Leser Gerhard Schmeckthal und der GI, der für ihn zu Onkel Bill wurde. Foto: cf/privat

Den 75. Jahrestag der Stuttgarter Hoffnungsrede des damaligen US-Außenminister James F. Byrnes nehmen wir zum Anlass, persönlichen deutsche-amerikanische Erinnerungen zu veröffentlichen.

Stuttgart - Das Foto in diesem Text steht stellvertretend dafür, wie die USA den Deutschen schon unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg begegnet sind: Der Große gewinnt das Vertrauen des Kleinen, weil er ihn nicht von oben herab behandelte, sondern partnerschaftlich. Das Bild stammt von Gerd Schmeckthal, das ihn als Dreijährigen mit einem US-Soldaten in Stuttgart zeigt. Der GI wurde schnell zu „Onkel Bill“, der Schokolade schenkte und zu Spritztouren mit dem Auto einlud.

Es sind zum Teil berührende deutsch-amerikanische Erinnerungen, die Leserinnen und Leser mit uns teilen. Den 75. Jahrestag der Hoffnungsrede des damaligen US-Außenminister James F. Byrnes in der Stuttgarter Oper hatten wir zusammen mit dem Deutschen- Amerikanischen Zentrum zum Anlass genommen, nach persönlichen Erinnerungen zu fragen. An dieser Stelle veröffentlichen wir eine Auswahl der zahlreichen Leserzuschriften – verbunden mit dem Dank an alle, die unserer Einladung gefolgt sind und sich beteiligt haben.

Was für ein erfülltes Leben (Dr. Dieter Hagmann, Stuttgart)

Anfang der 50er-Jahre wurde ein Zeitungsaufruf gestartet, dass man hier stationierte amerikanische Soldaten über die Weihnachtstage einladen solle. Da meine Schwestern und ich, alle in den Zwanzigern, über ausreichende englische Sprachkenntnisse verfügten, folgten meine Eltern der Aufforderung. Zu Weihnachten überraschte uns dann Milton Carp, ein GI jüdischen Glaubens, in unserem Haus in Degerloch. Man war sich sofort sympathisch und verbrachte anschließend die meisten Wochenenden gemeinsam. Er war offenherzig, mitteilsam, zu Späßen aufgelegt und brachte gelegentlich einen befreundeten Kameraden mit.

Nach etwa einem Jahr durften die amerikanischen Soldaten außerhalb der Kaserne wohnen und ihre Angehörigen aus den Staaten nachkommen lassen. Wir boten Milton an, mit seiner Frau Elaine kostenlos in unserem Dachstock zu wohnen und richteten dort, zusätzlich zum Bad, eine kleine Küche ein, die für diesen Zweck noch fehlte. Elaine, fröhlich und temperamentvoll, verbrachte die meiste Zeit des Tages mit meiner Mutter Pauline im Haushalt und lernte auf diese Weise Deutsch. Elaine entwickelte so viel Zuneigung, dass die erstgeborene Tochter „Paula Mutter“ genannt wurde.

In die USA zurückgekehrt, ließen sich die Carps in New Jersey nieder, Milton arbeitete als selbstständiger Maler und Tapezierer, und der Sohn Allan wurde geboren. Nie riss die Verbindung ab, ich sah, bei meinen beruflichen Aufenthalten in Amerika, die Familie häufig, und die besuchte uns in Deutschland.

Im Alter zog das Ehepaar Carp ins sonnige Florida, wo schon die mit einem Vietnamveteranen verheiratete Tochter lebte. Milton ging in der Malerei auf, gab Malkurse und restaurierte Gemälde. Vor zwei Jahren starb Elaine, lange nachdem ihr Mann sie nach einem Schlaganfall liebevoll umsorgt hatte.

Milton, dieser gütiger Mensch, weiß seine Kinder in der Nähe, ist, wie ich, 91 Jahre alt und hat dem Malen noch das Dichten hinzugefügt. Was für ein erfülltes Leben!

Amerika-Haus als Kompass für Leben (Prof. Dr. Ernest Bernhardt-Kabisch, Bloomington, Indiana, USA)

Als Pennäler am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium ging ich in den frühen Fünfzigerjahren viel und gerne mit Freunden ins Amerika-Haus in der Urbanstraße. Besonders beliebt war der Howdy-Club, wo wir uns reihum aus einem amerikanischen Buch vorlasen, etwa dem damals neu erschienenen „Cheaper by the Dozen“ („Im Dutzend billiger“). Geleitet wurde der Club von Mrs. Marion Hannon, der Gattin eines amerikanischen Majors, der damals für das Radio- und Zeitungswesen in der amerikanischen Zone zuständig war. Sie lud uns auch an Weihnachten zu sich nach Sonnenberg ein, wo ich zum ersten Mal einem Christbaum mit bunten Lichtern statt der gewohnten Wachskerzen begegnete.

Ein weiteres unvergessliches Erlebnis waren die Stunden bei einem Sänger aus Philadelphia namens Parker Watkins, der uns Spirituals beibrachte, die wir dann mit großem Erfolg vortrugen, wobei ich auf dem Klavier begleitete. Ich wurde zum Freund von Parker. Ein drittes Hauptprojekt für uns Jugendliche war eine Theatergruppe. Im Frühjahr 1951 wurde mir als 16-Jährigem die Inszenierung einer großteils von mir geskripteten Bühnenversion von Mark Twains „Abenteuer des Tom Sawyer“ anvertraut. Wir bekamen Lob vom damaligen Direktor des Amerika-Hauses, einem Mr. Behrens, der allerdings beanstandete, dass wir in naiver Texttreue das „N-Wort“ benutzt hatten – damals noch eine sehr feinfühlige Reaktion. Das Amerika-Haus, in dem ich eine Zeit lang als Bibliotheksgehilfe angestellt war, gab meinem Leben die Richtung. Die dort erworbenen Kenntnisse im Englischen haben mir 1955 sehr geholfen, an der Universität Berkeley angenommen zu werden. Ich habe in den USA geheiratet und bin seit 1961 amerikanischer Staatsbürger. An der Indiana University habe ich Anglistik und Literaturwissenschaft gelehrt. Doch die Verbindung nach Stuttgart ist geblieben.

