als Kathedrale des Verkehrs“ hat sich der Kirchenbaumeister Dominikus Böhm stark beeinflussen lassen.

"Perfekt auf Stuttgart abgestimmtes Bauwerk"

Zum Streit um die Verlegung des Bahnhofs unter die Erde und dessen Teilabbruch will die Ausstellung bewusst nicht Stellung beziehen. Bonatz habe aber ein perfekt auf die Stadt abgestimmtes Bauwerk geschaffen, lobt Voigt.

Sollten die Seitenflügel abgerissen werden, kippe der „Turm optisch zur Seite“, kritisiert Voigt. Bonatz, im Elsass aufgewachsen, war als Architekt und Professor einer der herausragenden Vertreter der „Stuttgarter Schule“. Er war aber nie leicht einzuordnen, da er zwischen Klassizismus und Moderne pendelte. Traditionelle Baustoffe und Landschaftsbezug waren ihm immer wichtig - doch von der Bauhaus-Moderne war er oft auch nicht weit weg.

Der Nazi-Kritiker macht doch mit

Nicht nur das Schaffen, auch das Leben von Bonatz wird von Widersprüchen bestimmt. Als ausgewiesener Nazi-Kritiker macht er ab 1933 dann doch mit, um an Aufträge zu kommen. Er baute über 20 Brücken für die „Reichsautobahnen“. 1944 kehrte er von einem Lehraufenthalt in der Türkei nicht mehr zurück. Nach dem Krieg ließ er sich 1954 endgültig wieder in seiner Heimat nieder. Er baute dann unter anderem noch das Opernhaus in Düsseldorf.

Für das Museum ist es Zufall und Glücksfall zugleich, dass Bonatz' Hauptwerk im Moment in aller Munde ist. Die Ausstellung, die wegen des Umbaus des Museums mit einigen Wochen Verspätung beginnt, wurde schon seit 2006 vorbereitet und ist bis 20. März zu sehen. Anschließend wird die Schau in der Tübinger Kunsthalle eröffnet - zum richtigen Zeitpunkt. Zwei Tage später ist Landtagswahl in Baden- Württemberg.