Stuttgart in Arkansas (Gisela Hood, North Carolina, USA)

Mit Interesse las ich, dass dieses Jahr der 75. Jahrestag der Stuttgarter Hoffnungsrede gefeiert wird. Ich war ja schon immer ein großer USA-Fan und besuchte als Studentin deshalb oft das Amerika-Haus zu Vorträgen. Gleich nach dem Abitur (1971) ging ich als Au-pair zu einer Familie nach Bloomfield Hills, Michigan. Das war damals etwas ganz Besonderes und Außergewöhnliches.

Ein Jahr später besuchte ich für ein Semester das Albion College in Michigan. Ich hatte ein Stipendium von der PH Ludwigsburg. Als ich zurück kam, lernte ich meinen Mann kennen. Er war Hubschrauberpilot bei der US-Armee. Seit 1976 wohne ich nun in den USA, komme aber noch jedes Jahr nach Deutschland. Nach dem Studium unterrichtete ich an der Realschule Untertürkheim und später an der Gesamtschule Freiberg.

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Nebenbei, es gibt ja die Stadt Stuttgart im US-Bundesstaat Arkansas, die von Adam Bürkle aus Plattenhardt 1852 gegründet wurde. Als ich noch in Deutschland unterrichtete, nahm ich dorthin Kontakt auf und schrieb auch einen Artikel in der Zeitung über diese Beziehung. Als vor Jahren dort das Jubiläum der Gründung gefeiert wurde, ließen sich die Männer in Stuttgart (Arkansas) übrigens Adam-Bürkle-Bärte wachsen. Zur Zeit arbeite ich noch als Übersetzerin und Dolmetscherin.

Erst neulich bekam ich eine Mail von einer Frau, die meine berufliche Hilfe benötigte. Sie stammt aus Stuttgart, ich lernte sie persönlich kennen. Die Welt ist klein. Gerade machte ich Übersetzungen für eine Frau aus Schwäbisch Hall.

Auch mit wenig Englisch gut verstanden (Steffi Passalacqua, Stuttgart)

Ihr netter Artikel und der Aufruf, über deutsche-amerikanische Begegnungen zu berichten, hat mich doch auch in die Erinnerung zurückgeführt.

Im Jahr 1957 – ich war damals im Mädchengymnasium Bad Cannstatt – hatten wir für einige Monate eine Mitschülerin. Der Vater von Betty Keller war in Pattonville stationiert. Anfangs konnte sie kein Wort Deutsch, und unser Englisch war damals, im dritten Jahr am Gymnasium, noch sehr begrenzt. Aber die Zeit mit Betty zu verbringen, hat uns unheimlich viel Spaß gemacht und auch viel gebracht. Als Betty nach den Sommerferien nicht mehr bei uns war, haben wir das alle sehr bedauert. Übrigens zeitgleich kam – ebenfalls aus Pattonville – einmal die Woche eine Amerikanerin und sprach in dieser Stunde nur Englisch mit uns. Das war etwas ganz Besonderes. Ich denke noch gerne an diese Zeit zurück.

Damals hatten wir im Cannstatter Tennisclub auch immer wieder junge Amerikaner aus dem damaligen Hospital (heute Hautklinik) zu Gast. Diese Zusammentreffen eröffneten uns jungen Menschen eine ganz neue Perspektive. Für diese Erfahrungen bin ich heute noch dankbar.

Tiefe Dankbarkeit (Peter Kolbai, Gerlingen)

1945 gab es den Aufruf, Soldaten der Alliierten einzuladen. Wir verbrachten Heiligabend mit dem GI Albert. Er schenkte mir eine Lokomotive samt Wagen, Schienen und einen Trafo von Märklin. Ein kleines Wunder zur damaligen Zeit. Albert besuchte uns danach regelmäßig. Schicksalhaft – spätere Erkundigungen meines Vaters ergaben: Das Schiff, in dem Albert in die USA zurückkehren musste, war im Ärmelkanal mit Mann und Maus gesunken. Mir bleibt seitdem eine tiefe Dankbarkeit gegenüber den USA. So viel freies, junges, wertvolles Leben wurde geopfert, um uns Deutsche von der menschenverachtenden Diktatur zu befreien.

Mein Freund Falco (Karin Baumann)

Ich bin 1948 geboren und mein erster bester Freund war Falco, ein amerikanischer Soldat, der in unserem Haus ein kleines Zimmer bewohnte. Er war da, seit ich mich zurückerinnern kann. Bei seiner Hochzeit mit der deutschen Freundin durfte ich als Blumenkind dabei sein. Da war ich vielleicht drei Jahre alt. Leider musste er danach zurück nach Amerika. Ich hab ihn sehr vermisst.

An was ich mich auch noch gut erinnere: Für die Vaihinger Kinder wurden von US-Soldaten an Ostern kleine Schoko-Eier auf einer Wiese versteckt. Dazu noch ein großes goldenes, für das der Finder einen Teddy bekam. Damals war ein Schoko-Ei noch ein kleiner Schatz. An Weihnachten sind wir oft zur Kaserne gelaufen, um die liebevoll geschmückten und beleuchteten Häuser vom Zaun aus anzuschauen.

Wer als Kind gute Erfahrungen macht, dem brennt sich das fest ins Gedächtnis ein.